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Frage von Paula R. •

Frage an Ismail Ertug von Paula R. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Guten Tag Herr Ertug,

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die menschenunwürdigen Lager auf den griechischen Inseln aufgelöst werden, Europäisches Recht beim Umgang mit Geflüchteten endlich eingehalten wird und die humanitäre Katastrophe auf Lesbos durch die Verteilung aller Geflüchteten auf die aufnahmebereiten Mitgliedsstaaten ein Ende findet? Wenn ja, auf welche Weise setzen Sie sich dafür ein?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Radon,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13.09.2020.

Die Situation der Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln ist seit langem katastrophal und untragbar. Der Corona-Ausbruch im Lager Moria hat diese Situation nochmals verschlimmert. Über 12.000 Menschen mussten unter untragbaren hygienischen Bedingungen in Quarantäne leben, in der sie keine Möglichkeit hatten, sich vor dem Virus zu schützen. Die verheerenden Feuer haben das Versagen der EU-Mitgliedstaaten deutlich offengelegt.

Seit Monaten setzen wir Sozialdemokrat:innen im Europäischen Parlament dafür ein, das Lager zu evakuieren. Gemeinsam mit mehr als 160 Kolleg:innen aus dem Europäischen Parlament habe ich einen Brief an die EU-Kommission und Bundesinnenminister Horst Seehofer unterzeichnet, der schnelle konkrete humanitäre Hilfe vor Ort und die Evakuierung der Geflüchteten aus Moria und eine Aufteilung auf die Mitgliedsstaaten fordert.

Allein in Deutschland haben sich mehr als 140 Kommunen bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen. Bundesinnenminister Seehofer muss umgehend den Weg frei machen, dass diese sofort helfen können. An einer europäischen Lösung zu arbeiten schließt nicht aus, parallel auf die humanitäre Aufnahmebereitschaft deutscher Städte einzugehen und im Sinne der schutzsuchenden Menschen zu handeln.

Die verheerenden Brände in Moria sind das Ergebnis jahrelanger gescheiterter EU-Flüchtlingspolitik. Man kann sich seit Jahren nicht auf einen Verteilungsmechanismus einigen. Nicht einmal die Umsiedlung der versprochenen 1.600 unbegleiteten Minderjährigen wurde umgesetzt. Die Feuer im Lager Moria beleuchten klar die Lage der Europäischen Union. Wir wissen sehr genau, wer da versagt: Die Staats- und Regierungschefs sind nicht fähig, sich für Menschlichkeit und Solidarität mit den Schutzsuchenden zu entscheiden. Darunter sind viele, die aus Rücksicht auf rechtspopulistische, rassistische oder ausländerfeindliche Stimmungen solidarische Lösungen blockieren.

Nicht zuletzt ruft die aktuelle verheerende Entwicklung schmerzhaft in Erinnerung, dass die EU-Asylreform seit Jahren überfällig ist. Der neue Migrationspakt, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits für Anfang 2020 zugesagt hat, steht noch immer aus. Wir erwarten für die kommende Woche endlich Vorschläge. Die Europäische Kommission muss endlich Taten sprechen lassen, damit jene EU-Staats- und Regierungschefs in die Schranken gewiesen werden, die sich immer noch weigern, sich für solidarische Lösungen einzusetzen. Unter anderem verspricht die Kommissionpräsidentin legale Wege nach Europa zu schaffen. Das wäre richtig - aber ob die EVP-Regierungschefs sie das umsetzen lassen, darf bezweifelt werden.

Ich erwarte, dass die deutsche Ratspräsidentschaft die EU-Innenminister versammelt und die Menschen endlich aus dem Lager evakuiert werden. Gerade ein starkes Land wie Deutschland kann hier mit einem deutlichen Signal vorangehen. Deutschland muss die Ratspräsidentschaft dafür nutzen humanitäre und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Ein neues Elendslager auf Lesbos ist keine „europäische Lösung“. Wir brauchen ein faires, funktionierendes Asylsystem sowie die humanitäre Unterstützung für die Geflüchteten und Helfer:innen vor Ort. Das Schicksal von Schutzsuchenden darf nicht weiter von einer einstimmigen Einigung aller Mitgliedsstaaten abhängen. Wir wollen schnellstmöglich einen verpflichtenden Verteilungsmechanismus, der die Mitgliedsstaaten an den Außengrenzen entlastet und den Schutzsuchenden das Recht auf Einzelfallprüfung garantiert.

Mit freundlichen Grüßen

Ismail Ertug, MdEP