Frage von Nils B. •

Warum tragen Sie als Mitglied der Regierungskoalition die Abschaffung der Isolationspflicht für Covid-Infizierte mit, obwohl die Hospitalisierungsinzidenz seit langem die höchste Warnstufe ausweist?

Sehr geehrter Herr Balke,

vor den Wahlen hat Ihre Partei für eine vorsichtige Corona-Politik plädiert.
Noch Anfang Juli haben Sie sich nach Medienberichten der Lübecker Nachrichten angesichts von Mutationen und der Belastung des Gesundheitssystems gegen einen Ausschluss von Maßnahmen ausgesprochen.
Angesichts der weiter erkennbar hohen Belastung des Gesundheitswesens, bin ich enttäuscht erkennen zu müssen, dass Ihnen die Eindämmung der Corona-Pandemie anscheinend kein Anliegen mehr ist und Sie darüber hinaus Maßnahmen ergreifen, die mir geeignet erscheinen, eine Durchseuchung der Bevölkerung zu beschleunigen. Maßnahmen im Bereich Corona, deren Zeitpunkte und Folgen bleiben für mich maßgebliche Kriterien für die Beurteilung politischer Akteure.

Mit freundlichen Grüßen

Ein (vermutlich ehemaliger) Wähler (Ihrer Partei)

Das Bild zeigt Jasper Balke ab dem Oberkörper in einem roten Pullover, im Hintergrund sind Häuser und eine Straße zu sehen.
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr B.,

zum damaligen Zeitpunkt war die Debatte um eine Abschaffung der Isolationspflicht sehr intensiv und vielschichtig. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie zerrissen auch ich selbst in Bezug auf diese Frage war und möchte Ihnen gerne die Gründe für diese Entscheidung darlegen und mit aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen in Bezug auf Long- und Post-Covid, ME/CFS und Post-Vac verbinden.

Die Isolationspflicht war ein geeignetes Mittel, um mit Covid19 infizierte Patientinnen und Patienten zur Minderung des Übertragungsrisikos 5 Tage lang zu isolieren und von anderen Patientinnen und Patienten fern zu halten. Gerade bei hohen R-Werten und zum Schutz vulnerabler Gruppen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hatte sich das Instrument der Isolationspflicht bewährt. 

Bei sinkenden Fallzahlen gegen Ende 2022 wurden jedoch die Appelle der Gesundheitseinrichtungen und insbesondere des Personals immer lauter, die Isolationspflicht als striktes Instrument fallen zu lassen, weil der Mehraufwand für das Personal nicht mehr im Verhältnis zum Nutzen der Eindämmung und des Schutzes vulnerabler Gruppen stand. Zum damaligen Zeitpunkt bewertete die Landesregierung - und damit auch die Grünen - die notwendige Entlastung des Personals durch die Abschaffung des Isolationspflicht in der aktuellen Lage des Infektionsgeschehens als zumutbar und sachgerecht, obgleich es - wie Sie richtig formulieren - auch kritische Stimmen gab. Auch ich habe mich sehr schwer mit der Entscheidung getan, obwohl sich eine Mehrheit der Expertinnen und Experten in einer Anhörung des Sozialausschusses des Landtages im November 2022 dafür ausgesprochen hatte.

Während zum Zeitpunkt Ihrer Frage die Abwägung zwischen individueller Freiheit und Eindämmung des Infektionsgeschehens der Mittelpunkt der politischen Diskussionen war, beschäftigen mich heute vor allem die Folgen der Coronapandemie, die für ganz viele Menschen in diesem Land noch nicht vorbei ist.

Ich setze mich deshalb dafür ein, Betroffene von Long-Covid und ME/CFS durch Forschung, ausreichende Gesundheitsversorgung, Entstigmatisierung und Sichtbarkeit zu unterstützen und werbe in der Gesellschaft dafür, die Lehren aus der Pandemie nicht zu vergessen. Auch ist für mich die Erinnerung an Entscheidungen wie die zur Abschaffung des Isolationspflicht extrem wertvoll, um für zweifelsfrei kommende Pandemien vorbereiteter in solche Abwägungen zu gehen.

Ich entschuldige mich vielmals für die verspätete Antwort und stehe gerne unter buero@jasper-balke.de für Fragen zu aktuelleren Themen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Jasper Balke

Was möchten Sie wissen von:
Das Bild zeigt Jasper Balke ab dem Oberkörper in einem roten Pullover, im Hintergrund sind Häuser und eine Straße zu sehen.
Jasper Balke
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN