Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Genozid-Vorwürfen gegenüber Israel und wie soll die palästinensische Bevölkerung beschützt werden?

Sehr geehrter Herr Z,
trotz der dramatischen humanitären Lage in Gaza hat Israel selbstverständlich das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen und die verbliebenen Geiseln zu befreien. Das humanitäre Völkerrecht verpflichtet aber alle Konfliktparteien zum bestmöglichen Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten in einer bewaffneten Auseinandersetzung. Terrororganisationen wie die Hamas, die die Bevölkerung als Schutzschild nutzen, begehen damit schwere Kriegsverbrechen. Doch auch Israel muss bei seinem Vorgehen gegen die Hamas die Verhältnismäßigkeit wahren und darf nicht das Leid hunderttausender unschuldiger Menschen in Kauf nehmen.
Mit großer Sorge beobachte ich die dramatische Verschärfung der Krise in Gaza. Die Offensive der israelischen Streitkräfte fordert erneut zahlreiche zivile Opfer. Pläne, die palästinensische Bevölkerung umzusiedeln und Gebiete in Gaza zu annektieren, sind völkerrechtswidrig.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Regierung müssen die humanitäre Hilfe wieder ungehindert zulassen. Beide Seiten müssen unverzüglich Gespräche über eine Waffenruhe aufnehmen. Langfristige Sicherheit entsteht nur im Einklang mit Recht und Menschlichkeit.
Die Sicherheit Israels ist Teil der deutschen Staatsräson. Dies ist eine zentrale Lehre aus den deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Nie wieder darf es eine Welt geben, in der Jüdinnen und Juden keinen Zufluchtsort vor Antisemitismus und systematischer Gewalt finden können. Die unerschütterliche Verbindung und Verantwortung Deutschlands gilt einem Israel in den Grenzen von 1967, einem Israel, das auf den Grundfesten der israelischen Unabhängigkeitserklärung und des internationalen Rechts ruht.
Doch militärische Stärke allein wird Israel keinen Frieden bringen. Auch die Palästinenserinnen und Palästinenser müssen in Sicherheit leben können. Unser Ziel bleibt eine dauerhafte friedliche Koexistenz zweier souveräner und lebensfähiger Staaten im Wege einer Verhandlungslösung. Dazu gehört ein Stopp des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus Israels in den palästinensischen Gebieten. Mit den Partnern in der Region sucht Deutschland nach diplomatischen Lösungen des Konflikts. So begrüße ich den Vorschlag der arabischen Staaten für den Wiederaufbau und die Sanierung von Gaza. Der Plan eröffnet einen realistischen Weg zu einer raschen und nachhaltigen Verbesserung der katastrophalen Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen.
Das Leid auf beiden Seiten der Konfliktparteien ist unerträglich. Wir fordern daher die Verantwortlichen mit Nachdruck auf, die Kampfhandlungen sofort zu beenden, die Geiseln freizulassen und unverzüglich ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Mann