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Markus Ferber
CSU
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Frage von Clarissa B. •

Herr Ferber, werden Sie für oder gegen das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur stimmen? Es geht um nicht weniger, als um die Zukunft unserer Kinder.

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CSU

Sehr geehrte Frau B.,

 

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur anstehenden Abstimmung diese Woche zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law).

 

Mit Ihrer Nachricht sprechen Sie Abstimmung im Plenum diese Woche an. Bereits die Abstimmungen auf Ausschussebene haben viel Aufmerksamkeit erhalten. Im Umweltausschuss ergab das Votum einen Stimmengleichstand (44:44), was bedeutet, dass der Ausschuss eine Ablehnung des gesamten Gesetzesvorschlags im Plenum empfiehlt. Bereits im Vorhinein hatte sich ein ähnliches Abstimmungsbild sowohl im Fischerei-, als auch im Landwirtschaftsausschuss abgezeichnet. Für das Plenum deutet sich eine knappe Abstimmung ab, bei der ich hoffe, dass die Empfehlungen der Ausschüsse für eine Ablehnung befolgt werden. Gerne erläutere ich Ihnen ebenfalls warum ich für eine Überarbeitung des Gesetzesvorschlags bin.

 

Zuerst möchte ich in aller Deutlichkeit an dieser Stelle betonen, dass wir als gesamte EVP-Fraktion die Ziele des Green Deals unterstützen. So haben wir z.B. im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie die Grundpfeiler des Green Deals gesetzt und ambitionierte Vorgaben verankert. Dass wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft umfassend transformieren müssen und gleichzeitig mehr für den Schutz der Biodiversität tun müssen, daran besteht kein Zweifel. Vielmehr setzen wir uns für einen zügigen Wandel ein, der im Einklang mit unserer Gesellschaft vereinbar ist. Bei der Nature Restoration Law ist der von der Europäischen Kommission gewählte Ansatz jedoch der falsche Weg.

 

Der Kommissionsvorschlag sieht pauschale Flächenziele zur Wiederherstellung der Natur vor. Die Kommission setzt dabei anders als oft behauptet wird, nicht die Ziele aus der Biodiversitätskonferenz in Montreal um: statt bis 2030 mindestens 30 Prozent der Flächen degradierter Ökosysteme wiederherzustellen, fordert die Kommission Wiederherstellungsmaßnahmen auf mindestens 20 % aller Ökosysteme abzudecken. Das ist ein riesiger Unterschied! Auch wenn die Prozentzahl kleiner ist, ist die Formulierung „die der Wiederherstellung bedürfen“ viel offener. Was auf den ersten Blick gut klingt könnte die Stilllegung riesiger Flächen zur Folge haben und so Lebensmittelpreise in die Höhe treiben sowie die Ernährungssicherheit und -erschwinglichkeit in Europa gefährden. Darüber hinaus bedeutet das Gesetz für Landwirte, Waldbesitzer und Kommunen im ländlichen Raum zusätzliche Naturschutzauflagen zu den schon bestehenden Auflagen aus der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.

 

Fragwürdig ist auch das Verhältnis zum bestehenden Rechtsrahmen und zu zukünftigen Zielen der EU z.B. bei erneuerbaren Energien und kritischen Rohstoffen. Wir haben uns bei vielen Dossiers im Rahmen des Green Deal und des „Fit for 55“-Pakets sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Viele der Gesetze greifen ineinander, daher müssen wir aufpassen, dass neue Vorhaben sich eingliedern, anstatt existierenden Vorhaben zu widersprechen. Im konkreten Fall der Nature Restoration Law bedeutet dies für mich, dass das Naturschutzpaket auch mit unseren Zielen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Gewinnung seltener Rohstoffe vereinbar ist. Das Gesetz steht jedoch in vielen Teilen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und damit dem Klimaschutz und der Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen im Weg. Zwar gibt es gewisse Ausnahmeregeln für Windkraft und Photovoltaik, aber es stellt sich dennoch die Frage, auf welchen Flächen dann überhaupt noch Nahrungsmittel produziert werden können. Auch gibt es keine Ausnahmeregelung für andere erneuerbare Energien und Netze. Die Vorgabe, 25.000 Flusskilometer zu renaturieren, führt nach Ansicht der Verantwortlichen sogar dazu, dass bestehende Wasserkraftwerke abgebaut werden müssen. Ferner ist es ebenfalls nicht nachhaltig, wenn wir infolge von nicht ausgereiften Vorgaben anfangen, Produkte aus Drittländern zu importieren, deren Umweltstandards deutlich niedriger sind - ganz zu schweigen vom CO2-Ausstoß der beim Transport anfällt oder den Sozialstandards, die ebenfalls zu wünschen übriglassen. All diese Komponenten dürfen ebenfalls nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es bringt nichts kurzfristig rosige Schlagzeilen zu generieren, wenn wir mittel- bis langfristig unser System erodieren. Deshalb sehe ich es als richtig und wichtig an, dass wir uns in Europa auf eine nachhaltige Produktion konzentrieren, anstelle neue Bewirtschaftungsverbote zu erteilen In der Folgenabschätzung der Kommission heißt es darüber hinaus, dass sich bereits 23 bestehende EU-Verordnungen mit der Wiederherstellung der Natur befassen. Das Verhältnis zu diesen anderen geltenden Gesetzen und zukünftigen Zielen ist völlig unklar.

 

Unser Problem gegenüber der Nature Restoration Law ist vor allem der rückwärtsgewandte Ansatz - das ist weder hilfreich, noch nachhaltig. Wir brauchen stattdessen einen Rahmen, der realistisch und zukunftsorientiert ist und neben dem Klimawandel auch die wachsende Population berücksichtigt und Europa nicht in neue Abhängigkeiten führt. Wir fordern daher einen pragmatischeren Naturschutz mit der Land- und Forstwirtschaft sowie den Kommunen und Unternehmen im ländlichen Raum, statt gegen sie.

 

Wir müssen unsere biologische Vielfalt fördern, unsere Landwirte, Fischer und Waldbesitzer unterstützen auf nachhaltige Praktiken umzusteigen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU bewahren und fördern - und das ohne die Produktion aus Europa zu verdrängen. In vielerlei Hinsicht sind wir bereits sehr aktiv, wenn es um die Wiederherstellung von Ökosystemen oder den Umstieg zu nachhaltigeren Praktiken und den Naturschutz geht. Sowohl die FFH, als auch die Vogelschutz-Richtlinien sind in Bayern wichtige Pfeiler für den Schutz der Natur und der Artenvielfalt, die ich ausdrücklich unterstütze.

 

In Bayern allein wurden bisher über 25 LIFE Natur-Projekte in Natura 2000-Gebieten umgesetzt, so konnten z.B. Auenlandschaften geschützt oder die Renaturierung von Mooren zur Unterstützung der Artenvielfalt und des Wasserhaushalts vorangetrieben werden. Biodiversität und Naturschutz sind bereits heute elementare Bestandteile unserer Praxis, die es weiter mit existierenden Maßnahmen und Programmen zu fördern gilt. Auch die überarbeitete Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gibt einen strengeren Rahmen für die Landwirtschaft vor, der gute Umweltpraxis in den Mittelpunkt der Land- und Forstwirtschaft stellt, damit gewährleistet wird, dass der Schutz unserer Umwelt und die Erzeugung von Lebensmitteln Hand in Hand gehen. Auf europäischer Ebene gibt es bereits etliche Rechtsvorschriften, die für die Wiederherstellung von Ökosystemen relevant sind und an deren Erfolgen wir weiterarbeiten können. Dafür werde ich mich auch weiterhin einsetzen. Als EVP-Fraktion haben wir darüber hinaus die Kommission aufgefordert einen neuen, in die Zukunft gerichteten Vorschlag vorzulegen, der eine breite Unterstützung im Parlament und von allen Betroffenen erfährt. Wir hoffen sehr, dass der Umweltkommissar bereit ist angesichts der umfassenden Bedenken einen überarbeiteten Entwurf zu präsentieren.

 

In der Hoffnung, Ihnen hiermit meine Position zur Nature Restoration Law näher dargelegt zu haben, verbleibe ich

 

mit freundlichen Grüßen

 

Markus Ferber, MdEP

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