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Joachim Pfeiffer
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Frage von Thomas G. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Thomas G. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Dr. Joachim Pfeiffer,

die Entscheidung über den Bundesbedarfsplan steht in Kürze an. Grundlage soll der bereits veröffentlichte Netzentwicklungsplan sein. In diesem ist geplant, die HG- Leitung von Emden nach Philippsburg in Meerbusch-Osterath zu unterbrechen und einen riesigen Konverter direkt an einem Wohngebiet zu bauen. Zu diesem Problem möchte ich Ihnen einige Fragen stellen:

1.Welchen energiepolitischen Sinn macht die Unterbrechung der HGÜ-Leitung von Emden nach Philippsburg in Meerbusch-Osterath? Durch die frühe Unterbrechung kommt es nach ersten Be-rechnungen zu einem Leistungsverlust von mindestens 30 Megawatt pro Jahr.
2.Geht es bei der Unterbrechung der HGÜ-Trasse in Meerbusch-Osterath nur um die Einspeisung von billigerem Strom aus Braunkohlekraftwerken oder sogar um die Einspeisung von noch billigerem Atomstrom aus belgischen Kraftwerken?
3.Warum muss Windstrom aus Nordsee-Offshore-Feldern nach Süden transportiert werden, wenn im Süden nach aktuellen Informationen genug regenerative Energien vorhanden sind bzw. geschaffen werden?
4.Alternative Standorte wurden bisher nur vom Netzbetreiber Amprion geprüft. Hierbei standen aber nur wirtschaftliche und technische Überlegungen im Vordergrund (Vermaschung, regionale Last-Erzeugung, Reserven für weitere Einspeisung und freier Trassenraum). Gesundheits- und Umweltaspekte blieben bislang trotz durchgeführter Umweltverträglichkeitsprüfungen ebenso unberücksichtigt wie der drohende Wertverlust der Immobilien in Meerbusch-Osterath. Wann wird diese Prüfung endlich nachgeholt? Wie bewerten Sie dieses Vorgehen auch im Hinblick auf die im EnWG und im UVPG festgelegten Verfahrensvorschriften?

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Sehr geehrter Herr Gier,

die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat den überarbeiteten Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2012 und den Entwurf des Umweltberichts 2012 am 06. September 2012 zur Diskussion gestellt. Die Maßnahme dient der Transparenz beim notwendigen Netzausbau und ermöglicht es den Bürgern sich aktiv zu beteiligen. Wie die Zahlen zeigen, hat die Bevölkerung das Angebot bereitwillig angenommen und sich aktiv in den Prozess der Netzausbauplanung eingebracht: 3.300 Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Behörden beteiligten sich an der öffentlichen Konsultation.

In die Abwägung des Netzentwicklungsplans sowie des Umweltberichts sind auch die Resolution des Rates der Stadt Meerbusch, die Stellungnahme der Stadt Meerbusch vom 24. Oktober 2012 sowie die zahlreichen Anregungen der Bürgerinnen und Bürger eingeflossen.

Am 25. November 2012 hat die BNetzA den NEP Strom 2012 bestätigt. Unter anderem umfasst die Bestätigung den Neubau zweier HGÜ-Verbindungen zwischen Emden und Osterath bzw. zwischen Osterath und Philippsburg (Projekt Korridor A, Maßnahmen 01 und 02). Dies beinhaltet auch einen Konverter als Nebenanlage zu den HGÜ-Verbindungen. Die BNetzA hat jedoch bereits in der Bestätigung des NEP betont, dass sie die Standortbezeichnung Osterath nicht als gemarkungs- oder grundstücksscharfe Positionsangabe versteht. Der Netzentwicklungsplan dient in einem ersten Planungsschritt der Vorbereitung einer gesetzgeberischen Entscheidung über den Bedarf an zusätzlichen Stromtransportkapazitäten. Viele der vorgebrachten Argumente und Fragen zu dem möglichen konkreten Standort des Konverters sind jedoch noch nicht Bestandteil der jetzt zunächst erfolgten, grundlegenden energiewirtschaftlichen Bedarfsermittlung. Diese Fragen können erst in der nachfolgenden Bundesfachplanung, Raumordnung sowie der abschließenden Planfeststellung berücksichtigt und beantwortet werden. Erst dann erfolgt die genaue Festlegung des Konverter-Standorts.

Es ist dabei zu berücksichtigen, dass solche Nebenanlagen nicht zwingend unmittelbar am Standort des Netzverknüpfungspunktes errichtet werden müssen, der im Bundesbedarfsplan festgelegt wird. Es ist möglich, Nebenanlagen an einem Standort abseits des Netzverknüpfungspunktes zu errichten und sie mit diesem durch eine Stichleitung zu verbinden. Dieser Möglichkeit wird auch durch die von der BNetzA für den Umweltbericht gewählten Untersuchungsräume Rechnung getragen. Aus Umweltgesichtspunkten können sich für Nebenanlagen besser geeignete Standorte als am Netzverknüpfungspunkt ergeben, wenn die Betrachtungsebene in den nachfolgenden Planungsstufen zunehmend genauer wird. Die genaue Vorgehensweise, wie eine Standortbetrachtung in der Bundesfachplanung aussehen könnte, wird in der öffentlichen Antragskonferenz zur Bundesfachplanung mit den betroffenen Trägern öffentlicher Belange und den Umweltvereinigungen erörtert.

Die Maßnahme A Emden Osterath dient zur Integration der erneuerbaren Energien. Das Rhein-Ruhrgebiet ist das erste große Verbrauchszentrum von der Nordsee Richtung Süden aus gesehen. Daher ist eine Unterbrechung des HGÜ-Korridors A im Ruhrgebiet energiepolitisch sinnvoll. Die Aufteilung des HGÜ-Korridors A in zwei getrennte Vorhaben (Nord und Süd) ermöglicht die unabhängige und dadurch beschleunigte Planung der Maßnahme Osterath-Philippsburg, damit diese rechtzeitig vor Stilllegung des KKW Philippsburg in Betrieb geht. Der Konverter in Osterath ist zudem eine weitere Blindleistungsquelle im Rhein-Ruhrgebiet und sorgt somit für eine höhere Netzstabilität in der Region.

Ziel des Korridors A ist es, die Einspeisung erneuerbarer Energien mit der Gewährleistung notwendiger Grundlast zu kombinieren. Der Endpunkt der Maßnahme 02 in Süddeutschland ist so gewählt, dass dort der Antransport von Strom aus dem Norden den Wegfall verschiedener Kernkraftwerke als Erzeugungsanlagen kompensiert. Dies geschieht mittel- bis langfristig über die Anbindung der Offshore-Windenergie. Bis die benötigten Strommengen aus Offshore-Windenergie zur Verfügung stehen, bedarf es in der kurzen Frist einer grundlastfähigen Reserve. Diese gewährleistet die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in den süddeutschen Verbrauchszentren, die durch die Abschaltung der Kernkraftwerke gefährdet ist. Als grundlastfähige Reserve kommen hierbei sowohl Braunkohlekraftwerke als auch Stromimporte in Frage. In windschwachen Zeiten bzw. bis zum vollständigen Ausbau der Offshore-Windkraft kann der dort erzeugte Strom über die Maßnahme 02 nach Süden transportiert werden, ohne erhebliche zusätzliche Erweiterungen im Drehstromnetz erforderlich zu machen. Insofern ist eine optimale Auslastung des Korridors A in Zeiten geringer wie starker Erzeugung aus erneuerbaren Energien gewährleistet.

Die Einspeisung von Braunkohlestrom hat dabei grundsätzlich Nachrang gegenüber den erneuerbaren Energien. Vielmehr wird Braunkohlestrom nur dann erzeugt, wenn es aus Sicht des Kraftwerksbetreibers wirtschaftlich sinnvoll ist. Wegen des gesetzlichen Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien ist das in der Regel erst dann der Fall, wenn keine Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht. Insofern kommt es zu keiner "Verdrängung" erneuerbarer Energien durch Braunkohlestrom oder importierten Strom.

§ 14g Abs. 1 Satz 2 UVPG verpflichtet die BNetzA, im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung vernünftige Alternativen zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. Es muss sich bei den zu prüfenden Alternativen um realistische und realisierbare Planungsvarianten handeln, mit denen die Planungsziele gleichermaßen erreicht werden können.

Die BNetzA hat den Entwurf des NEP auf Alternativen hinsichtlich der Szenarien geprüft und kam dabei zu dem Schluss, dass das Szenario B 2022 am günstigsten ist. Dieses Szenario erfordert die kürzeste Leitungslänge für den von der Bundesregierung zum Ziel gesetzten Stromtransportbedarf.

Zudem hat die BNetzA die zu verwendenden Übertragungstechnologien auf Alternativen hin überprüft. Die BNetzA schlussfolgert, dass eine Kombination aus Wechselstrom- und HGÜ-Leitungen die sachgerechteste Lösung darstellt -- auch unter Umweltgesichtspunkten. Auf diese Weise wird die Transportaufgabe mit der geringstmöglichen Leitungslänge erfüllt und es entstehen im Vergleich zu einem Wechselstrom-Overlaynetz wesentlich geringere elektrische und magnetische Feldstärken. Die Kombination aus Wechselstrom- und HGÜ-Leitungen stellt zudem die kostengünstigste Variante dar.

Über die durchgeführten Alternativbetrachtungen hinaus war die weitere Untersuchung von Alternativen im Rahmen der Aufstellung des Netzentwicklungsplans sowie des Bundesbedarfsplanentwurfs 2012 nicht möglich. Diesem Vorgehen stand für die erstmalige Aufstellung des Bundesbedarfsplanentwurfs die erhebliche Komplexität der energiewirtschaftlichen Bedarfsermittlung entgegen. Der Komplexitätsgrad ist einzigartig und nicht vergleichbar mit anderen Plänen, die einer Strategischen Umweltprüfung bedürfen. Den Übertragungsnetzbetreibern war es angesichts der gesetzlichen Fristen und der Komplexität der Aufgabe nicht zumutbar, mehrere alternative Netzentwicklungspläne vorzulegen.

Ebenso war es nicht zumutbar im Sinne von § 14f Absatz 2 Satz 2 UVPG, im Rahmen der erstmaligen Aufstellung des Netzentwicklungsplans und des Bundesbedarfsplans eine Alternativenprüfung zu den einzelnen Maßnahmen durchzuführen. Die Veränderung eines Vorhabens führt regelmäßig zu Veränderungen bei einer Vielzahl weiterer Vorhaben. Hierdurch würde eine vollständige Neuberechnung des Netzentwicklungsplans erforderlich.

Die Prüfung von Alternativen erfolgt in den nachgelagerten Stufen. Über die Festlegung von Trassenkorridoren sowie anschließend durch die Bestimmung des konkreten Trassenverlaufs (einschließlich Maststandorte, Zufahrtswege, Nebenanlagen) wird auf nachfolgenden Planungsstufen, der Bundesfachplanung bzw. Raumordnung sowie der Planfeststellung, entschieden. Dort findet eine Alternativenprüfung zu Trassenkorridoren, zu konkreten Trassenverläufen, Maststandorten usw. statt. Dies wird im Rahmen der strategischen Umweltprüfung zum Bundesbedarfsplan berücksichtigt. Der Untersuchungsraum (Ellipsen) für die Umweltprüfung ist so gewählt, dass möglichst viele in Betracht kommende alternative Trassenverläufe, über die erst auf nachfolgenden Planungsstufen entschieden wird, erfasst werden. Alternativenprüfungen erfolgen im Zuge des Gesamtverfahrens der Stromnetzplanung auf den dem Bundesbedarfsplan folgenden Planungsebenen durch Prüfung von Korridor- und Trassenalternativen.

In allen Verfahren wird dabei die Öffentlichkeit beteiligt, sie kann ihre Anregungen in den jeweiligen Planungsschritt einbringen.

Der zügige Ausbau der Stromnetze ist die vordringlichste Aufgabe für den erfolgreichen Umbau der Energieversorgung. Wer A sagt und erneuerbare Energien haben will, muss auch B sagen und dem beschleunigten Ausbau der Netze zustimmen. Wind- und Sonnenstrom zu produzieren, der nicht zu den Verbrauchern transportiert werden kann, ist nicht nur nutzlos und teuer, sondern gefährdet auch die Stabilität der Versorgungsnetze. Dabei ist auch klar: Ohne ausreichende Akzeptanz in der Bevölkerung steht das gesamte Vorhaben auf der Kippe. Daher ist es wichtig, die Bürger frühzeitig mit ins Boot zu holen und ihnen in den einzelnen Schritten der Planungsprozesse die Möglichkeit zur Beteiligung zu geben. Der Umstieg auf Erneuerbare ist ein Mammutprojekt und kann nur dann gelingen, wenn alle Beteiligten - Bürger, Wirtschaft und Politik - an einem Strang ziehen.

Gerne höre ich dazu Ihre Bewertung und stehe Ihnen für einen sachlichen und konstruktiven Dialog jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer