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Frage von Matthias S. •

Frage an Johannes Kahrs von Matthias S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Kahrs,

seit Jahren lese ich in der Zeitung von der Nullzinspolitik des Herrn Draghi, von den ungerechten Verteilungswirkungen dieser Geldpolitik, der heimlichen Enteignung der Kleinsparer, den Vermögenspreisblasen (Anleihe- und Immobilienpreisblase), dem Profit der Vermieter und Aktionäre durch Draghis Gelddrucken, der Umverteilung vom Norden in den Süden Europas, von arm zu reich usw. Leider höre ich von der Politik kaum etwas dazu, obwohl es sich bei dieser Negativzinspolitik um den wohl größten "Raubzug" der letzten Jahrzehnte handelt, von dem die Reichen profitieren auf Kosten der normalen Leute. Real werden die Bürger, die sich keine Anlagen in Immobilien leisten können und für die daher meist nur das Tagesgeld etc. übrig bleibt, seit Jahren laufend enteignet, und die Reichen werden reicher und reicher, unverdienterweise, einfach durch Draghis Gelddrucken. Ich halte das für einen der größten politischen Skandale der Nachkriegszeit, aber die Politik schweigt dazu. Müsste nicht die SPD dieses Thema ganz groß herausbringen, wenn sie jetzt unter Schulz die Frage der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen will? Ich denke, dass sich viel mehr sozialdemokratisch denkende Wähler um ihr Erspartes sorgen als um etwas mehr ALG 1, wovon die wenigsten betroffen sind. Aber die Enteignung trifft fast alle normalen Leute. Ich dachte immer, für eine faire Lastenverteilung in der Gesellschaft gebe es ein Steuersystem, wo starke Schultern mehr tragen als schwache. Die Lasten der Staatsschuldenkrise trägt jetzt aber allein der kleine Sparer, die Starken profitieren stattdessen sogar, weil die Lasten nicht über die Fiskalpolitik bzw. das Steuersystem verteilt werden, sondern über die Geldpolitik. Normale Leute müssen so zusehen, wie sie täglich enteignet werden, während reiche Leute sich jeden Tag über ihr wachsendes Immobilienvermögen freuen können. Meiner Meinung nach brauchen wir daher einen Lastenausgleich.

MfG

M. Schwarzer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schwarzer,

vielen Dank für Ihre Frage und bitte entschuldigen Sie die späte Antwort – Ihre Frage war kurzzeitig von meinem Radar verschwunden...

In vielerlei Hinsicht gebe ich Ihnen recht. Allerdings muss ich hier und da auch relativieren. Das Phänomen der niedrigen Zinsen ist nämlich eine weltweite Entwicklung, die realwirtschaftliche sowie geldpolitische Gründe hat. Insofern wäre es naiv zu glauben, dass Deutschland aus diesem Trend einfach ausscheren könnte. Außerdem wissen Sie sicher, dass die europäische Zentralbank unabhängig von der Politik ist und die Möglichkeiten der Politik Einfluss auf ihre Geldpolitik zu nehmen somit sehr gering ist. Für viele Länder Europas ist der Niedrigzins zudem aktuell die einzige Chance, die Entschuldung ihrer öffentlichen Haushalte in Angriff zu nehmen und aus der wirtschaftlichen Rezession herauszukommen. Auch der deutsche Staatshaushalt profitiert natürlich von den niedrigen Zinsen.

Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, dass der Durchschnittssparer zurzeit mit sehr wenig Rendite auskommen muss – gleiches gilt auch für große Anleger, wie zum Beispiel für Versicherungen. Andererseits ist auch die Inflationsrate seit Jahren sehr niedrig, sodass sich die Verluste der Sparer in Grenzen halten. Da, wie gesagt, auch die verschuldeten öffentlichen Haushalte in Deutschland vom Niedrigzins profitieren und dies auch dem Bürger zugutekommen soll, haben wir in der großen Koalition Steuererleichterungen durchgesetzt. Wir haben die Steuerzahler, vor allem Familien und Alleinerziehende, ab 2015 und 2016 um insgesamt gut 5 Milliarden Euro entlastet. Dabei haben wir den Grund- und Kinderfreibetrag, das Kindergeld, den Kinderzuschlag und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende angehoben. Um die Wirkung der kalten Progression auszugleichen, haben wir die Einkommensteuersätze abgesenkt. Weitere Entlastungen von mehr als 6 Milliarden Euro ab 2017 und 2018 haben wir somit auf den Weg gebracht.

Da sich die Einnahmen der öffentlichen Haushalte zudem weiter gut entwickeln, hat die SPD ein Steuerkonzept entwickelt. Damit wollen wir nach der Bundestagswahl Familien, Alleinerziehende und kleine und mittlere Einkommen gezielt entlasten. Und Sie haben recht: Steuergerechtigkeit heißt auch für uns, dass starke Schultern mehr tragen als schwache. Wir schaffen den Soli für kleine und mittlere Einkommen ab, in einem zweiten Schritt für alle. Damit entlasten wir die hart arbeitenden Menschen im Land sofort um 10 Mrd. Euro. Einkommen, die so niedrig sind, dass Steuererleichterungen nicht greifen, weil keine Einkommenssteuer gezahlt wird, wollen wir bei den Sozialabgaben entlasten. Zur Gegenfinanzierung heben wir den Spitzensteuersatz auf 45% an.

Sie sehen, dass die SPD durchaus an einem, wie Sie es nennen, Lastenausgleich arbeitet. Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten und verbleibe

mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs