Was tun Sie dafür, dass die Bundesregierung dem EU Gesetz der sog. Chatkontrolle nicht zustimmt ?
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Für die Grünen ist der Einsatz für die Bürgerrechte im Digitalen ein Kernanliegen unserer Arbeit. Deshalb teilen wir Ihre großen Bedenken hinsichtlich der sogenannten "Chatkontrolle", die im Rahmen der CSA-Verordnung auf europäischer Ebene verhandelt wird.
Seit Beginn der Verhandlungen der CSA-Verordnung vor mehr als drei Jahren begleiten wir diese Diskussion parlamentarisch und öffentlich kritisch - und treten sowohl für tatsächlich zielführende Instrumente zur Effektivierung der Bekämpfung von sexuellem Missbrauch und seiner Darstellung als auch für den Schutz und Erhalt digitaler Grundrechte ein.
Die Grünen untertützen ausdrücklich die von der Europäischen Kommission angestrebten Ziele zur Bekämpfung und der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern sowie zum besseren Schutz von Kindern. Jährlich erleiden tausende Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt und Ausbeutung. Auch Missbrauchsdarstellungen zirkulieren immer häufiger und oft jahrelang im Netz. Eine gesamtgesellschaftliche Verbesserung der rechtsstaatlich entschlossenen Bekämpfung von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung in Hinsicht auf Verfolgung, Prävention und Aufklärung drängt.
Die derzeit im EU-Rat diskutierten Vorschläge gehen jedoch über dieses Ziel deutlich hinaus: Sie würden Anbieter digitaler Kommunikationsdienste verpflichten, die private Kommunikation ihrer Nutzenden massenhaft und anlasslos zu durchsuchen. Dies gefährdet die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und eröffnet Wege für eine flächendeckende Überwachung privater Kommunikation. Ebenso besteht die Gefahr, dass der effektive Bruch der Ende-zu-Ende Verschlüsselung risikoreiche Schwachstellen schafft, die immer auch von Dritten ausgenutzt werden können und somit vor dem Hintergrund der aktuellen Cyberbedrohungslage nicht zu verantworten sind.
Durch die Fokussierung auf die andauernden Verhandlungen um die verfassungs- und europarechtlich fragwürdige "Chatkontrolle" bleibt die Implementierung von dringend notwendigen, tatsächlich wirksamen Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche bisher weitgehend aus.
Aus unserer Sicht liegen eine Vielzahl anderer wirkungsvoller Vorschläge vor. Dazu zählen unter anderem:
- der deutliche Personalausbau bei Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden
- die Stärkung der Ermittlungsbehörden, beispielsweise durch die Schaffung eines "Quick-Freeze"-Gesetzes und die Nutzung von "Login-Fallen"
- die Implementierung zielgerichteter Methoden zur Effektivierung der Strafverfolgung im Netz wie Blockchain-Analysen und Netzwerkanalysen zur Aufdeckung und Zerschlagung von Täter*innen-Netzwerken.
- eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung des Digital Services Coordinator (DSC) und der Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD)
- mehr Präventionsarbeit, beispielsweise auch durch den Einsatz von digitalen Streetworkern, und die bessere Unterstützung von Betroffenen
Nicht nur wir, sondern auch zahlreiche Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft kritisieren die "Chatkontrolle" als grundrechtsgefährdendes, unsicheres und unwirksames Mittel, um Kinder und Jugendliche zu schützen.
Zuletzt haben die Verantwortlichen des Messengerdienstes "Signal" verkündet, sich bei Einführung der EU-weiten Chatkontrolle aus dem europäischen Markt zurückzuziehen.
Deutschland war in der Vergangenheit eine entscheidende Stimme, die Einführung der Chatkontrolle im Rat der EU zu verhindern. Wir drängen die Bundesregierung mit Nachdruck dazu, hier nicht zu wanken. Wir haben daher aktuell einen umfassenden Antrag in den Bundestag eingebracht: Die Grüne Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierungauf, sich im Europäischen Rat gegen eine anlasslose Überprüfung jeglicher privaten Inhalte und Speichermedien auszusprechen und stattdessen zielführende Alternativvorschläge umzusetzen, um Kinder und Jugendliche endlich besser zu schützen.
Unser Ziel ist klar: Wir wollen Kinder und Jugendliche wirksam schützen und zugleich die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger wahren. Beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Mistol

