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Frage von Frank-Philipp W. •

Frage an Katja Kipping von Frank-Philipp W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kipping,

zweierlei:

1. Missbrauch von Gesetzen

Der Intention eines Gesetzes ist oftmals positiver Natur. Die Umsetzung und Interpretation dagegen sogar teilweise das Gegenteil vom Gewünschten. Wieso werden Gesetze nicht so formuliert, dass sie eindeutig nur das regeln zu was sie gedacht sind. Würde z.B. die Voranstellung von Ziel und Zweck des Gesetzes den Missbrauch dessen nicht nahezu gänzlich ausschließen und somit Verfahren verkürzen und zu mehr Gerechtigkeit und Gleichbehandlung führen?

2. Regelung zu aktiver Sterbehilfe

Wäre es nicht sinnvoll die Sterbehilfe ähnlich zu regeln wie andere endgültige Eingriffe in das menschliche Leben? z.B. folgender Ablauf: 1. Erstellung eines "Testaments", in dem der betroffene Patient vorab bestimmt unter welchen Umständen er nicht mehr leben möchte bzw. unter welchen Aussichten er am Leben erhalten werden möchte; - Falls dies nicht mehr möglich ist: 1. Erstellung einer eindeutigen Diagnose von mindestens zwei unabhängigen Psychologen bzw. von Ärzten, die auf das Problemgebiet spezialisiert sind; 2. ärztliches Urteil, dass durch eine Behandlung die psychischen oder körperlichen Schmerzen nicht geheilt werden können; 3.Durchführung nur von zugelassenen Ärzten.
Gilt es nicht ältere, körperlich oder psychisch Behinderte oder finanziell Schwächere zu schützen? z.B. vor dem Gefühl, dass sie für Gesellschaft, ihre Familie usw. ein unerwünschter, ungeliebter, belastender Kostenfaktor sind?
Gilt es nicht auszuschließen, dass das Umfeld, im Besonderen die vom Tod profitieren, den Todeswunsch herbeigeführt haben?

MfG F. W.

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Sehr geehrter Herr Wolfer,

vielen Dank für Ihre Fragen.

zu 1.)

Jeder Gesetzentwurf enthält eine Gesetzesbegründung, die beschreibt, welches Problem das Gesetz beheben oder welches Ziel es erreichen soll. Insofern ist die von Ihnen vollkommen richtig angestellte Überlegung, dass es bei der Auslegung von Gesetzen die gewollten Gesetzesfolgen sinnvoller Weise mit einbezogen werden sollten, derzeit gegeben.

Ein Beispiel aus der Praxis: Der Gesetzentwurf für Lobbyregister, das meine Fraktion eingebracht hat:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/000/1900015.pdf

Die andere von Ihnen vorgeschlagene Vorstellung von Eindeutigkeit, steht in der Realität vor Schwierigkeiten. Gesetze müssen immer allgemein formuliert werden, damit die vielen Einzelfälle in der Realität davon abgedeckt werden können.

Im Strafrecht heißt es beispielsweise: „Wer die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Würden Sie statt des unbestimmten „gefährlichen Werkzeugs“ alle Dinge aufzählen, die gemeint sind — vom Schraubenzieher bis zum Holzpfahl — würden Sie mit Sicherheit ein Werkzeug vergessen.

Insofern müssen Sie immer allgemeine Kategorien bilden, die Sie dann auf die Realität anwenden.

Bei dem genannten Beispiel funktioniert das in der Praxis unproblematisch. In vielen anderen Rechtsgebieten ist dies nicht ganz so einfach. Das liegt nur z.T. an schlechter Gesetzgebung, die es durchaus auch vielfach gibt.

Recht ist Ergebnis gesellschaftlicher Konflikte und in der Regel Ausdruck widerstreitender Ansichten und Interessen ist. Im Sozialrecht ist dies häufig zu beobachten:

Ich streite für eine sanktionsfreie und teilhabesichernde Mindestsicherung, weil ich der Meinung bin, dass kein Mensch in Armut leben sollte, während andere Parteien für möglichst geringe Sozialausgaben streiten.

Je nachdem wie die Kräfteverhältnisse in Gesellschaft und im Parlament sind, sieht die konkrete Gesetzgebung aus.

zu 2.)

Aktive Sterbehilfe ist nicht die von Ihnen angedeutete Situation, in der es um die Frage geht, ob eine Behandlung eingestellt wird, obwohl dies zum Tod führt. Jede Person kann mit einer Patientenverfügung bestimmen, welche Behandlungen oder Behandlungsformen sie ausschließen möchte.

Aktive Sterbehilfe ist ein wirklich schwieriges Thema und ich bin da noch im Prozess der Willensbildung.

Freundliche Grüße

Katja Kipping