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Frage von Hans K. •

Frage an Martin Burkert von Hans K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Burkert,

würden Sie bei einer neuen Abstimmung für Finanzhilfen an Griechenland dafür stimmen oder dagegen?

Wären Sie ggf. bereit, für Ihre Entscheidung auch persönlich zu haften?

Mit freundlichem Gruß
Hans Kellermann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kellermann,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum neuen Hilfsprogramm für Griechenland. Gerne möchte ich erläutern, warum ich der Meinung bin, dass die Entscheidung für ein neues Programm die richtig ist.

Der aktuelle Vorschlag für ein drittes Anpassungsprogramm stellt eine echte Möglichkeit dar, Griechenland mit Hilfe seiner europäischen Partner auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen.
Im Zentrum der Eurogipfel-Erklärung stehen nicht pure Haushaltsvorgaben und Sparziele, sondern strukturelle Verbesserungen der griechischen Wirtschaft und Verwaltung. Griechenland muss im eigenen Interesse endlich in die Lage versetzt werden, Steuern einzutreiben, eine effiziente Verwaltung aufzubauen, den Bürgern ein leistungsfähiges und finanzierbares Sozialsystem zu bieten und das teilweise oligarchische und verkrustete Wirtschaftssystem aufzubrechen. Nur dann können Staatseinnahmen und Investitionen dauerhaft steigen sowie dringend benötigte Arbeitsplätze entstehen. Nur dann kann das skandalöse Missverhältnis zwischen dem Reichtum einer traditionellen Elite und der deutlich zugenommenen Armut in der griechischen Bevölkerung endlich beendet werden. Und nur dann können die Verpflichtungen Griechenlands gegenüber seinen Gläubigern auch erfüllt werden.

Sicher fällt es nach vielen unerfüllten Reformzusagen griechischer Regierungen und dem Verhandlungschaos der letzten Monate nicht leicht, dem Weg zu einem neuen Programm zuzustimmen. Dennoch bin ich überzeugt, dass es funktionieren kann und dass man alles dafür tun sollte, dass es funktionieren wird. Den Beleg, dass ein wirtschaftliches Anpassungsprogramm funktionieren kann, liefern nicht nur andere „Programmländer“ wie Irland, Portugal und Spanien, in denen es nach der Krise wieder aufwärts geht, sondern in Ansätzen auch Griechenland selbst. Denn trotz aller Probleme, die es bisher bei der Umsetzung von Reformen gab, war 2014 in Griechenland eine positive Entwicklung erkennbar: es gab erstmals wieder ein gewisses Wirtschaftswachstum, der griechische Staat konnte mit den laufenden Einnahmen zwar seine Schulden noch nicht zurückzahlen, aber immerhin schon wieder seine laufenden Ausgaben bestreiten. Es kam dann aber in den letzten zwölf Monaten zu einer Lockerung der Reformmaßnahmen, die zu einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in Griechenland geführt hat. Jetzt muss dringend an die vorherige positive Entwicklung angeknüpft werden.
Dass dies gelingt, ist im Interesse der Menschen in Griechenland, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der anderen Mitgliedstaaten der Eurozone und der EU. Deutschland eingeschlossen und vielleicht sogar an erster Stelle.

Die Alternative zu einer weiteren Chance für Griechenland wäre nämlich ein umgehender Staatsbankrott Griechenlands und ein ungeordnetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. Diese Alternative birgt aus meiner Sicht die deutlich größeren Gefahren. In Griechenland wären die Folgen verheerend: das Bankensystem würde zusammenbrechen, die medizinische Versorgung wäre nicht mehr gewährleistet, noch mehr Arbeitsplätze würden vernichtet, viele Griechinnen und Griechen würden in Armut absinken und müssten dann humanitäre Hilfe aus EU-Mitteln erhalten.

Aber auch die Folgen für Deutschland wären dramatisch. Selbst wenn ein „Grexit“ für Deutschland und die Eurozone kurzfristig ökonomisch verkraftbar wäre – die langfristigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für unseren Kontinent wären es womöglich nicht. Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Land in Europa. Gerade deswegen haben wir am meisten zu verlieren. Kein anderes Land profitiert so von der europäischen Einigung, vom Binnenmarkt und vom Euro wie wir. Hinzu kommt: Die Krisen unserer Zeit werden wir nur bewältigen, wenn Europa geschlossen und gemeinsam agiert. Das gilt für die Situation in der Ukraine genauso wie für die Flüchtlingskrise, aber auch für globale Themen wie den Klimawandel. Ein Auseinanderbrechen Europas hätte schwerwiegende Folgen und muss deswegen vermieden werden.

Die Position der SPD war immer, dass Solidarität in Europa keine Einbahnstraße sein kann. Wenn Europa solidarisch ist mit Griechenland und Milliardenkredite gibt, um Zeit zu gewinnen für Reformen, dann darf und muss Europa im Gegenzug erwarten, dass die griechische Politik die Entscheidungen trifft und umsetzt, die unabdingbar sind, um die Probleme in Griechenland zu lösen. Gerade in den letzten Monaten ist hier sehr viel Vertrauen zerstört worden, das jetzt Schritt für Schritt wieder aufgebaut werden muss. Die griechische Regierung muss die Glaubwürdigkeit der Reformzusagen nachweisen.

Der Euro-Gipfel hat deswegen klare Bedingungen formuliert für das zweistufige Verfahren, das nun zu einem neuen Hilfsprogramm für Griechenland führen kann. Der erste Schritt ist der Beschluss, Griechenland grundsätzlich Stabilitätshilfe des ESM zu gewähren und in konkrete Verhandlungen einzusteigen. Diesem ersten Schritt hat der Bundestag am 17. Juli zugestimmt.
In einem zweiten Schritt müssen nun die Details des neuen Hilfsprogramms konkret ausgehandelt werden. Diese werden dann in einer Absichtserklärung über ein wirtschaftliches Anpassungsprogramm und einer Finanzhilfevereinbarung festgeschrieben. Beide Dokumente müssen dann erneut vom Deutschen Bundestag gebilligt werden, bevor sie auf europäischer Ebene beschlossen werden können.

Bei Verständnis für die aktuelle Situation müssen wir versuchen auch die nächsten Generationen im Blick zu haben. Länder wie China und Russland haben sicher ein Interesse daran, über Griechenland in Europa zu agieren. Ob das im europäischen Interesse ist, erscheint mir auf lange Sicht fraglich.
Die Grundsatzentscheidung für ein neues Programm habe ich mir sicher nicht leicht gemacht. Dennoch bin ich nach Abwägung aller Vor- und Nachteile davon überzeugt, dass es die bessere Lösung für Griechenland, für Europa und für Deutschland ist. Die Alternativen wären alle wesentlich schlechter.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Burkert, MdB