Wie stehen Sie zur Erweiterung von Art. 3 GG, um die sexuelle Identität aufzunehmen?
Sehr geehrter Herr Körner,
da der Bundesrat kürzlich die 2/3-Mehrheit für den Entwurf zur Erweiterung des Art. 3 GG (eingebracht und unterstützt von mehreren CDU-Bundesratsmitgliedern) erreichte, würde ich gerne Ihre Meinung dazu wissen.
Am 09.10.2025 kam es auch im Bundestag zur Debatte darüber. Besonders möchte ich dabei den letzten Teil der Rede ihres Kollegen Dr. David Preisendanz loben, denn er brachte die Thematik wunderbar auf den Punkt: Art. 1 GG ist bereits ein schöner, kurzer Artikel, der prinzipiell jeden Menschen inkludiert. Dieser Artikel besteht seit der BRD und trotzdem gab es in all den Jahren viel Diskriminierung für diverse Sexualitäten. Es schützte nicht vor Strafverfolgung, Schwierigkeiten bei Adoption oder Blutspenden. Bis heute erfahren lesbische Mütter durch §1591 BGB Diskriminierung.
Meine Sorge ist eine Machtübernahme extremistischer Parteien, die solche Rechte rückgängig machen könnten. Ein expliziter Schutz durch GG Art. 3 wäre eine wichtige Absicherung.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an der Debatte zur Erweiterung des Artikels 3 Grundgesetz um das Merkmal der sexuellen Identität.
Ich halte es für richtig, die bestehende Verfassung sorgfältig zu prüfen, bevor sie geändert wird. Artikel 3 GG enthält bereits ein umfassendes Diskriminierungsverbot, das alle Menschen schützt, auch in Bezug auf ihre sexuelle Identität. Ebenso gewährleistet Artikel 1 GG mit dem Schutz der Menschenwürde eine klare und übergeordnete Grundlage, die jede Form von Ausgrenzung ausschließt. Entscheidend ist daher weniger eine zusätzliche Formulierung, sondern dass diese Grundsätze im gesellschaftlichen und politischen Alltag konsequent gelebt werden.
Im Übrigen gibt es hinsichtlich der konkreten Formulierung hier sehr viel Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen und potenzielle Folgeprobleme zu beachten. Zurzeit bin ich deswegen skeptisch hinsichtlich einer weiteren Änderung. Wir haben auch andere Diskriminierungstatbestände, die wir nicht genauer definieren (z.B. das Alter).
Ich verstehe jedoch das Bedürfnis vieler Menschen nach einer ausdrücklichen Benennung im Grundgesetz als wichtiges Signal gegen Diskriminierung. Diese Sorge nehme ich ernst und sehe sie als wertvollen Beitrag zur aktuellen Diskussion.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Konrad Körner

