Sind sie bereit sich der rechten Hetzkampagne mutig entgegenzustellen und in einem nächsten Wahlgang für Brosius-Gersdorf zu stimmen?
Sehr geehrte Frau Bernstein,
Brosius-Gersdorf steht für Grundrechte und Verfassungsintegrität.
Ihre Positionen zum Abtreibungsrecht sind rechtswissenschaftlich fundiert und gesellschaftlich mehrheitsfähig.
Sie ist für den 2. Senat nominiert – dort geht es u. a. um Parteiverbote, nicht um Abtreibung.
Wer sie diffamiert, gefährdet die Unabhängigkeit der Justiz.
Wäre es nicht viel besser, die Hintermänner der Kampagne zu finden und sie zur Verantwortung zu ziehen?
Mit freundlichen Grüßen aus Tensfeld
Dirk B.

Sehr geehrter Herr B.,
ich danke Ihnen für Ihre Frage zur Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht und lege Ihnen gern meine Position zu diesem Thema dar:
Bisher war es gelebte Praxis, dass die Union für jeden der beiden Karlsruher Senate drei Richter vorschlägt, die SPD ebenfalls, FDP und Grüne je einen. Das lief über viele Jahre relativ reibungslos. In den vergangenen Jahren waren es dann die Grünen, die zweimal Kandidaten der CDU abgelehnt haben, 2018 Günter Krings und bei der laufenden Richterwahl Robert Seegmüller – jeweils mit der Begründung, sie seien „zu konservativ“.
Um sich trotzdem kompromissbereit zu zeigen, zog die CDU auch dieses Mal ihren Kandidaten zurück und unterstützte den Vorschlag, der aus dem Verfassungsgericht selbst kam, nämlich den bisherigen Bundesarbeitsrichter Günter Spinner.
Gegen Frauke Brosius-Gersdorf bestanden seit Bekanntwerden ihrer Nominierung in meiner Fraktion begründete inhaltliche Bedenken. Diese betreffen sowohl ihre Haltung zum Paragraf 218 StGB, als auch ihre Auffassungen etwa zum Kopftuchverbot oder dem Wunsch, das Grundgesetz zu „gendern“. Seit ich Abgeordnete bin, beschäftige ich mich sehr intensiv mit dem Thema „Abtreibungen“. Ich bin der Meinung, wir haben einen seit Jahrzehnten tragfähigen Kompromiss gefunden, der nicht nur Beratung zur Pflicht macht, sondern auch unserer Verantwortung für werdendes Leben gerecht wird, ohne Frauen einer Strafverfolgung auszusetzen. Eine Änderung im Sinne von Frau Brosius-Gersdorf hieße zuallererst, dass Beratungsstellen für Schwangere wegfielen und Frauen alleine gelassen würden. Das möchte ich nicht mittragen. Ebenfalls missfällt mir ihre im Widerspruch zur bisherigen Karlsruher Spruchpraxis stehende Haltung zum staatlichen Neutralitätsprinzip: Sie meint, muslimische Rechtsreferendarinnen sollten ein Kopftuch tragen dürfen. Ich bin explizit dagegen, denn das Neutralitätsprinzip gilt meiner Ansicht nach auch hier.
Ich sehe also weder eine, wie Sie schreiben „rechtswissenschaftlich fundierte“ Position, noch eine „gesellschaftliche Mehrheitsfähigkeit“ der Positionen von Frau Brosius-Gersdorf. Auch kann ich nicht erkennen, wieso eine Ablehnung aufgrund inhaltlicher Differenzen die „Unabhängigkeit unserer Justiz“ gefährden sollte, zumal es ja auch Ablehnungen von CDU-Kandidaten gab, ohne dass sich da in gleicher Weise empört wurde. Dass es unterschiedliche Auffassungen zu politischen Themen gibt und diese diskutiert werden, sollte in unserer Demokratie selbstverständlich sein. Im Übrigen bin ich als Abgeordnete durchaus in der Lage, einen politischen Sachverhalt abgewogen und ernsthaft zu bewerten, ohne einer wie auch immer gearteten „Kampagne“ aufzusitzen.
Die Demokratie ist nicht beschädigt – das Gegenteil ist der Fall. Es findet eine Abwägung und Diskussion statt, an deren Ende eine parlamentarische Abstimmung steht. Aus meiner Sicht und den oben aufgeführten Gründen ist Frauke Brosius-Gersdorf keine Kandidatin, die für die demokratische Mitte steht und die dafür notwendige Balance sucht.
Mit freundlichen Grüßen
Melanie Bernstein