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Joachim Pfeiffer
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Frage von Lüder R. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Lüder R. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeifer,

woher das Umdenken? Fraktionszwang?
Keine "international übliche 60 Jahre Laufzeit" mehr?
Oder Ziel mit der Laufzeitverlängerung gegenüber dem Atom-Ausstiegs-KONSENS-Gesetz erreicht?
Auftrag erfüllt?
Über eine ehrliche Antwort - und damit meine ich nicht das vorformulierte Schreiben ihres Büros - würde ich mich freuen.

Ich bleibe dran.

Mit freundlichen Grüßen

Lüder Rathjen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Rathjen,

vielen Dank für Ihre erneute Kontaktaufnahme, diesmal über "Abgeordnetenwatch". Gerne erläutere ich Ihnen, aus welchen Gründen der Deutsche Bundestag das Atomgesetz Ende Juni 2011 geändert hat.

Nach dem Unfall in Fukushima (Japan) findet die Nutzung der Kernenergie in der deutschen Bevölkerung vermeintlich mehrheitlich keinen Rückhalt mehr. Ich akzeptiere, dass der Ausstieg aus der Kernenergie und der Umstieg auf die erneuerbaren Energien jetzt noch schneller erfolgen soll. Der im vergangenen Herbst beschriebene Weg wäre volkswirtschaftlich leichter und technisch einfacher gewesen, als der Weg den wir jetzt gehen. Fälschlicherweise wurde das Energieprogramm häufig nur auf die Laufzeitverlängerung reduziert. Die Kernenergie diente als Brückentechnologie, um den Umstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien mit rund 30 Mrd. Euro (Brennelementesteuer und vertragliche Abschöpfungen) zu finanzieren. Diese stehen so nicht mehr zur Verfügung, im Gegenteil, im Haushalt müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt werden, allein bis 2014 werden das mindestens 8 Mrd. Euro sein. Der Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 ist jetzt beschlossen. Die Energieversorgung wird noch schneller auf erneuerbare Energien umgestellt. Das zum Umbau der Energieversorgung notwendige Gesamtpaket ist am 30. Juni 2011 im Bundestag verabschiedet worden. Es gilt: Wer A sagt und noch schneller aus der Kernenergie aussteigt und den Umstieg auf die Erneuerbaren weiter beschleunigen möchte, muss auch B sagen. Aussteigen alleine reicht nicht, es geht auch darum, voll einzusteigen in den Ausbau der Netze und Speicher. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren werden durch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz verkürzt und somit effizienter. Die Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, aber ich befürchte, dass es nach wie vor nicht schnell genug geht. Dies gilt es ständig zu beobachten und gegebenenfalls nachzusteuern.

Im Rahmen des beschleunigten Umbaus des Energiesystems ist das Energiekonzept vom Herbst letzten Jahres jetzt fortentwickelt worden. Im Energiekonzept werden erstmals alle Sektoren, d.h. Strom, Wärme, Mobilität, die Nachfrageseite und die Angebotsseite, gleichermaßen umfasst und es ist ein breites Bündel von über 60 Maßnahmen festgelegt. Der Hauptanteil der Energieversorgung soll künftig aus erneuerbaren Energien stammen. Die Energieeffizienz soll im Zeitraum von 1990 bis 2020, also innerhalb von 30 Jahren, verdoppelt werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch soll von heute 16 Prozent bis 2020 auf 35 Prozent steigen. Bis 2050 wird der Anteil der erneuerbaren Energien auf 80 Prozent erhöht. Der Primärenergieverbrauch gegenüber dem Stand von 2008 soll bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent sinken. Ziel ist eine CO2-freie oder -arme Energieversorgung, indem die CO2-Emissionen gegenüber dem Stand von 1990 bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 sogar um 80 Prozent reduziert werden. Das im vergangenen Herbst vorgelegte Energiekonzept ist nach wie vor der weltweit ambitionierteste Ansatz zum Umbau des Energiesystems. Damit nimmt Deutschland eine weltweit einzigartige Spitzenposition ein.

Klar ist: Bezahlbare Energiepreise für den Industriestandort sind unabdingbar. Denn die energieintensive Industrie in Deutschland ermöglicht im Grundstoffbereich nicht nur den Bau von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und ist somit gerade auch auf dem Weg in das regenerative Zeitalter ein wichtiger Partner. Die Industrie stellt auch eine Million Arbeitsplätze in Deutschland zur Verfügung. Energieintensive Industrien müssen auch weiterhin eine Heimat in Deutschland haben. Wir dürfen nicht an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Der Umbau darf nicht zu Lasten der Industrie gehen. Es gilt: Eine verlässliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen ist unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt des Industriestandortes Deutschland. Der Umstieg darf nicht zu Lasten von Industrie und Arbeitsplätzen gehen. Die zusätzliche Kostenbelastung für alle Energieverbraucher muss begrenzt werden. Dennoch wird es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vermeiden lassen, dass Strom für uns alle teurer wird. Zweifelsohne ist deshalb gerade angesichts von Energiepreissteigerungen die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland ein Kernanliegen der christlich-liberalen Koalition. Denn die Steigerung der Effizienz und der technisch und wirtschaftlich sinnvolle Ausbau der erneuerbaren Energien ist ohne die Produkte, Investitionen und Innovationen der Industrie nicht denkbar. Der Umbau des Energiesystems ist schlichtweg ohne eine sichere und bezahlbare Energieversorgung nicht machbar. In der Umsetzung des Energiepakets liegt die Herausforderung für den Industriestandort Deutschland für die kommenden Jahre.

Eines steht fest: Wir werden auch künftig fossile Kraftwerke zur Versorgungssicherheit brauchen! Kohle- und Gaskraftwerke werden die bisher durch die Kernkraftwerke erbrachte Grundlastkapazität in Deutschland weitestgehend ersetzen müssen. Unsere Klimaziele werden schwerer zu erreichen sein. Die durch die Nutzung der Kernenergie jährlich vermiedenen 140 Mio. Tonnen CO2 müssen jetzt anderweitig eingespart werden müssen. Der ansteigende Ausstoß von Kohlenstoffdioxid führt schließlich auch zu einer Verteuerung der CO2-Zertifikate. Dies spiegelt sich signifikant im Strompreis wider, welcher schon jetzt bereits erkennbaren Preissteigerungen an der Börse von bis zu 15 Prozent unterliegt. Letztlich steigen die Kosten für die fest vergüteten und vorrangig eingespeisten erneuerbaren Energien, die sich in der EEG-Umlage mit mindestens 3,53 Cent (2011) pro Kilowattstunde wiederfinden. Zusatzbelastungen entstehen auch durch den dringend notwendigen Netzausbau in Deutschland. Deutliche Energiepreissteigerungen sind eine Herausforderung. Technisch ist der Umstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien machbar, aber nicht zum Nulltarif zu haben. Der Umbau des Energiesystems wird jetzt für alle teurer. Deshalb gilt es, Transparenz zu schaffen und dem Bürger Zusammenhänge aufzuzeigen. Dafür sind intelligente Zähler die wesentliche Grundlage. Zukünftig kann jeder Stromverbraucher auf seiner Rechnung nachvollziehen, dass der Ausbau der Erneuerbaren und der Netzausbau Zusatzkosten verursacht, die den Strompreis erhöhen werden.

Der Umstieg auf die erneuerbaren Energien erfolgt jetzt und fordert einiges ab. Es müssen dringend Netze und Speicher ausgebaut werden, sonst ist der Umbau schlichtweg nicht möglich. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren werden durch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz effizienter. Ein Bundesnetzplan, der bestimmte Vorhaben priorisiert, ist dafür die zentrale Voraussetzung. Die erneuerbaren Energien werden zunehmend sichtbar und das Landschaftsbild verändert sich. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist die Voraussetzung für den Umbau des Energiesystems. Denn auch der effiziente Energieeinsatz und vor allem die Energieeinsparung im Gebäudebereich ist jetzt geboten. Die Erhöhung der Energieeffizienz in Deutschland ist der Schlüsselbereich für die zukünftige Entwicklung. Denn der Gebäudebestand weist erhebliche Potentiale zur Energie- und CO2-Einsparung auf. Zukünftig muss der Energieeinsatz hier effizienter werden. Die christlich-liberale Koalition hat darum das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf 1,5 Mrd. Euro pro Jahr aufgestockt.

Durch den ambitionierten Plan, den die christlich-liberale Koalition auf den Weg bringt, werden wir Vorreiter ins regenerative Zeitalter. Die erneuerbaren Energien sind eine Chance. Es entsteht regionale Wertschöpfung vor Ort. Handwerk und Mittelstand können auch im Bereich der Gebäudesanierung kreative Lösungen anbieten und damit vom Umbau der Energieversorgung profitieren. Durch innovative Technik wird Deutschland Impulsgeber für die Welt. Schließlich ist das neue Energiesystem ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und ein Beitrag zu heimischer Versorgung. Dies ist mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und dem Energiekonzept vorgezeichnet und wird jetzt kraftvoll und mutig umgesetzt. Dieser ambitionierte energiepolitische Weg ist eine Herausforderung. Der Umstieg ist maßvoll und verträglich zu gestalten, denn die Energieversorgung muss auch in Zukunft sauber, sicher und bezahlbar sein. Die Union als Kraft der Vernunft und mit ihrer Wirtschaftskompetenz ist aufgerufen dafür zu sorgen, dass das Energiepaket vernünftig umgesetzt wird. Die eigentliche Arbeit ist jetzt nicht beendet, sondern fängt gerade erst an.

Ich freue mich auf Ihre konstruktiven Beiträge.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB