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Kirsten Lühmann
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Frage von Ralf S. •

Frage an Kirsten Lühmann von Ralf S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Lühmann,

wie stehen Sie zum Thema "Autobahn-Privatisierung" über die geplanten Grundgesetzänderungen? Öffentlich behauptet die SPD (Sigmar Gabriel) zwar, dass die SPD im aktuellen Gesetzentwurf eine Privatisierung der Autobahnen in jeder Form verhindert habe.

Jedoch kann laut aktuellen Gesetzentwurf die Zuständigkeit für die Autobahnen an eine Gesellschaft privaten Rechts übertragen werden. Das ist eine formelle Privatisierung. Es ist für die Sache unerheblich, dass es sich dabei um ÖPP´s handelt. Auch der folgende neue, als "Privatisierungsbremse" betiltete Passus ändert nicht wirklich etwas daran: Zitat "„Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Mit dieser bewusst unscharfen Formulierung (´wesentliche Teile´) werden die Türen für "Öffentlich-Private-Partnerschaften" auch auf großen Streckenabschnitten eben nicht geschlossen, sondern aufgemacht.

Durch solche Entwicklungen entmachtet sich der Staat zunehmend selbst. Spätestens, wenn eines Tages jede Infrastruktur in privatwirtschaftlicher Hand ist, und dazu noch internationale Schiedsgerichte über Recht und Unrecht im Sinne der Konzerne befinden, wird auch jedwede parlamentarische Arbeit nutzlos. Eigentlich führt das zur Demontage der demokratischen Grundlagen.

Wenn Sie als meine SPD-Abgeordnete zu der Aussage stehen, dass die Autobahnprivatisierung nicht erlaubt werden soll, müsste eine andere Passage in der geplanten Grundgesetzänderung gestrichen werden:
"Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben (bei der künftigen Verwaltung der Autobahnen) einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen.“

Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie sich in dieser Abstimmung nicht davon verleiten lassen, dass alles alernativlos nur in einem Paket mit anderen, sinnvollen Änderungen abzustimmen sei.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schmidt,

Danke für Ihr Frage zur Abstimmung zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen und der damit verbundenen Schaffung einer Bundesfernstraßengesellschaft.

Sie äußern die Befürchtung, durch die Reform werde eine Privatisierung der Autobahnen ermöglicht. Wenn dies tatsächlich so wäre, hätte ich der Reform nicht zugestimmt. Ich kann Ihnen versichern, dass weder meine Fraktion noch ich jetzt oder künftig den Weg für eine Privatisierung der Bundesautobahnen ebnen. Diese sind im unveräußerlichen Besitz des Bundes und da gehören sie auch hin. Das Gleiche gilt für die Infrastrukturgesellschaft selbst.

Ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht, habe aber nach folgenden Abwägungen zugestimmt:

Der Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau unserer Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig aber, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten.

Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, habe ich diese Idee immer befürwortet. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung.

Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierungsmöglichkeiten, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeitendenrechte aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt.

Dennoch gibt es nun die Kritik, der vorliegende Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele –zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Auch die Transparenz ist gegeben, als MdB bekomme ich zum Beispiel von der VIFG, die die Gelder für die Fernstraßen verwaltet, jederzeit und schneller genaue Auskünfte über die verausgabten Mittel als zum Beispiel von einigen Ministerien. Für Transparenz und Gemeinwohlorientierung galt es die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung waren daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung.

Den Einfluss von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform zwar nicht ausgeschlossen aber weiter deutlich beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss - werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird.

Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit.

Die oft gehörte Kritik, bisher hätten die Länder ein Mitspracherecht bei ÖPP Projekten, die jetzt entfalle, entspricht nicht den Tatsachen. Dies zeigt insbesondere der Fall A 7, bei dem der zuständige Minister Olaf Lies über Jahre erfolglos gegen diese Beschaffungsform Einspruch einlegte. Allein der Bundesverkehrsminister hat bisher über ÖPP entschieden!

Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig, auch die Übertragung von Nießbrauch-Rechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird auch nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich.

In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung.

Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Übergangsschwierigkeiten möglich ist und in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden können. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag entsprechend im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft gestaltet wird. Durch die Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein.

Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Einschränkung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. Auf eine getrennte Abstimmung der Vorhaben hat sich die Union als unser Koalitionspartner leider nicht eingelassen.

In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, habe ich dem Gesetzentwurf zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Kirsten Lühmann