Michael Leutert
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Frage von Petra A. •

Frage an Michael Leutert von Petra A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Herr Leutert,

wenn eine Zuwanderung unkontrolliert und nicht in Abstimmung mit den Menschen sondern rein aus ökonomischen oder politischen Gründen erfolgt, ist diese dann gut? Verlierer sind aus meiner Sicht unqualifizierte Zuwanderer, die mit zu großen Erwartungen und Versprechungen nach Deutschland kommen, aus ihrem gewohnten Lebensumfeld herausgerissen werden und mit der Kultur und der Gesellschaft in unserem Land nicht zurechtkommen. Aber aus meiner Sicht kann auch die hiesige Bevölkerung ein Verlierer sein, wenn eine zu hohe Zuwanderung zu Arbeitsplatzmangel und Ghettoisierung ihres Lebensumfeldes führt, der Sozialstaat belastet wird und somit der Innere Frieden gestört wird. Stimmen Sie dem zu?

Gerne sende ich Ihnen diesen Link mit:

www.fr-online.de/arbeit---soziales/armutsmigration-riexinger-greift-csu-an,1473632,25746234.html

Wie Sie anhand dieses Links sehen können, sagte Herr Riexinger u.a. folgendes:

„Wenn eine Regierungspartei gegen Ausländer hetzt, darf man sich nicht wundern, wenn braune Gewaltbanden Taten folgen lassen. Hetze hilft niemandem.“

Was soll denn an dem CSU-Vorstoß "Hetze" sein? Bisher stand besagten Personen meines Wissens diese Sozialleistungen auch nicht zu.

Bei rp-online.de steht u.a. folgende Arbeitsmarktprognose:

"Arbeitslose würden von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen aber nur vergleichsweise wenig profitieren. Ihnen fehle es oft an der erforderlich Qualifikation. "Arbeitslose und das Angebot an offenen Stellen passen oftmals nicht zusammen", stellen die IAB-Wissenschaftler fest. Daher würden Unternehmen neue Stellen immer häufiger mit gut ausgebildeten Zuwanderern aus Süd- und Osteuropa besetzen".

Wenn man dieser Prognose glauben darf, wird es für viele Arbeitslose wohl keine neue Chance auf einen neuen Job geben. Warum missachtet die Politik das?
Seit Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema und habe viele ausländische Freunde.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Althoff

Michael Leutert
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Althoff,

zunächst möchte ich Ihnen noch ein gesundes neues Jahr wünschen.

Bernd Riexinger kritisiert die CSU dafür, dass sie mit der Angst der Menschen spielt, nur um möglicherweise bei der Europawahl im Mai ein besseres Ergebnis einzufahren. Als Anfang der 90er Jahre schon einmal ähnlich Stimmung gegen Ausländer gemacht wurde, starben Menschen unter anderem in Solingen und Mölln bei Brandanschlägen und in Rostock Lichtenhagen zündete ein Mob eine Unterkunft mit Flüchtlingen an. So Unrecht hat unser Parteivorsitzender also nicht: Wer irrationale Ängste in der Bevölkerung schürt, darf sich nicht wundern, wenn Nazis sich aufgefordert fühlen, den vermeintlichen ‚Volkswillen’ mit Gewalt in die Tat umzusetzen.

Statt Vorurteile zu schüren, ist es meiner Meinung nach gerade die Aufgabe von uns Politikern, aufzuklären und sich an Fakten zu halten. Lassen Sie uns also schauen, wie es mit der Zuwanderung und den befürchteten Auswirkungen aussieht: 
Eine „unkontrollierte Zuwanderung“ gibt es in Deutschland nicht - weder aus politischen, noch aus wirtschaftlichen Gründen. Auf der einen Seite gibt es das Recht auf Asyl für Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt werden oder in deren Heimat Krieg herrscht. So sind unter den fünf Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen 2013 mit Russland, Syrien und Afghanistan drei Länder, in denen seit Jahren Krieg oder Bürgerkrieg herrscht, und mit Serbien und Mazedonien zwei Länder, in denen eine Minderheit (Sinti und Roma) zunehmend verfolgt wird. ( http://gleft.de/pV ) Hinzu kommt, dass das deutsche Asylrecht Anfang der neunziger Jahre verschärft wurde und nur einer Minderheit der Flüchtlinge Asyl gewährt wird: Bis November wurden im letzten Jahr 74,9 Prozent aller Asylanträge abgelehnt oder aus formalen Gründen gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. Nur 1,1 Prozent (!) aller AntragsstellerInnen wurde Asyl in Deutschland gewährt,für insgesamt weitere 24 Prozent gilt Flüchtlingsschutz oder vorübergehender Abschiebestopp. ( http://gleft.de/pT )

Doch dagegen macht die CSU auch gar nicht Stimmung. Ihr geht es vor allem um angebliche Wirtschafts- oder ‚Armutsflüchtlinge’ aus Rumänien und Bulgarien, da Menschen aus diesen Ländern aufgrund der EU-Erweiterung seit Beginn dieses Jahres ohne Visa nach Deutschland reisen dürfen. Angeblich sollen sie in Massen kommen und angeblich nur, um von unserem Sozialsystem zu profitieren. Bernd Riexinger nennt das „Hetze“ und ich schließe mich dem an. Warum? Weil es nicht stimmt und die CSU-Politiker das auch wissen müssten. Auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion im Bundestag hat selbst die CDU/CSU-SPD-Bundesregierung Ende Dezember 2013 geantwortet, „dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nicht in erster Linie um sogenannte ‚Armutsflüchtlinge’ handele.“ ( http://gleft.de/pS ) Vielmehr handelt es sich in der Mehrzahl um gut qualifizierte Fachkräfte wie Ärzte oder Ingenieure, die in Deutschland gebraucht werden und die in die deutschen Sozialkassen einzahlen. Es ist also umgekehrt, wie die CSU behauptet: Das deutsche Sozialsystem profitiert von den Rumänen und Bulgaren, die nach Deutschland kommen. Zu der anderen Behauptung der CSU, der angeblich massenhaften Einwanderung: Wie viele werden denn überhaupt kommen? Nach Einschätzung des Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Zimmermann, ist für 2014 mit maximal 200.000 Zuwanderern zu rechnen. ( http://gleft.de/pR ). Dabei darf man aber nicht vergessen, dass umgekehrt auch viele Deutschland wieder verlassen. So kamen 2012 rund 116.000 Menschen aus Rumänien nach Deutschland. Zugleich zogen im selben Jahr rund 70.500 RumänInnen wieder weg. ( http://gleft.de/pU )

Ich hoffe, dass meine Antwort dazu beitragen kann, einige Missverständnisse hinsichtlich politischer Flüchtlinge und Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien aufzuklären. Sie sind nicht die Ursache für die gravierenden sozialen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Hartz IV, drohende Altersarmut oder die unsichere Zukunft unserer Kinder, die wir gerade bei uns in Ostdeutschland kennen. Indem Politiker aus der CSU und andere mit dem Finger auf angebliche Sündenböcke zeigen, lenken sie davon ab, dass wir endlich eine andere, gerechte Politik in Deutschland brauchen. Bei uns gibt es einen zunehmenden Reichtum, er ist nur ungerecht verteilt. Wir brauchen eine Millionärssteuer und insgesamt einen stärkeren Beitrag der Spitzenverdiener zur Finanzierung der Gesellschaft. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass Mieten und Energie bezahlbar bleiben. Wir brauchen endlich einen Plan für einen selbsttragenden Aufschwung Ost. Vielleicht haben die Aussagen aus der CSU ja auch etwas damit zu tun, dass sie sich um diese und andere Aufgaben nicht kümmern wollen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Leutert