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Frage von Stefan N. •

Frage an Gustav Herzog von Stefan N. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Herzog,

wenn ich richtig informiert bin wird von der Bundesregierung bald ein neuer Bundesverkehrswegeplan veröffentlicht. Wie ich auf Ihrer Internetseite sehen konnte sind die im Verkehrsausschuss Berichterstatter zu diesem Thema.

Dazu meine Frage: Ist es wirklich so, dass in den neuen Bundesverkehrswegeplan auch unwirtschaftliche Infrastrukturprojekte aufgenommen werden sollen? Das wäre ja eigentlich unvorstellbar, schließlich geht es hier um Steuergelder. Der im Bundesverkehrsministerium zuständige Parlamentarische Staatsekretär Enak Ferlemann (CDU) hat sich aber so geäußert:

http://www.ihk-wirtschaft-online.de/index.php/produkte-und-maerkte/item/752-lueckenschluesse-haben-prioritaet

Unterstützen Sie bzw. die SPD ein solches Vorgehen? Wenn ich es richtig verstanden habe, wird der Bundesverkehrswegeplan ja nicht allein ein Produkt des Bundesverkehrsministerium, sondern von der Bundesregierung. Aus welchem Grund ließe sich die Umsetzung unwirtschaftlicher Projekte begründen? Gibt es relevante Wirkungen, die in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nicht berücksichtigt werden? Ist die Umsetzung solcher Projekte nach Bundeshaushaltsordnung überhaupt möglich?

Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Neumann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Neumann,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anfrage zu unwirtschaftlichen Projekten im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2015 (BVWP 2015). Als Hauptberichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion antworte ich Ihnen gerne.

Im Kern berührt Ihre Frage eine sehr komplexe Thematik. Was kann, darf und muss der Staat für unser aller Gemeinwesen tun und an welchen Leitlinien hat er sich dabei zu orientieren. Das lässt sich nicht in diesem Rahmen in der gebührenden Ausführlichkeit beantworten, doch Wirtschaftlichkeit darauf zu reduzieren, das eine Investition mehr erwirtschaftet als sie kostet, wird der Sache nicht gerecht. Das Methodenhandbuch zur „Überprüfung und Weiterentwicklung der Nutzen-Kosten-Analyse im Bewertungsverfahren der Bundesverkehrswegeplanung“ ist allein ein Werk von über 600 Seiten. Sie sehen, man macht es sich nicht einfach – und doch stößt das System immer wieder an seine Grenzen.

Ich möchte es an einem Beispiel verdeutlichen. Die Elbe ist ein frei fließender Fluss, der die tschechische Republik an den Hochseehafen Hamburg anbindet, ebenso wie die Wirtschaftsräume in fünf Bundesländern. Maßnahmen zur Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen auf der Elbe sind hochgradig umstritten (möchte ich hier auch gar nicht bewerten) und in der Nutzen-Kosten-Betrachtung wahrscheinlich recht fragil, da es eine bestehende und nicht vollständig ausgelastete Bahnverbindung gibt. Dennoch gibt es Unternehmen, die auf das Binnenschiff zwingend angewiesen sind, die Produkte herstellen, die aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts auf keinen Zugwaggon passen.

Was passiert nun, wenn wir nicht mehr in die Elbe investieren? Was geschieht mit Wirtschaftsräumen, deren Leistungsträger abwandern, wie teuer kommt den Staat Dauerarbeitslosigkeit oder das Aufrechterhalten von Infrastruktur in Gebieten mit erodierter Wirtschaftskraft? Wie interpretiere ich unser Grundrecht auf Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet? All dies lässt sich nicht in einem Faktor abbilden. Daher sind die Begriffe Wirtschaftlichkeit bzw. Unwirtschaftlichkeit nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr sehe ich hier das Primat der Politik und ihre Gestaltungshoheit vorrangig. Die Bundeshaushaltsordnung setzt jedoch für Investitionen des Bundes richtigerweise ein Nutzen-Kosten-Verhältnis größer eins als erforderlich voraus. Daher kann bzw. darf der Gesetzgeber sich nur in begründeten Ausnahmefällen und nur auf gesetzlicher Ebene, also nach Durchlauf eines geregelten parlamentarischen Verfahrens darüber hinwegsetzen.

Um Ihre Frage also kurz zu beantworten, ja, wir unterstützen im Einzelfall auch als unwirtschaftlich eingestufte Maßnahmen, sofern sie gut zu begründen sind. Beispielsweise unterstützt allein der Bund den öffentlichen schienengebundenen Personennahverkehr mit 8 Mrd. Euro im Jahr. Zusammen mit den jeweiligen Landesmitteln können die jeweiligen Eisenbahnunternehmen ein „wirtschaftliches“ Angebot machen. Eine reine Finanzierung über die Ticketpreise hingegen, und damit eine echte Wirtschaftlichkeit, ist vor allem in der Fläche undenkbar. Entzögen wir dem SPNV jedoch die öffentlichen Mittel aufgrund unwirtschaftlicher Linien im ländlichen Raum, hätte dies kaum absehbare Folgen für unser Land. Hier braucht es politische Gestaltungsfreiheiten, die verantwortlich zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen eingesetzt werden müssen.

Ich hoffe ihre Fragen soweit beantwortet zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Gustav Herzog