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Kirsten Lühmann
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Frage von Hans-Jürgen H. •

Frage an Kirsten Lühmann von Hans-Jürgen H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Lühmann,

"Mehr Netto vom Brutto" war das Schlagwort im Wahlkampf. Ich bin Rentner und zahle wegen meiner geringen Rente keine Steuern. Jetzt kommt mit aller Wahrscheinlichkeit eine Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages. In Zukunft werde ich, wie alle Arbeitnehmer, alle Erhöhungen des Krankenversicherungs-Beitrages allein zahlen müssen. Weiter ist eine Kopfprämie, unabhängig vom Einkommen in Sicht, die aller Wahrscheinlichkeit für mich eine weitere Erhöhung nach sich zieht. Dann kommt noch ein Zusatz-Versicherungs-Beitrag bei der Pflegekasse. Diese geschilderten Maßnahmen betreffen alle Arbeitnehmer ebenso. Erklären Sie mir bitte, wo bleibt dann mehr Netto vom Brutto?

Mit freundlichem Gruß
Hans-J. Huber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Huber,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 27. Oktober 2009. In Ihrem Schreiben haben Sie zu Recht daran erinnert, dass im vergangenen Wahlkampf der Slogan „Mehr Netto vom Brutto“ von den Liberalen (FDP) gebraucht wurde.
Nach den Koalitionsverhandlungen der Schwarz-Gelben Bundesregierung ist nun klar, dass diese Forderung nicht umgesetzt wird:
Im Gegenteil, wie Sie richtigerweise schreiben, werden die Arbeitnehmer zum Beispiel mit einer Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages rechnen müssen:

Die neue Bundesregierung plant den Totalumbau der Kranken- und Pflegeversicherung. Auch wenn in den meisten Punkten noch keine konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen vereinbart wurde und die Klärung der vielen offenen Fragen in Kommissionen verschoben werden sollen, ist die Richtung klar:
An die Stelle der solidarischen und gerechten Finanzierung der großen Lebensrisiken tritt ein Finanzierungsmodell, das den bisherigen gesellschaftlichen Konsens - die Jungen stehen für die Alten, die Gesunden für die Kranken und die Stärkeren für die Schwächeren ein - ohne wenn und aber aufkündigt.
Darüber können auch die Beteuerungen der Akteure, sie wollten weiterhin ein gerecht finanziertes Gesundheitssystem erhalten, nicht hinweg täuschen.

Durch das dauerhafte Einfrieren des Arbeitnehmerbetrags werden in Zukunft die Ausgabensteigerungen, die durch den medizinischen Fortschritt und die demographische Entwicklung auf der Leistungserbringerseite anfallen, alleine über höhere Arbeitnehmerbeiträge finanziert werden.

Damit ist der Einstieg in die Drei-Klassen-Medizin perfekt: Besserverdienende Gesunde können sich erster Klasse in der Privaten Krankenversicherung versichern. Für sie wird sich erst einmal nicht viel ändern. GKV-Versicherte werden deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen. Und diejenigen, die die geplanten höheren Zuzahlungen und einkommensunabhängige Pauschale nicht zahlen können - werden vom medizinischen Fortschritt abgeschnitten werden.

Die Bundesregierung plant außerdem den bisherigen einkommensabhängige Arbeitnehmeranteil durch die Einführung einer ungerechten einkommensunabhängigen Kopfprämie zu ersetzen. Die Kopfpauschale soll von den Krankenkassen selbst erhoben werden. Das bedeutet: Künftig wird der Bankdirektor gemessen an seinem Einkommen proportional weniger für seine Krankenversicherung zahlen als seine Sekretärin.
Im Ergebnis würden Wohlhabende deutlich entlastet. Geringverdiener müssten aber tiefer in die Tasche greifen und sollen darum über das Steuersystem wieder entlastet werden.

Nach einer Studie der Universität Köln, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, würde dies den Staat zusätzliche 36 bis 39 Milliarden Euro jährlich kosten. Die Einsparungen der Wohlhabenden müssten also alle Steuerzahler ausgleichen.

Das ist nicht sozial gerecht und führt auf jeden Fall nicht zu: mehr netto vom brutto – jedenfalls nicht für die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Für mich als Sozialdemokratin ist Gesundheit ein hohes Gut für jeden einzelnen Menschen. Sie ist die Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Absicherung der Risiken, krank und pflegebedürftig zu werden, ist deshalb eine zentrale Aufgabe eines modernen Sozialstaates.
Wie wir im Wahlkampf gefordert haben, bin ich für eine solidarische Bürgerversicherung und lehne die Privatisierung von Lebensrisiken ab. Dafür setze ich mich weiter ein.

Wenn Sie noch weitere Fragen haben, können Sie sich gerne wieder an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann, MdB