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Frage von Joachim P. •

Frage an Johannes Kahrs von Joachim P. bezüglich Recht

Der BGH hat die Assekuranzen in Deutschland nach jüngst ergangenem rechtskräftigen Urteil zur Transparenz in ihrem Finanzgebaren gegenüber dem Verbraucher und dem Staat verpflichtet.
Frage:
Sollte der Banken-und Sparkassensektor in Deutschland in gleicherweise zur Transparenz in seinem Finanzgebaren insbesondere bei der Gestaltung seiner Zinsstruktur für Dispostionskredite (s.a. Hamburger Abendblatt Kommentar letzte Woche ) gesetzlich verplichtet werden? Sollte Alg-Empfängern das Recht eingeräumt werden, hochverzinsliche Dispostionskredite in niegrigverzinslichte Ratenkredite umzuschulden, bisher wird dieser Zielgruppe dieses Recht sogar von öffentlich-rechtlichen Sparkassen vorenthalten!
Sollte der gesetzlich festgelegte Unterhaltssatz von Euro 345.-/332.- Alg II von Zinszahlungen freigestellt werden, um weitere Verelendung zu verhindern? Sollten diese Zinszahlungen vom Staat übernommen werden? oder sollte das Insolvenzrecht entsprechend zu Lasten der Gläubiger geändert werden?

Halten Sie die Frage" Können wir uns den Sozialstaat überhaupt noch leisten" für ebenso absurd wie die unmögliche Frage von Tschechen an die realen Hamburger " Können wir es uns überhaupt noch leisten, das Wasser der Elbe einfach über Dresden nach Hamburg rauschen zu lassen, wo doch die Hamburger das Wasser der Elbe einfach ungestaut und unkommentiert in die Nordsee stromern lassen?

Danke! für die Antwort!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Petrick,

vielen Dank für Ihre Fragen aus dem Bereich Wirtschaft, Arbeit und Recht.
Hier meine entsprechenden Antworten:

1. Frage: Sollte der Banken- und Sparkassensektor in Deutschland in gleicher Weise zur Transparenz in seinem Finanzgebaren insbesondere bei der Gestaltung seiner Zinsstruktur für Dispositionskredite (s. a. Hamburger Abendblatt Kommentar letzte Woche) gesetzlich verpflichtet werden?

Antwort: Zunächst muss festgehalten werden, dass das Urteil des BGH bezüglich Versicherungen zwar im Juli 2005 ergangen ist, aber noch keinerlei rechtlicher Rahmen für die Umsetzung existiert. Daher hat der BGH eine Frist bis Ende 2006 gesetzt. Erst dann tritt ein Neues Gesetz in Kraft. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich also inhaltlich kaum Vergleiche zum Banken- und Sparkassensektor ziehen. Grundsätzlich wäre eine Überprüfung der Transparenzkriterien für Sparkassen- und Banken bei der Zinsfestlegung für Dispositionskredite sicherlich im Interesse des Verbrauchers. Trotzdem muss berücksichtigt werden, dass die Höhe des Zinssatzes auch von der Nachfrage und dem Verhalten der Kreditnehmer abhängig ist sowie bei Kurzfristkrediten – wie z.B. Dispositionskrediten – das Risiko eines Verlusts für den Zinsgeber nur über einen höheren Zinssatz abgemildert werden kann. D.h. zum einen, dass sich Banken die Vergabe von Kurzfristkrediten ohne Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers etwas kosten lassen und zum anderen, dass sich der Zinssatz durch den Wettbewerb der Kreditinstitute reguliert. Denn schließlich wird kein Bankkunde gezwungen einen Kurzfristkredit nur bei einer bestimmten Bank aufzunehmen. Und wer längerfristig einen Kredit benötigt, der sollte sich unbedingt bei mehreren Banken über die entsprechenden Konditionen informieren.

2. Frage: Sollte ALG-Empfängern das Recht eingeräumt werden, hochverzinsliche Dispositionskredite in niedrigverzinslichte Ratenkredite umzuschulden?

Antwort: Ein Recht auf Umschuldung für ALGII-Empfänger erachte ich nur in besonderen Härtefällen für erstrebenswert. Einen pauschalen Anspruch dagegen für grundsätzlich falsch. Noch mal: Dispositionskredite sind keine Langzeitkredite und sind nur deshalb so hoch verzinst. Der Kreditnehmer sollte also sehr vorsichtig bei der Ausschöpfung seines Dispositionsrahmens sein. Wer höhere Summen benötigt sollte sich in jedem Fall über Ratenkredite – also Langzeitkredite – informieren.

3. Frage: Sollte der gesetzlich festgelegte Unterhaltssatz von Euro 345.-/332.- ALG II von Zinszahlungen freigestellt werden, um weitere Verelendung zu verhindern? Sollten diese Zinszahlungen vom Staat übernommen werden? oder sollte das Insolvenzrecht entsprechend zu Lasten der Gläubiger geändert werden?

Antwort: Sicherlich ist eine Freistellung nicht sinnvoll. Schließlich würde der ALGII-Empfänger mit dem gleichen Schuldenberg wieder ins Berufsleben starten. Auch eine Tilgung durch den Staat ist kontraproduktiv, weil sonst jeder ALGII-Empfänger zu Lasten aller Steuerzahler munter Kredite aufnehmen könnte, ohne zahlungsfähig zu sein. Da aber die Sockelbeträge auch wenig Spielraum für großzügige Schuldentilgung lassen, existiert zurzeit eine – wie ich finde – sehr gute Lösung. So werden Schuldner im Rahmen der aktivierenden Maßnahmen kostenlose Schuldnerberatungen angeboten. Die Schuldnerberatung erarbeitet dann mit dem Schuldner ein Sanierungskonzept, wozu neben der Schulung im Umgang mit Geld auch gegebenenfalls Sonderregelungen mit den Gläubigern gehören.

4. Frage: Halten Sie die Frage" Können wir uns den Sozialstaat überhaupt noch leisten" für ebenso absurd wie die unmögliche Frage von Tschechen an die realen Hamburger " Können wir es uns überhaupt noch leisten, das Wasser der Elbe einfach über Dresden nach Hamburg rauschen zu lassen, wo doch die Hamburger das Wasser der Elbe einfach ungestaut und unkommentiert in die Nordsee stromern lassen?

Antwort: Meine Antwort fällt hier eindeutig aus: Wir müssen uns den Sozialstaat leisten. Er ist eine zentrale Säule unserer Gesellschaft. Daran besteht kein Zweifel. Die von Ihnen gestellte Frage ist deshalb zu relativieren. Der entscheidende Punkt ist allerdings die Frage der Finanzierung und Umgestaltung der Sicherungssysteme um den Sozialstaat weiterhin am Leben zu erhalten. Die SPD hat deshalb wichtige Reformen begonnen und nach 16 Jahren Stillstand das Problem angepackt. Die Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit in die Arbeitsagenturen, die Rentenreform und die Gesundheitsreform sind hier nur einige Beispiele. Dabei war, ist und bleibt der Weg der Reformen steinig. Der SPD war dies von Beginn an bewusst. Da die Einschnitte für alle Bürger nicht leicht waren hat die SPD mit ihren Maßnahmen auch riskiert ihrer Regierungsverantwortung entzogen zu werden. Trotzdem hat sie sich im Sinne ihrer sozialen Grundsätze für die Menschen in Deutschland eingesetzt.

Ich hoffe, die Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben. Sollten Sie weitere Fragen haben, können Sie sich selbstverständlich gerne wieder an mich wenden.

Mit fröhlichem Gruß
Johannes Kahrs