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Patrick Breyer
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Patrick Breyer von Reinhard G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Breyer,
Das Weltwirtschaftsforum, bei dem sich Vertreter der größten Wirtschaftsunternehmen mit Politikern treffen, wird voraussichtlich nächstes Jahr über einen globalen „Great Reset“ sprechen. (Einem Plan, der große Änderungen für die Welt vorsieht)
https://www.weforum.org/ great-reset/

Klaus Schwab, der Gründer des WEF, hat als Co-Autor dazu ein Buch veröffentlicht:
mit Thierry Malleret: COVID-19: The Great Reset. Lightning Source, ISBN 978-2-940631-12-4.
mit Thierry Malleret: COVID-19: Der große Umbruch. Forum Publishing, Genf 2020, ISBN 978-2940631193.

Ich habe gehört, das er verschiedene sehr „steile Thesen“ vertreten soll.

Haben Sie sich über diese Pläne näher informiert und was halten sie davon? Für wie groß halten Sie den Einfluss des WEF? Sehen Sie eine Gefahr für die Demokratie? Könnten Unternehmen, die an einer Umweltzerstörung, Umverteilung und weltweit an vielen sozialen Problemen beteiligt sind, noch mehr an Einfluss gewinnen und unsere Zukunft bestimmen?

Auf dem Weltwirtschaftsforum wurde bereits im Jahr 2018 eine Überwachung aller Bürger gefordert. Zum Beispiel:
http://www3.weforum.org/docs/WEF_The_Known_Traveller_Digital_Identity_Concept.pdf

Was halten Sie von den Forderungen, die dort erhoben werden?

Viele Grüße

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zum „Great Reset“ und den Einfluss des Weltwirtschaftsforums. Ich habe das Buch von Klaus Schwab persönlich nicht gelesen, aber die Debatte darüber wird auch in den sozialen Medien und in Blogs geführt. Meiner Meinung nach werden die Thesen, die Schwab und Co. Aufstellen, zum Teil in sehr abstrakter Form missinterpretiert. Um es in einem Satz zusammenzufassen, richtet das Buch einen etwas abstrakten Appell an die Verantwortung von Bürgern, Wirtschaftsführern und Politikern, gemeinsam die Grundlagen unseres Wirtschafts- und Sozialsystems besser auszurichten – und zwar dringend. Ich sehe darin weniger die Gefahr, dass die Umweltzerstörung wächst und Unternehmen, die an sozialer Missständen beteiligt sind, mehr an Einfluss gewinnen. Im Gegenteil, genau das ist aus meiner Sicht der neue Ansatz, dass Nachhaltigkeit, gerade im unternehmerischen Handeln, mehr in den Fokus gestellt werden muss.

Das Weltwirtschaftsforums ist eine Plattform, auf der Politiker und Unternehmen in einen internationalen Dialog treten und sich über zukünftige Herausforderungen, nicht nur aus wirtschaftlicher Hinsicht, austauschen. Auch wenn dieses Forum nicht demokratisch legitimiert ist, um verbindliche Absprachen zwischen Staaten zu schließen, muss diese Form der Co-Regulierung und Einflussnahme wirtschaftlicher Interessen genau beobachtet werden. Ohnehin scheinen politische Entscheidungen vielfach eher im Interesse der Wirtschaft und der Wohlhabenden als im Interesse der Mehrheit der Bürger getroffen zu werden. Solche Geheimtreffen gefährden das Vertrauen der Bürger in die Vertretung ihrer Interessen durch die Politik und können antidemokratischen Kräften Auftrieb geben.

Dervon Ihnen als letztes angesprochene Vorschlag ist mir bisher nicht bekannt gewesen, umfasst aber ein Thema, das ich in meiner politischen Laufbahn bereits mehrfach kommentiert habe. Nach meiner Überzeugung haben auch unbescholtene Reisende ein Recht auf Anonymität. Eine Vorratsspeicherung von Reisebewegungen lehne ich ab; auch der Europäische Gerichtshof hat dazu klare ablehnende Worte gefunden. Den Einsatz unveränderlicher körperlicher Merkmale jenseits des Fotos im Reisedokument halte ich nicht für erforderlich. Besonders kritisch betrachte ich, dass Einreisewillige in die EU künftig noch vor Reiseantritt Personendaten offenbaren sollen und automatisiert ein „Risikowert“ errechnet wird. In solche Werte fließen viele Faktoren ein, auf die der einzelne Reisende keinen Einfluss hat. Statistische Wahrscheinlichkeiten sind meines Erachtens keine belastbare Grundlage, um nachteilige Entscheidungen zu treffen. Leider hat eine Mehrheit des Europäischen Parlaments dies anders beurteilt. Zurzeit betreibe ich gerade ein Gerichtsverfahren, um an Informationen über ein EU-finanziertes Forschungsprojekt zur Erprobung eines „Video-Lügendetektors“ an Einreisewilligen zu kommen (iBorderCtrl). Sie können sich darauf verlassen, dass ich als Mitglied der Piratenpartei derartige Ideen und Maßnahmen auch künftig ablehne und mich auch weiterhin für Selbstbestimmung der Bürger*innen über ihre Daten einsetzen werde.

Bleiben Sie gesund und beste Grüße

Patrick Breyer

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