Wie will die SPD den Einbruch im Wohnungsbau stoppen, wenn Haushaltsdisziplin Vorrang vor öffentlicher Nachfrage hat – und wie soll verhindert werden, dass Verantwortung an Kommunen delegiert wird?
Sehr geehrter Herr Bollmann,
der HCOB-Bauindex (Sept 2025, PMI 46,2) zeigt: Der Wohnungsbau bleibt im Abschwung. Laut MPIfG-Analyse (Die neue Wohnungsfrage, Schularick et al., 2020) wurzelt die Krise in jahrzehntelanger Unterinvestition, Bodenpreisblasen und fiskalischer Enge.
Baugenehmigungen allein genügen nicht, wenn effektive Nachfrage fehlt. Der Verweis auf Kommunen greift zu kurz: Kommunen agieren im Rahmen von Schuldenbremse, Förderarchitektur und Bundeshaushalt. Eine sozialdemokratische Wohnungspolitik sollte makroökonomisch denken – mit gezielten öffentlichen Bauinvestitionen, Bodenfonds und konsequenter Aktivierung ungenutzter Flächen.
Meine Fragen an Sie:
- Plant Ihre Fraktion ein Sondervermögen „Wohnen“, um Nachfrage und Bauleistung zu stabilisieren?
- Wie will die SPD Kommunen und Länder befähigen, brachliegende Flächen gemeinwohlorientiert zu mobilisieren?
- Woran können wir Sie persönlich am Ende der Legislatur messen – an neuen Wohnungen oder an der Sparquote?
Sehr geehrter Herr. L.,
Vielen Dank für Ihre Fragen und Ihre Analyse der Situation im Wohnungsbau. Ich möchte an dieser Stelle die Situation nicht schönreden, im Gegenteil. Insbesondere Mieter: innen leiden aktuell unter der Wohnungsknappheit. Mehr als ein Drittel der Mieterhaushalte ist durch Wohnkosten deutlich überlastet und zahlt mehr als 40 % seines Einkommens für Miete und Heizkosten.
Auch da gebe ich Ihnen recht: Baugenehmigungen sind nicht die alleinige Lösung für die Wohnungsproblematik. Es kommt auf einen Instrumentenmix an, der an verschiedenen Stellen ansetzt. Baugenehmigungen sind dabei aber ein wichtiger und zentraler Baustein.
Das Kernproblem ist, dass wir in Deutschland zu teuer, zu kompliziert und zu langsam bauen. Wir müssen die Verfahren vereinfachen, die Bauzeiten verkürzen und die Kosten senken, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Mit dem neuen Bau-Turbo, den wir gleich zu Beginn der neuen WSP auf den Weg gebracht haben, führen wir ein neues, mutiges Instrument ein: eine Experimentierklausel, die eine Chance für unsere Städte und Kommunen ist. Das ist ein Stück pragmatischer Fortschritt, den sich viele für unser Land wünschen.
Die von Ihnen angesprochene Stabilisierung von Nachfrage und Bauleistungen ist bereits Teil unseres Instrumentenpakets. Neben schnelleren Baugenehmigungen wollen wir die Nachfrage entsprechend steigern, indem wir den sozialen Wohnungsbau massiv ausweiten, eine Reihe von Förderprogrammen auflegen bzw. verbessern, die Genossenschaftswohnungen fördern und die Wohngemeinnützigkeit neu aufstellen.
Der soziale Wohnungsbau wird schrittweise deutlich erhöht. Für 2025 stehen Programmmittel von 3,5 Milliarden Euro bereit. Für 2026 sind 4 Milliarden Euro vorgesehen, für 2027 5 Milliarden Euro und für 2028 und 2029 jeweils 5,5 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch eine Ver-dopplung der Mittel für das Programm Junges Wohnen (1 Milliarde Euro).
Übrigens: Die Bundesländer stellen im Jahr 2025 insgesamt mindestens 7 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Diese Mittel setzen sich aus Bundesmitteln und den jeweiligen Landesanteilen zusammen.
Unsere Neubauprogramme "Klimafreundlicher Neubau" (2025 und 2026 jeweils 1,1 Milliarden Euro), "Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment" (2025 und 2026 jeweils 650 Milli-onen Euro) und "Wohneigentumsförderung für Familien" (2025 und 2026 jeweils 250 Millionen Euro) sind Teil des neuen Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität undkurbeln ebenfalls die Nachfrage an ausgebracht werden.
Ebenfalls im neuen Sondervermögen vorgesehen sind Programmmittel für die Sanierungsprogramme „Jung kauft Alt“ (2025 und 2026 jeweils 350 Millionen Euro) und "Gewerbe zu Wohnen" (geplant unterjähriger Start 2025 mit 60 Millionen Euro und 2026 mit 360 Millionen Euro).
Wie will die SPD-Kommunen und Länder befähigen, brachliegende Flächen gemeinwohlorientiert zu mobilisieren?
Auf Druck der SPD wurde im Rahmen unserer Regierungsverantwortung bereits in der 19. Wahlperiode die Verbilligungsrichtlinie verabschiedet. Die Verbilligungsrichtlinie regelt, dass Kommunen und kommunale Unternehmen Grundstücke der BimA bevorzugt und verbilligt erwerben können – vor allem für Zwecke wie:
• Sozialer Wohnungsbau
• Bildungseinrichtungen
• Kitas
• Grünflächen oder öffentliche Infrastruktur
Des Weiteren setzen wir uns dafür ein, dass in der anstehenden großen Baugesetznovelle eine Regelung beschlossen wird, die es den Kommunen ermöglicht, für bestimmte Flächen ein Vorkaufs- bzw. Vorgriffsrecht zu erwerben, um sie dem spekulativen Markt zu entziehen.
Woran können wir Sie persönlich am Ende der Legislatur messen – an neuen Wohnungen oder an der Sparquote?
Eindeutig an hoffentlich vielen neuen bezahlbaren Wohnungen. Ich bin optimistisch, dass uns das Gelingen wird.
Allein dasas Sondervermögen kann wichtige Impulse für den Wohnungsbau geben, insbesondere im sozialen und klimafreundlichen Segment. Vom Sondervermögen erhalten die Länder und ihre Kommunen 100 Milliarden Euro. Dieses Geld soll u.a. auch in den Bau von Wohnungen fließen.
Allerdings reicht Geld allein nicht ausUm die Baukosten zu senken, werden wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter beschleunigen und auf serielles sowie modulares Bauen setzen und die Digitalisierung vorantreiben
Mit der Einführung des neuen Gebäudetyps E wird auf nicht zwingende notwendige Baustandards verzichtet werden und Kostensenkungspotenziale genutzt.
Die Politik liefert, setzt stabile Rahmenbedingungen und eine Strauß von Maßnahmen und Förderprogramme.
Jetzt ist auch die Bauindustrie gefragt, ihren Beitrag zu leisten.
Die Bauindustrie kann nicht nur finanzielle Zuwendungen einstreichen, sondern muss auch mal liefern und in der Lage sein, bestimmte Engpässe
• zu verifizieren,
• zu beziffern und
• Lösungen anzubieten.
Hier zeigt z.B. die Luftfahrtindustrie wie Technikmanagement funktionieren kann.
Am Ende möchte ich noch ergänzen, dass wir in den letzten Tagen die Eckpunkte der BauGB Novelle vorgestellt haben, sowie die Eckpunkte des Gebäudetyps E.
Mit freundlichen Grüßen
Hendrik Bollmann

