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Monika Grütters
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Frage von Hans-Peter P. •

Frage an Monika Grütters von Hans-Peter P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Fr. Grütters,

Sie unterstützen die Einrichtung einer Kulturakademie in Istanbul für deutsche Künstler. Können Sie mir bitte erklären, warum Sie angesichts eines Haushaltsdefizits von mehreren 10 Mrd.Euro, einer stetig ansteigenden Staatsverschuldung ein Projekt fördern, dessen Notwendigkeit doch stark hinterfragt werden muss. Sollten wir uns nicht darauf konzentrieren, die wirklich wichtigen Dinge zu regeln und zu unterstützen und unnötiges zu unterlassen.

Sinn und Zweck muss doch sein, den Haushalt zu konsolidieren und den Schuldenberg abzubauen. Ich bin mir sicher, dass Sie zu Hause auch so agieren, dass Sie mit Ihren Mitteln hinkommen und nicht ständig über Ihre Verhältnisse leben.

Ich frage Sie: Warum gehen Sie mit unseren Steuergeldern anders um?

MfG
Hans-Peter Pischka

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Sehr geehrter Herr Pischka,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich weiß, dass es zuweilen unhöflich wirkt, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. Bitte sehen Sie mir es deshalb nach, dass ich dies hier ausnahmsweise tue. Ich frage mich nämlich, wieso Sie glauben, dass „die Notwendigkeit“ eines Projektes wie Tarabya „stark hinterfragt werden muss“?

In unserem Land leben mehr als drei Millionen Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund. Seit vielen Jahren führen wir in Deutschland eine engagierte Integrationsdebatte, in deren Zentrum häufig auch diese Menschen stehen und die Frage, wie wir sie am besten integrieren und uns einander besser kennenlernen können. Ich denke daher, dass eine engere Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei vor diesem Hintergrund im Interesse unseres Landes ist. Nicht nur, weil die Türkei durch ihre aufstrebende Wirtschaft zu einem immer wichtigerem Handelspartner wird, sondern eben auch, um ein Gefühl für die kulturellen Hintergründe zu entwickeln, die in Deutschland inzwischen viele Menschen mitgeprägt haben.

In Tarabya wollen wir es Künstlerinnen und Künstlern und Intellektuellen aus Deutschland ermöglichen, den kulturellen Austausch mit der Türkei zu suchen. Dank anderer Stipendiatenprogramme in Italien und den USA, die seit Jahrzehnten etabliert sind, wissen wir, dass dieser Austausch nicht nur auf diese Personen beschränkt bleibt, sondern dass sie anschließend als Vermittler auch in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen auftreten und mit ihren Werken den Gedanken der Verständigung oft mit großem Erfolg unterstützen.

Wer die Bedeutung des Gelingens der Integration der großen Gruppe türkischstämmiger Menschen in unserem Land für ein zentrales Zukunftsprojekt in Deutschland hält, sollte daher aus meiner Sicht ein möglichst enges deutsch-türkisches Verhältnis befürworten. Und wer könnte mehr dazu beitragen als Vertreter der meinungsbildenden Milieus beider Gesellschaften?

Nun kann man natürlich noch kritisch hinterfragen, ob eben der kulturelle Austausch ein sinnvoller und erfolgversprechender Weg ist, um möglichst viele Menschen für die deutsch-türkische Verständigung zu gewinnen.

Aus meiner Sicht hilft hier ein Blick gerade in unsere deutsche Geschichte. Mit dem Begriff „verspätete Nation“ ist häufig der Umstand beschrieben worden, dass Deutschland zuerst eine Kulturnation war und erst später auch politische Nation wurde. Es waren vor allem Dichter des deutschen Idealismus, also die Künstler, die im ausgehenden 19. Jahrhundert die Einheit der deutschen Nation im Geiste beschworen haben und sie im lebendigen Gedächtnis der Menschen gehalten haben - wohlgemerkt in einer Zeit, in der Deutschland noch in unzählige Kleinstaaten zersplittert war.

Dieser Blick in die Geschichte macht zweierlei deutlich: er zeigt, dass die Kultur in den vergangenen Jahrhunderten in Deutschland immer eine besondere Rolle gespielt hat. Sie war das geistige Band gerade in jenen Zeiten, in denen die staatliche Einheit noch nicht verwirklicht war. Dieser Blick zurück zeigt aber auch, dass Identität vor allem aus dem kulturellen Leben eines Landes erwächst. Kunst und Kultur sind es, die auch heute in unterschiedlichen Medien und auf vielfältigen Wesen die Identität unseres Landes und seiner Bewohner mitprägen. Ob affirmativ oder herausfordernd, die Auseinandersetzung mit dem Bild von uns selbst ist immer Teil von Kunst und Kultur.

Gerade vor diesem Hintergrund denke ich, dass die politische Herausforderung von Verständigung, Verständnis und Integration im deutsch-türkischen Verhältnis gerade über Kunst und Kultur am besten beantwortet werden kann. Der finanzielle Aufwand, der im Übrigen vergleichsweise überschaubar ist, kann im Erfolgsfall dazu beitragen, die Integration von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zu erleichtern und das bilaterale Verhältnis nachhaltig zu stärken. Die Mittel, die wir hier nun einsetzen, stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten, die entstehen, wenn Integration scheitert. Häufig wird an die Politik der Wunsch herangetragen, sie möge Problemen doch frühzeitig begegnen und Auswirkungen mit präventiven Maßnahmen entgegenwirken. Die Künstlerakademie Tarabya ist so eine präventive Maßnahme. Natürlich wird sie nicht allein das Gelingen der Integration in Deutschland sichern, aber sie ist mehr als ein Symbol, sie wird im besten Fall ein Ort der gegenseitigen Verständigung, der ehrlichen Diskussion und Auseinandersetzung werden. Genau diese Orte brauchen wir, wenn wir Integration erfolgreich gestalten wollen.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Grütters

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