Werden Sie sich bei der Abstimmung über die Impfpflicht daran erinnern, dass Sie einst sagten, dass alle Einschränkungen nach Impf-ANGEBOT fallen?

Sehr geehrte Frau V.,

angesichts immer stärker ansteckender Varianten des Corona-Virus hat sich die Situation in der Corona-Pandemie wiederholt verändert. Meine Hoffnung war lange, dass wir durch die freiwillige Impfkampagne eine hinreichende Immunität in der Bevölkerung erreichen können, die die Einführung erneuter Beschränkungen unnötig macht. Mit Delta und jetzt Omikron sind jedoch Varianten aufgetreten, die trotz der erreichten Impfquote von über 70% der Bevölkerung aufgrund ihrer ansteckenden Eigenschaften große Infektionswellen auslösen können. Es wird immer deutlicher, dass wir zur Bewältigung der derzeitigen Pandemie eine weitgehend vollständige Impfteilnahme der - vor dem Hintergrund der Krankenhausbelastung insbesondere älteren - Bevölkerung benötigen, um die Virusübertragung deutlich zu verringern und vielleicht sogar umfassend einzuschränken. Zur Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht empfehle ich Ihnen die sehr ausgewogene Ad-Hoc-Stellungnahme des Deutschen Ethikrates vom 22. Dezember 2021. Darin wird sehr deutlich, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat hohe Hürden für eine Impfpflicht gibt, dass es in einer Pandemie aber gleichzeitig sehr hohe Schutzgüter gibt, wie das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung sowie im speziellen die Überlastungssituation im Gesundheitswesen. Mir ist es äußerst wichtig, dass wir genau abwägen, ob die Bewältigung dieser schweren Pandemie ohne eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht möglich ist. Außerdem ist zu betonen, dass eine solche Pflicht nur Teil einer Gesamtstrategie sein kann, die außerdem erhebliche Anstrengungen beinhaltet, Menschen von einer freiwilligen Impfung zu überzeugen. Ich wünsche mir eine sachliche, rechtlich, ethisch und epidemiologisch ausgewogene Diskussion darüber, ob und in welcher Form eine Ausweitung der Impfpflicht notwendig und geeignet ist, um die Pandemie zu beherrschen.

Mit freundlichen Grüßen
Helge Braun