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Frage von Hannah E. •

Frage an Johannes Kahrs von Hannah E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Kahrs,

warum wird der von den Nazis erzwungene Kredit der Griechen nicht endlich an diese zurück gezahlt - mit Zins und Zinseszins? Empfinden Sie es nicht ebenfalls als überaus peinlich, wie sich das reiche Deutschland seit Jahrzehnten vor angemessenen Opferentschädigungen drückt? schon das lässt mir und vielen anderen die Schamröte ins Gesicht steigen, wenn wir in vom Naziregime betroffene Länder und besonders bestimmte Orte kommen z.b. in Italien, Frankreich, Griechenland.

Ganz besonders schäbig ist aber die empörte Zurückweisung der "Reichsverschuldung gegenüber Griechenland". "Angesichts der systematischen Ausplünderung und Verwüstung ist das einfach unanständig!

Die Verknüpfung mit den Schulden Griechenlands finde ich sogar sinnvoll: aufgrund der unsinnigen Sparpolitik - betrieben auch insbesondere von Frau Dr. Merkel und Herrn Dr. Schäuble - ist das Land mehr denn je am Boden zerstört worden. Insofern ist Europa und - leider derzeit an der Spitze - Deutschland daran mit Schuld. Ganz egal wie Griechenland ursprünglich in EU, Euro und Verschuldung gekommen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Erben-Wunder

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Erben-Wunder,

vielen Dank für Ihre Frage. Die historische Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit steht für mich außer Frage. Dies gilt natürlich auch gegenüber Griechenland. Ich finde, Thomas Oppermann hat das in einer Bundestagsdebatte sehr gut auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass die Verbrechen der nationalsozialistischen Besatzungsmacht in Griechenland kein "Verfallsdatum" haben und wir dafür Verantwortung tragen, unabhängig davon, ob Reparationen gezahlt worden sind oder ob Ansprüche auf Reparationen bestehen.

Die Frage der historischen Verantwortung ist meines Erachtens nicht identisch mit der Frage, ob heute noch Ansprüche auf Reparationszahlungen oder andere Zahlungen bestehen. Die Rechtsauffassung der Bundesregierung ist hier seit langem eindeutig und erscheint mir gut begründet: Der "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" vom 12. September 1990, der sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag, enthält die endgültige Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen und wurde in der Charta von Paris auch von Griechenland "mit großer Genugtuung" zur Kenntnis genommen.

Die Bundesregierung verweist zudem politisch darauf, dass Deutschland seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges in hohem Maß Reparationsleistungen erbracht hat, die die betroffenen Staaten nach allgemeinem Völkerrecht zur Entschädigung ihrer Staatsangehörigen verwenden sollten. Allein durch Wiedergutmachung und sonstige Leistungen wurde ein Vielfaches der ursprünglich auf der Konferenz von Jalta ins Auge gefassten Reparationen in Höhe von 20 Mrd. US-Dollar erbracht. Griechenland hat beispielsweise schon 1960 auf Grundlage eines Vertrags mit der Bundesrepublik 115 Mio. DM erhalten für Leistungen zugunsten griechischer Staatsbürger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen waren.

Wenn die neue griechische Regierung diese Fragen anders beurteilt als die deutsche Regierung, ist das eine Meinungsverschiedenheit, die uns weder davon abhalten sollte, unserer historischen Verantwortung nachzukommen, noch davon abhalten sollte, unser europäisches Partnerland solidarisch darin zu unterstützen, aus der massiven Krise herauszufinden.

Zum Umgang mit historischer Verantwortung zählen für mich konkrete Maßnahmen wie die Einrichtung des "Deutsch- Griechischen Zukunftsfonds", die der Deutsche Bundestag 2014 beschlossen hat, und das im Aufbau befindliche Deutsch-Griechische Jugendwerk, für das ich mich persönlich bei einem Athen-Besuch im März dieses Jahres beim griechischen Bildungsminister eingesetzt habe.

Zur Solidarität in der Krise zählt für mich -- wie für Sie -- mehr als ein Beharren auf reinen Sparmaßnahmen. Für die SPD-Bundestagsfraktion war immer klar, dass die Krisenländer allein durch Sparpakete und Daumenschrauben nicht vorankommen, so populär das bei Teilen des Publikums auch sein mag. Während Teile der Union damit hausierten, dass man an den Hilfskrediten sogar noch verdiene, haben wir nie einen Zweifel daran gelassen, dass die europäische Einigung im deutschen Interesse ist und dass Deutschland mehr als jedes andere Land der Eurozone von unserer Gemeinschaftswährung profitiert. Wir haben deswegen dem ersten Hilfspaket für Griechenland im Jahr 2010 auch nicht zugestimmt. Unseren Forderungen nach einer Gläubigerbeteiligung, einem gezielten Wachstumsprogramm für Griechenland, der Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um Banken und Investoren an den Kosten der Rettung zu beteiligen, sowie einer stärkeren und besseren Regulierung der Finanzmärkte kam die schwarz-gelbe Koalition damals leider nicht nach.

Für meine Fraktion ist auch klar, dass Griechenland auf längere Zeit auf die Unterstützung seiner europäischen Partner angewiesen sein wird. Wir sind dazu auch bereit. Allerdings erwarte ich im Interesse der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch eine Gegenleistung von der griechischen Regierung, nämlich die Fortsetzung und Vertiefung von Reformen, die Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine bringen. Dazu gehören zum Beispiel die Etablierung einer effizienten Steuerverwaltung und eines funktionierenden Grundbuchwesens, die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die Deregulierung verkrusteter Strukturen, z.B. im Energiesektor. Wir sollten Griechenland hier jede Form von Hilfe leisten, wenn die Griechen ihren Beitrag dazu leisten. Wenn wir das gemeinsam in Europa hinbekommen, ist das für die Zukunft unserer Länder und für die Bürgerinnen und Bürger wichtiger, als sich ergebnislos über alte Fragen zu streiten. Ich will meinen bescheidenen Beitrag dazu gerne leisten.

Mit freundlichem Gruß,
Johannes Kahrs