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Katrin Budde
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Frage von Michael C. •

Frage an Katrin Budde von Michael C. bezüglich Medien, Kommunikation und Informationstechnik

Sehr geehrte Frau Budde,

die Clearingstelle Urheberrecht im Internet kurz CUII ist ein Verein von Privatwirtschaftlichen Unternehmen, welcher ohne Rechtssprechung Internetseiten zensiert, welche möglicherweise (es ist ja kein Rechtskräftiges Urteil gefällt worden) Urheberverletzungen begangen haben. Die Sperrung erfolgt dann durch den Provider durch eine DNS-Sperre der Teilnehmenden Provider. Gedeckt ist dies sogar durch die Bundesnetzagentur, welche sich der Netzneutralität verpflichtet haben.

Ist nicht nicht ein schwerer Eingriff in die Netzneutralität, wenn Internetprovider auf drängen von Privatwirtschaftlichen Unternehmen ohne Gerichtliche Prüfung Internetseiten für Endverbraucher sperren? Wo ist da die Grenze und werden möglicherweise bereits ähnliche Vereine geplant? Wer haftet bei einer Fehlerhaften Sperrung? Zudem ist die Umgehung einer solchen DNS Sperrung ein Kinderspiel für einen Großteil der Leute die sich mit der Materie nur ein bisschen beschäftigen.

Ich kann eine Netzsperrung nachvollziehen wenn entsprechende Gerichtsurteile und Gesetze dahinter stehen, aber das Firmen darüber entscheiden dürfen/sollen erschließt mir hier nicht. Wie stehen Sie hier als Vorsitzende des Ausschuss für Kultur und Medien dazu.

Quellen:

https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/20210311_Clearingstelle.html

StellungnahmeScreenshot des Betreibers von "s.to" zur Netzsperrung:
https://imgur.com/a/pceJ6Ko
Die Seite selber kann bei vielen dt. Internetprovider (sowie diese Stellungnahme) nicht angeschaut werden.

https://netzpolitik.org/2021/clearingstelle-urheberrecht-im-internet-die-rueckkehr-der-netzsperren/

Kanzlei WBS: https://www.youtube.com/watch?v=DSDjgK9PdTE

Alle Quellen zuletzt am 30.03.2021 aufgerufen,

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Sehr geehrter Herr Cyrol,

vielen Dank für Ihre Frage zum Urheberrecht auf abgeordnetenwatch.de.
Zunächst zwei grundsätzliche Vorbemerkungen: Aus meiner Sicht sind Netzsperren nach wie vor sehr kritisch und als wenig wirksames Instrument zu bewerten. Sie können zudem leicht umgangen werden und sind mit erheblichen Kollateralschäden verbunden. Allerdings haben der Europäische Gerichtshof und auch die höchsten deutschen Gerichte Netzsperren als letztes Mittel ausdrücklich als zulässig erachtet, wenn zuvor alle denkbaren Maßnahmen zur Beseitigung einer Rechtsverletzung erfolglos geblieben sind. Zwingend geboten und gesetzlich festgeschrieben ist dagegen das Prinzip der Netzneutralität, das das offene und freie Internet sowie Teilhabe, Meinungsfreiheit und -vielfalt, Innovation und Innovationsfähigkeit und fairen Wettbewerb sicherstellen soll.

In dem von Ihnen angesprochen Fall handelt es sich nicht um behördliche und gerichtliche Stellen, die entsprechende Domainsperrungen anordnen, sondern um eine unabhängige Stelle, die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII). Diese wurde von Internetzugangsanbietern und Rechteinhabern gegründet, um nach objektiven Kriterien prüfen zu lassen, ob die Sperrung des Zugangs einer strukturell urheberrechtsverletzenden Webseite rechtmäßig ist. Dabei handelt es sich um Seiten, die strukturell auf Rechtsverletzungen ausgerichtet sind, die sich daher auch nicht auf die Haftungsprivilegierung der e-Commerce-Richtlinie berufen können und gegen die aber nach deutschen und europäischen Recht nicht vorgegangen werden kann, da diese sich im Ausland befinden.
Nach Auskunft der Clearingstelle Urheberrecht im Internet prüft ein Prüfausschuss der Clearingstelle auf Antrag der Rechteinhaber und empfiehlt bei Vorliegen der Voraussetzungen eine DNS-Sperre dieser strukturell urheberrechtsverletzenden Webseite. Die Empfehlungen des Prüfausschusses sollen einstimmig und nur bei eindeutigen und strukturellen Urheberrechtsverletzungen erfolgen – also bei Seiten, deren Geschäftszweck auf der strukturellen Verletzung von Urheberrechten beruht.
Die Empfehlung der Clearingstelle wird dann der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) übermittelt. Die Bundesnetzagentur prüft, ob eine solche Sperre mit den Vorgaben der europäischen Netzneutralitätsverordnung (VERORDNUNG (EU) 2015/2120) über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet im Einklang steht. Ergibt die Prüfung durch die Bundesnetzagentur, dass eine DNS-Sperre unter den Maßgaben der Netzneutralitätsverordnung unbedenklich ist, teilt die CUII dies den Internetzugangsanbietern und den Antragstellern mit. In diesen Fällen sperren die an der CUII beteiligten Internetzugangsanbieter die entsprechenden Domains der strukturell urheberrechtsverletzenden Webseite.
Diese Domainsperrungen können natürlich gerichtlich überprüft werden.
Aus meiner Sicht sind gerichtlich angeordnete Netzsperren als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Maßnahmen leerlaufen, vertretbar, um Rechtsverletzungen abzustellen. Da es sich hier um freiwillige Vereinbarungen zwischen Internetzugangsanbietern und Rechteinhabern handelt, muss die Umsetzung aufmerksam beobachtet werden. Dabei sehe ich es durchaus auch kritisch, dass dieses bisher vorgesehene System ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung (außer gegen eine etwaige Sperrung im Nachhinein) ausgestaltet ist. Es ist Aufgabe der Bundesnetzagentur zu prüfen, ob es sich hier wirklich um Domains handelt, deren Geschäftszweck die strukturelle Verletzung von Urheberrechten ist und die sich daher nicht auf die Haftungsprivilegierung berufen können und deren Sperrung auch mit den gesetzlichen Vorgaben zur Sicherstellung der Netzneutralität vereinbar ist. Sollte sich abzeichnen, dass diese Vorgaben nicht ausreichend berücksichtigt werden, wären diese freiwilligen Vereinbarungen in der Tat nicht nur mit Blick auf Verstöße gegen die Netzneutralität höchst problematisch, weil damit eine Infrastruktur etabliert wird, die Meinungsfreiheit und -vielfalt insgesamt gefährden und das freie und offene Netz in Frage stellen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Katrin Budde

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