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Frage von Matthias L. •

Frage an Johannes Kahrs von Matthias L. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Kahrs,

Seit der Entscheidung des BVerG vom 23. März 2011 zur Zwangsbehandlung in der Pychiatrie will heute der Bundestag im Eilverfahren Experten anhören.
Der Betreuungsgerichtstag hat letzte Woche in einer Abschlusserklärung verlautbart: “..Das letzte halbe Jahr zeigt keine bedrohliche Entwicklung für Patienten in der Psychiatrie. Vielmehr hat sich gezeigt, dass andere therapeutische Wege zur Verfügung stehen und erfolgreich beschritten werden können".

Wie stehen sie dazu, das hier Ohne Druck und Eile Änderungen geschaffen werden, wo auch die Betroffenen sowie die Fachverbände angehört werden?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Latteyer,

vielen Dank für Ihre Frage.

Der Bundestag hat am 17. Januar 2013 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme verabschiedet. Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat für den Gesetzentwurf in geänderter Fassung gestimmt.

Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Behandlung gegen den ausdrücklichen Willen des Patienten stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Allerdings kann das Fehlen einer solchen Möglichkeit im Rahmen des Betreuungsrechtes dazu führen, dass Betroffene einen schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden nehmen. Uns war es daher besonders wichtig, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht auf freie Selbstbestimmung auf der einen Seite und dem Recht auf Schutz vor einer gesundheitlichen Gefährdung auf der anderen Seite zu schaffen.

Es ist uns gegen den anfänglichen Widerstand von CDU/CSU und FDP gelungen, die Durchführung eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durchzusetzen.

Im Zuge mehrerer Beratungen in dem damit befassten Ausschuss und Anhörungen von Experten konnte die SPD-Bundestagsfraktion einige wichtige Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Koalition durchsetzen. Dieser wies in seiner Ursprungsfassung deutlich zu geringe Hürden für die Anwendung medizinischer Zwangsmaßnahmen auf. Auf diese Weise konnten wir die Rechte der Betroffenen gestärkt werden.

Die Durchführung einer medizinischen Zwangsmaßnahme ist nun nur mit einer richterlichen Genehmigung möglich. Sie darf nur als letztes Mittel zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann, angeordnet werden. Auch muss zuvor versucht worden sein, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, um seine freiwillige Zustimmung zur Behandlung zu erreichen.

Wir haben uns auch für die Stärkung der Rechte der Betreuten im gerichtlichen Verfahren eingesetzt. Im Verfahren wird den Betroffenen zukünftig immer ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt und Gutachten von Sachverständigen eingeholt. Der Sachverständige soll nicht der behandelnde Arzt sein. Falls die Maßnahme über 12 Wochen hinaus erfolgen soll, ist eine externe Begutachtung erforderlich. Der Arzt soll den Patienten noch nicht behandelt haben und soll außerdem nicht Arzt in der Unterbringungsklinik sein.

CDU/CSU und FDP sind uns im Laufe der Beratungen in einigen wichtigen Punkten entgegengekommen, so dass wir dem Entwurf in geänderter Fassung zustimmen konnten.

Das Thema der medizinischen Zwangsbehandlung ist damit aber nicht abschließend behandelt. Es gilt weitere Schritte insbesondere im präventiven Bereich einzuleiten. Zum Beispiel müssen die ambulanten Hilfesysteme ausgebaut werden, um in Krisensituationen den Betroffenen schnell und frühzeitig helfen zu können. Darüber hinaus sollten Patienten rechtzeitig auf die Möglichkeiten einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht hingewiesen werden, damit ihr tatsächlicher Wille dokumentiert ist.

In Anbetracht der Sensibilität des Themas und des öffentlichen Interesses wird die SPD-Bundestagsfraktion diese Fragen in ihren Arbeitsgruppen beraten und weitergehende Vorschläge in die Diskussion einbringen.

Sie können sich sicher sein, dass wir uns gerade auch für eine Verbesserung der Situation von unter Betreuung stehenden psychisch kranken Menschen in Deutschland einsetzen werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes Kahrs