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Lisa Badum
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Frage von Herbert K. •

Da Sie katholisch sind und Antworten auf Fragen mit der Kirche begründen.. Thema: Schutz des ungeborenen Lebens.Ab wann beginnt für Sie die Menschenwürde? Ab wann ist für Sie ein Leben schützenswert?

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Sehr geehrter Herr K.,

danke, dass Sie meinem Post zu der sehr berechtigten Forderung der katholischen Kirche nach der Bewahrung der Schöpfung Aufmerksamkeit schenken. Ja, ich stehe dazu, dass ich den dahinter stehenden christlichen Wert sehr berechtigt und richtig finde.

Zu Ihrer Frage: 

Grundsätzlich gilt: Die Menschenwürde gilt für jedes menschliche Leben, und jedes menschliche Leben ist schützenswert. Gleichwohl gibt für mich keinen Zweifel daran, dass jede Frau selbst über ihren Körper bestimmen können sollte, so wie es Männer seit jeher für sich in Anspruch nehmen. 

Keine Frau macht sich so eine Entscheidung leicht. Und natürlich sollte die Politik alles dafür tun, soweit sie es kann, dass ungewollte Schwangerschaften möglichst wenig auftreten und dass wir zu einer kinderfreundlicheren und vor allem gleichberechtigteren Gesellschaft werden, in der Kinder nicht mehr so ein großes Armutsrisiko sind und auch Väter mehr Verantwortung übernehmen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir an diesem Punkt leider noch nicht sind. (Laut DIW erfüllt nur jeder zweite getrennte Vater seine Unterhaltspflicht). Und zur Wahrheit gehört auch, dass viele Männer maßgeblich einen Diskurs prägen, dessen konkrete Erfahrungen nur Frauen machen und gemacht haben. Für mich fühlt sich das schief an. 

In seinem Urteil zum Schwangerschaftsabbruch von 1993 – einer Zeit, in der Vergewaltigung in der Ehe legal war, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Rechte des Ungeborenen mit denen der Frau abgewogen werden müssten. Ich möchte Ihnen dieses Interview mit der Strafrechtsprofessorin Liane Wörner ans Herz legen. Sie sagt dazu:

„Dem liegt vereinfacht die Vorstellung eines Konflikts zugrunde, den die Frau notwendig fast immer verliert. Denn es geht immer um das Leben des Fetus und ‚nur‘ um die Selbstbestimmung der Frau. Doch ein Kind auszutragen und aufzuziehen ist ein gravierender Einschnitt in ihrem gesamten Leben, der sich auch nicht wieder umkehren lässt. Das wirkt sich gerade zu Beginn einer ungewollten Schwangerschaft als unerträgliche Last aus, vor allem in unserer kinderunfreundlichen Gesellschaft. Wer den Fetus von Beginn an gleichberechtigt neben die Schwangere hält, verpflichtet sie in diese vollständige Lebensumwälzung und übergeht, dass jedenfalls bis zur extrauterinen Lebensfähigkeit der Fetus nicht einfach von der Schwangeren gelöst werden kann, sie sind eine Einheit. Das ist zentral und das hat Karlsruhe damals versäumt.“

(https://taz.de/Juristin-zu-gescheiterter-218-Reform/!6069624/)

Falls Sie auf die aktuellen Vorwürfe gegen Frau Brosius-Gerster anspielen, sei mir noch eine Ergänzung erlaubt: Es verdichten sich die Anzeichen in der Kommunikation von AfD sowie von einigen rechter stehenden CDU-Funktionären, dass es im Kern gar nicht um das Thema Abtreibung geht, sondern darum, dass Frau Brosius-Gerster sich in der Vergangenheit offen für ein AfD-Verbot gezeigt hat. Somit wäre das Thema auch noch instrumentalisiert worden, was diese Abwägung aus meiner Sicht nicht verdient hat. 

Mit besten Grüßen

Lisa Badum

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