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Michael Schrodi
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Frage von Frank A. •

Frage an Michael Schrodi von Frank A. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Schrodi,
nach meinen Informationen soll demnächst ein neues Transplantationsgesetz verabschiedet werden. Trotz weitreichenden Forderungen aus der Medizin und der offen einsehbaren Notwendigkeit von Organspenden, soll wieder nicht die sogenannte Widerspruchslösung im Gesetz verankert werden.
Es ist zu befürchten, dass dadurch mögliche Organspenden nicht zustande kommen, und dies nur aus Bequemlichkeit (möglicher Spender, einen Organspendeausweis auszufüllen) und falschem Bürokratismus!
Wie stehen Sie zu dieser Sache? Könnten Sie mit Herrn Bundesminister Spahn über dieses dringende Bedürfnis von kranken, Spender-abhängigen Personen reden?
Herzlichen Dank, freundliche Grüße!
Dr. med. vet. F. A.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. A.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Gesetzentwurf für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO).

Der Gesetzentwurf wurde Ende Oktober im Kabinett verabschiedet und wird im Dezember im Bundesrat beraten. Der Bundestag wird sich voraussichtlich im Januar 2019 in erster Lesung damit befassen.

Wichtig ist es, in dieser Diskussion zwei Aspekte auseinanderzuhalten: Der vorliegende Gesetzentwurf befasst sich mit einer Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende. Ziel dieser Maßnahmen ist, dass die Zahl der Organspenden in Deutschland steigen soll. Fokus des Gesetzentwurfs ist aber nicht die Entscheidung des Einzelnen für oder gegen eine Organspende, sondern eine Verbesserung der strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern. Dazu gehört zum Beispiel eine Freistellungsregelung für Transplantationsbeauftragte. Außerdem sollen Leistungen, die mit der Organentnahme im Zusammenhang stehen, besser vergütet werden. Der Gesetzentwurf und die dort enthaltenen Änderungen haben bisher eine sehr positive Resonanz erzeugt, unter anderem auch bei den Oppositionsparteien, der Bundesärztekammer und Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).

Der zweite Aspekt betrifft die von Gesundheitsminister Spahn in die Diskussion eingebrachte Frage der Änderung des Zustimmungsverfahrens zur Organspende jedes Einzelnen – die von Ihnen angesprochene sogenannte Widerspruchslösung. Diese ethische Diskussion wollen wir bewusst losgelöst von den genannten strukturellen und finanziellen Änderungen führen. Bisher gibt es dazu noch keinen Gesetzentwurf. Wir gehen davon aus, dass diese Frage erst Mitte nächsten Jahres im Bundestag diskutiert werden wird. Die Debatte wird nicht an Fraktionen gebunden sein und es wird dazu schon an interfraktionellen Anträgen gearbeitet.

In Deutschland gibt es derzeit eine große Diskrepanz zwischen der Zustimmung in der Bevölkerung zur Organspende und der Zahl der gespendeten Organe. 84% der Deutschen stehen der Organspende positiv gegenüber. Gleichzeitig verzeichnen wir die niedrigste Rate von Organspenden im Euro-Transplant-Verbund.

Kann uns eine Änderung des Zustimmungsverfahrens helfen, dieses Problem zu lösen? In einem Fachgespräch der SPD-Fraktion, an dem unter anderem Vertreter der Bundesärztekammer, der Organtransplantationskommission, der Stiftung Patientenschutz und des Ethikrates teilnahmen, gab es dazu sehr unterschiedliche Einschätzungen. So hat sich der Ärztetag für die doppelte Widerspruchslösung ausgesprochen, da diese Rechtklarheit schaffen würde. Zustimmung oder Widerspruch sind klar in einer Datenbank nachzuvollziehen. Zudem wird argumentiert, dass diese Regelung die Angehörigen entlasten würde, da Angehörige bei der doppelten Widerspruchslösung nur befragt werden, wenn weder eine Zustimmung noch ein Widerspruch vorliegen.

Die Gegner der Widerspruchslösung dagegen sehen keine Entlastung der Angehörigen durch die Widerspruchsregelung. Mangelnde Informationen und die Gefahr der ‚Überrumpelung‘ würden weiterhin ein Problem darstellen. Eine harte Widerspruchslösung, ohne Einbeziehen der Angehörigen, sei dagegen als Verfassungsverstoß zu werten: Schweigen ist juristisch keine Willenserklärung. Da seit der Regelungsänderung 2012 die schriftliche Zustimmung zur Organspende stetig steigt, müsse man die Regelung erst einmal wirken lassen. Dazu kommt, dass keine Studie belegt, dass die Zahl der Organspenden nach Einführung einer Widerspruchlösung in anderen Staaten gestiegen ist.

Ich habe in der bisherigen Diskussion den Eindruck gewonnen, dass die Entscheidung über die Zustimmungs- oder Widerspruchslösung sehr wichtig ist, aber weder die eine noch die andere Regelung unser Problem der niedrigen Organspenderate lösen kann. Wir haben es zum einen mit strukturellen und finanziellen Mängeln zu tun, die der vorliegende Gesetzentwurf angeht. Zum anderen aber spielen mangelnde Information, Transparenz und Vertrauen in das System eine große Rolle. So gaben zum Beispiel in einer Studie der DSO in Bayern bei den an Transplantationsprozessen beteiligten Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften nur 23% an, dass es ihrer Meinung nach bei der Organvergabe in Deutschland gerecht zugehe. Die Auswirkungen der Transplantationsskandale sind immer noch spürbar. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen dem System vertrauen können und eine bewusste, informierte Entscheidung für oder gegen die Organspende treffen. Es darf dabei auch keinen Zwang oder moralischen Druck geben: ‚Nein‘ zu sagen muss genauso vertretbar sein wie ‚Ja‘.

Ich werde die Diskussion um die Frage des Zustimmungsverfahrens zur Organspende weiterhin genau verfolgen und alle Informationen in meinen persönlichen Meinungsbildungsprozess einbeziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Schrodi

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