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Joachim Pfeiffer
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Frage von Regine F. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Regine F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

ich fordere Sie dringend auf, gegen die Gesetzesvorlage zur Vorratsdatenspeicherung zu stim- men. Ich bin wahrlich kein Sicherheitsfanatiker, aber das letzte bißchen Anonymität muß gewahrt bleiben. Wir sind ohnehin ein totaler Überwachungsstaat über alle Maßen hinaus! Die derzeiti- gen Verstöße der unionsgeführten Politik gegen Gesetze sind ein Hohn gegen das Volk, das diese Damen und Herren eigentlich vertreten soll. Zudem sollen die Verstöße am Volk vorbei so unbemerkt wie möglich realisiert werden. Zu nennen ist u.a. die Gesetzesvorlage zur Vorratsda- tenspeicherung. Noch wesentlich schlimmer und kaum noch steigerungsfähig empfinde ich den ESM-Vertrag, der die Finanzautonomie unseres Staates komplett aushebelt und unser Volk ent- gegen des mit der Einführung des EURO verankerten Stabilitätspaktes, keine Haftung für EU- Staaten in der Krise zu übernehmen, eben doch hemmungslos zur Haftungsübernahme zwingt. Es kann doch nicht wahr sein, daß unsere Volksvertreter so einen Vertrag durchwinken. Hier steht ohnehin nur noch dem Bundesrat die Möglichkeit zu, diesem Vertrag die Zustimmung zu verweigern.

Griechenland ist es mit einer höchst kriminellen Bilanzfälschung in die Eurozone aufgenommen worden. Wie war so etwas möglich, wo doch hochbezahlte Sachverständige die Einhaltung der Kriterien überwachen sollten? Wieso wird keiner der Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen für das vollständige Versagen? Und wie will die Politik uns erklären, warum wir hart arbeitenden Deutschen für die illiquiden Länder Europas aufkommen sollen bzw. uns selbst ins finanzielle Elend zu stürzen, denn sofern der ESM-Vertrag so abgesegnet durchgeht, wird sehr wahrschein lich genau das passieren! Aber klar, niemand aus der Politik brauchte sich je zu rechtfertigen, geschweige denn, daß jemals einer zur Verantwortung gezogen wurde.

Für eine Beantwortung bzw. Meinungswiedergabe bedanke ich mich vorab ganz herzlich.

Freundliche Grüße
Regine Fuchs

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Sehr geehrte Frau Fuchs,

Sie fordern mich auf, gegen die Gesetzesvorlage zur Vorratsdatenspeicherung zu stimmen und halten den ESM-Vertrag für eine Aushebelung der Finanzautonomie unseres Staates.

Zunächst weise ich zum Thema Vorratsdatenspeicherung allgemein auf Folgendes hin: Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich war, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, allein durch Nutzung solcher Flatratetarife Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Keineswegs geht es indes darum, jeden Internet- oder Telefonnutzer wie einen Straftäter zu behandeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 2. März 2010 auch nicht die Vorratsdatenspeicherung als solche, sondern nur deren konkrete Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt. Die gesetzgeberische Grundentscheidung, dass in bestimmten Fällen schwerwiegender Straftaten ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG möglich ist, hat es hingegen bestätigt. Es hat auch zugestanden, dass die Vorratsdatenspeicherung und der darauf gründende Verkehrsdatenabruf zur Aufklärung solcher Straftaten erforderliche und geeignete Ermittlungsinstrumente sind. Da das Gericht in seinen Urteilsgründen für die Korrektur der Regelungen klare Vorgaben gemacht hat, kann und muss aus Sicht von CDU und CSU zügig nachgebessert werden.

Die gegenwärtige Situation, in der die Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr gar nicht mehr eingesetzt werden kann, halte ich für nicht hinnehmbar. Von den kritischen Kommentaren aus Fachkreisen sei hier nur auf die Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbeamter vom 02.03.2010 hingewiesen. Dort wird u. a. befürchtet, dass das Recht und der Anspruch des Bürgers, nicht Opfer einer Straftat zu werden, erheblich reduziert werden. Das Urteil schütze den Täter, der sich der elektronischen Kommunikation bediene. Auch der Deutsche Richterbund und die Generalstaatsanwälte aller Länder halten den gegenwärtigen Zustand für nicht länger tolerierbar. Schließlich hat auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, erst jetzt wieder betont, dass in Deutschland ohne die Vorratsdatenspeicherung eine reale Sicherheitslücke besteht, die schleunigst geschlossen werden muss. Wir sind als CDU/CSU-Fraktion nicht bereit, uns dem Vorwurf auszusetzen, durch gesetzgeberisches Unterlassen die Sicherheit der Menschen zu gefährden.

Zudem schreibt auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Richtlinie 2006/24/EGdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt und verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG) die Vorratsdatenspeicherung vor. Diese Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, entsprechende innerstaatliche gesetzliche Vorschriften zu erlassen. Infolge des o.a. Urteils des Bundesverfassungsgerichts gibt es aber derzeit keine gültigen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie mehr. Die EU-Kommission hat Deutschland mit Schreiben vom 16. Juni 2011 daher für die Untätigkeit in dieser Sache nunmehr förmlich gerügt und die Bundesregierung aufgefordert, sich binnen zwei Monaten zu diesem Vorhalt zu äußern. Wir befinden uns damit unmittelbar vor einem Vertragsverletzungsverfahren, welches Deutschland teuer zu stehen kommen kann.

Die von der Kommission angekündigte Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kann aus meiner Sicht ebenfalls kein Grund sein, mit der Umsetzung weiter zu warten. Darauf hat die Kommission sehr deutlich hingewiesen. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass das von der Justizministerin propagierte „Quick-freeze“-Verfahren kein geeigneter Weg ist und auch die Überarbeitung der Richtlinie nicht in diese Richtung gehen wird.

Nun zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM):
Ich möchte deutlich festhalten, dass ich Ihre Sorgen über die Lage der gemeinsamen europäischen Währung sehr gut nachvollziehen kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns derzeit an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden. Jetzt gilt es, die richtigen Lehren aus den Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu ziehen.

Der auf europäischer Ebene beschlossen ESM-Vertrag ist aus meiner Sicht ein guter und wichtiger Baustein im Gesamtgefüge der derzeit diskutierten Änderungen an den relevanten europäischen Regelungen und Verfahren.

Eine Währungsunion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Daher verbessern wir mit der Schärfung des Stabilitätspakts und der Einführung des Euro-Plus-Pakts die Rahmenbedingungen für eine stabile und wettbewerbsfähige Währungsunion.

Akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder aber müssen kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden. Ein sonst möglicher Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die zielgerichtete Krisenhilfe sein. Und genau dafür brauchen wir einen verlässlichen und transparenten Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Unzutreffend ist Ihre Annahme, dass mit der Umsetzung des ESM das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages ausgehebelt und auf einen EU-Gouverneursrat verlagert wird. Das Haushaltsrecht ist und bleibt das Königsrecht des Parlaments. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages ist allen Abgeordneten ein zentrales Anliegen. Ich lege sehr großen Wert darauf, dass der Deutsche Bundestag allen Vereinbarungen mit finanzieller Auswirkung zustimmen muss.

Mit dem ESM wird auch keine Transferunion und keine Haftungsgemeinschaft eingerichtet werden. Hilfen für notleidende Euro-Staaten wird es nur im Einzelfall und unter strikten Bedingungen und Auflagen geben, nicht zuletzt unter Beteiligung der privaten Gläubiger. Natürlich sind Belastungen für die Steuerzahler nicht ausgeschlossen. Ich glaube aber, dass das Risiko auf das notwendige Mindestmaß beschränkt bleibt.

Insgesamt bin ich von der Notwendigkeit des ESM überzeugt und setze mich daher ausdrücklich für die Zustimmung zum ESM im Deutschen Bundestag ein.

Um die Krise erfolgreich zu meistern, hat vor allem aber eine Koordinierung der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik oberste Priorität. Europa hat die Chance, sich in den nächsten Wochen und Monaten zu einer Union zu entwickeln, die von einem gemeinsamen Stabilitätsgeist geprägt ist. Der gemeinsame europäische Geist wird dann gestärkt, wenn sich die Mitgliedsländer zu einer eigenverantwortlichen und zugleich solidarischen Gemeinschaft zusammenfinden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB