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Jürgen Trittin
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Frage von Gottfried K. •

Frage an Jürgen Trittin von Gottfried K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Trittin,

zu meiner Frage fand ich in Ihrer Aufstellung leider kein richtig dazu passendes Thema. Das von mir ausgewählte Thema scheint noch einigermaßen passend zu sein.

Meine Frage lautet: Werden Sie auf dem Parteitag der Grünen die Option der Volksabstimmung unterstützen?

Falls nein, dann sind die Grünen für mich nicht mehr wählbar. Denn zum Gründungsimpuls dieser Partei gehörte die BASISDEMOKRATIE zum unabdingbaren Kernpunkt Ihres Programms. Wenn Sie von der Option der Volksabstimmung abrücken sollten, verraten Sie die Ideale und Impulse, die für mich zur wesentlichen Essenz Ihrer Partei gehören.

Freundliche Grüße

Gottfried Karenovics

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karenovics, 

Herzlichen Dank für Ihre Nachricht.
Wie sie richtig sagen, begleitet uns Grüne das Thema der direkten Demokratie bereits seit unserer Gründung unter den Werten Ökologisch - Sozial - Basisdemokratisch - Gewaltfrei. Schon in diesen Werten des Grundsatzprogramms von 1980 spiegeln sich Spannungen und Widersprüche. Und deshalb war die Frage, ob Volksentscheide ein gutes Instrument sind, um diese Werte durchzusetzen, durchaus umstritten.
Dennoch fand die Forderung nach Volksabstimmungen lange in verschiedenen Grünen-Programmen Eingang - oft gegen die Stimmen von Grünen wie mir. Diese Position haben wir mit der Entscheidung von der Bundesdelegiertenkonferenz geändert.
Falsch aber ist es zu behaupten , dass wir mit Veränderung schafft Halt “von der Volksastimmung im Grundsatzprogramm” abgerückt seien. Im Gegenteil – Volksabstimmungen standen im bisher gültigen Grundsatzprogramm nicht drin. Im bisherigen Programm von 2002 war davon die Rede: „Es sind neue Beteiligungsformen zu ermöglichen und zu etablieren, die geeignet sind, den gesellschaftlichen Dialog zu befördern.“
Genau das leistet das neue Grundsatzprogramm – es schafft mit dem Instrument der Bürger*innen-Räte ein konkretes Beteiligungsinstrument.
Meine Kritik am Instrument der Volksentscheide auf Bundesebene ist eine grundsätzliche und nicht neu. Aber sie hat durch die Erfahrungen mit real stattgefundenen Volksentscheiden und dem Aufstieg rechter Populist*innen, Nationalist*innen und Rassist*innen eine neue, bittere Aktualität bekommen.
Für uns Grüne stehen die Demokratie und der Schutz aller Menschen, insbesondere auch der Schutz von Minderheiten, an oberster Stelle. Volksentscheide allerdings können nur zwischen ja und nein unterscheiden – zwischen allem und nichts. Den Schutz von Minderheiten kennen sie nicht, Kompromisse können sie nicht verhandeln – all das kann aber unsere repräsentative Demokratie. Als gewählte Volksvertreter*innen diskutieren wir im Parlament, wägen ab und verhandeln Gesetze und Entscheidungen bis ins kleinste Detail – all das ist mit Volksentscheiden leider nicht möglich, wie wir beispielsweise auch am Bespiel des Brexits sehen.
Volksentscheide wären ein Wechsel des demokratischen Betriebssystems unseres Landes. Und sie bedeuten eine Schwächung der parlamentarischen Demokratie. Und in Zeiten, wo wir Abgeordnete als Vertreter*innen einer Corona-Diktatur beschimpft und in den Räumen des Deutschen Bundestags bedrängt werden, halte ich das für den falschen Weg.
Ich hoffe Ihnen hiermit meine und unsere Beweggründe etwas nachvollziehbarer erklärt zu haben und sie auch weiter in unseren Reihen zu wissen.

Mit besten Grüßen

Jürgen Trittin