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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Ulrich P. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Ulrich P. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Birkwald,

meine Schwiegermutter bezieht Eingliederungshilfe für Behinderte und unsere Familie ist seit 13 Jahren vom Elternunterhalt betroffen.

In einer Stellungnahme der Fachverbände für Menschen mit Behinderung zum Referentenentwurf „Gesetz zur Änderung des IX. u. XII. Buches SGB u. anderer Vorschriften“ vom 05.03.19 (s. https://www.diefachverbaende.de/files/stellungnahmen/2019-03-21_Stellungnahme_KFV_z_Referentenentwurf_BR_BTHG_Aenderungsgesetz.pdf ) steht u.a.:

Begrenzung bzw. Aufhebung des Unterhaltsrückgriffs gegenüber Angehörigen beim Bezug von Leistungen nach dem SGBXII und angrenzender Leistungen wie Eingliederungshilfe

Die Fachverbände plädieren des Weiteren dafür, die im SGB XII und SGB IX enthaltenen Regelungen zum Unterhaltsrückgriff zu modernisieren, um Angehörige finanziell zu entlasten. Es bietet sich hierfür an, die bisher nur für Leistungen der Grundsicherung geltende Grenze eines Jahreseinkommens von 100T€, bis zu der kein Unterhaltsrückgriff erfolgen darf, auf die anderen Leistungen wie Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege zu übertragen.

Die Konsequenz einer undifferenzierten Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zur Entlastung Angehöriger von Pflegebedürftigen, die Hilfe zur Pflege beziehen, würde bedeuten:
1. Einschränkung beim Sozialhilferückgriff auf volljährige Kinder, falls die Eltern Hilfe zur Pflege beziehen (100T€ Grenze, was ich sehr begrüße).
2. Keine Einschränkung beim Rückgriff auf volljährige Kinder, falls die Eltern Eingliederungshilfe für Behinderte beziehen (Elternunterhalt, was ich ungerecht finde, Haftungsdauer manchmal für Jahrzehnte)

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die 100T€ Grenze beim Unterhaltsrückgriff sowohl für Angehörige von Pflegebedürftigen (Hilfe zur Pflege) als auch für Angehörige von Behinderten (Eingliederungshilfe) gelten soll und sich diesbezüglich für eine Gleichbehandlung einsetzen?“

Bitte dazu um Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

U. P.

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr P.,

Vielen Dank für Ihre engagierte und wichtige Nachfrage zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbesserung des Elternunterhalts.
Pflege darf nicht arm machen – weder die zu pflegenden Menschen noch ihre Familienangehörigen. Deshalb unterstützt DIE LINKE jeden Schritt, der die gegenwärtige Regelung in der „Hilfe zur Pflege“ zumindest verbessert. So haben wir auch die Ankündigung begrüßt, die Jahreseinkommensgrenze im Rahmen des Elternunterhaltrückgriffs auf 100.000 Euro anzuheben.

Meine Fraktion hat bereits mehrfach die Bundesregierung zur Umsetzung dieser wichtigen sozialen Maßnahme befragt. Zuletzt erhielten wir am 23. April 2019 folgende Antwort: „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellt derzeit einen Referentenentwurf, der Art und Weise der Umsetzung regelt. Dieser soll in Kürze vorgelegt werden.“

Inzwischen hat die Presse berichtet, dass die Jahreseinkommensgrenze nicht nur für Kinder zu pflegender Eltern, sondern auch für andere Sozialhilfeleistungen im Rahmen des SGB XII angehoben werden soll. Öffentlich genannt wurden konkret im Rahmen der Eingliederungshilfe Eltern, die Kinder mit Behinderungen pflegen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Wir wollen für alle Leistungen im Rahmen des SGB XII, dass Kinder erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro zum Unterhalt herangezogen werden können. DIE LINKE unterstützt damit die Position des SoVD, der ebenfalls erklärt: „Diese Einschränkung des Unterhaltsrückgriffs sollte sich nicht nur auf Hilfen zur Pflege erstrecken, wie dies im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, sondern für sämtliche Leistungen der Sozialhilfe gelten. Denn viele Betroffene erhalten nicht nur Hilfen zur Pflege, sondern weitere Leistungen des SGB XII. Insoweit bestehen vergleichbare Belastungsmomente für die Angehörigen, denen der Gesetzgeber einheitlich begegnen sollte.“

Grundsätzlich bleibt für uns der Elternunterhalt jedoch ungerecht. Er trifft nicht die Kinder aus vermögenden Elternhäusern, denn ihre Eltern werden nicht bedürftig. Im Gegenteil, sie hinterlassen ihren Kindern oft hohe Vermögen. Er trifft nicht die Kinder von Beamten, denn Beamte können nicht bedürftig werden. Er trifft oft nur Kinder in sogenannten Normalverdienerverhältnissen.

DIE LINKE will verhindern, dass Menschen überhaupt zum Sozialamt gehen müssen, wenn sie Pflegeleistungen brauchen. Das heißt, die Pflegeversicherung soll alle pflegebedingten Kosten finanzieren. Wir wollen professionelle Sachleistungen ohne Zuzahlungen. Wir wollen nicht, dass Kinder für die Pflegekosten der Eltern überhaupt zur Kasse gebeten werden. Deshalb hat unsere Fraktion bereits im März 2018 einen Antrag (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/009/1900960.pdf) in den Bundestag eingebracht, um die Eigenanteile in Pflegeheimen zu senken. Dieser Antrag wurde leider abgelehnt. Außerdem wollen wir die Investitionskostenanteile und die Ausbildungszuschläge absenken und dafür Steuermittel verwenden.
Eine Pflegevollversicherung, die alle pflegebedingten Leistungen finanziert und öffentlich finanzierte Investitionen in die Pflegeinfrastruktur können verhindern, dass Menschen Hilfe zur Pflege nach SGB XII überhaupt brauchen. Dann werden auch Kinder seltener zum Elternunterhalt herangezogen.
Aus unserer Sicht ist das finanzierbar durch eine Solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung. Nach unserem Modell zahlen alle in diese Pflegeversicherung ein, aus ihrem vollständigen Einkommen, ohne Beitragsbemessungsgrenze. Das macht die Pflegeversicherung gerecht und bessere Pflege wie höhere Löhne für die Pflegekräfte bezahlbar. So werden die Kommunen als Sozialhilfeträger entlastet und die Kinder der zu pflegenden Menschen verschont.
In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, dass die Einkommensgrenze spätestens zum Januar 2020 angehoben und zugleich die Finanzierungsgrundlage der Pflegeversicherung endlich wirklich solidarisch ausgestaltet wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald

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