Gabriele Hiller-Ohm
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SPD
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Gerhard R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

Nachfrage zur Antwort vom 22.7.16(Trennung von Staat und Kirche), ein weiterer
Artikel des Bundes der Steuerzahler(Auszug, Link im Text)

"Wir schreiben das Jahr 1803. Napoleon dominiert den Großteil Europas. Die linksrheinischen Gebiete sind durch Eroberung bereits an Frankreich gegangen. Um die verärgerten deutschen Landesherren für ihre Gebietsverluste zu entschädigen, wurden durch den „Reichsdeputationshauptschluss“ u. a. die rechts des Rheins befindlichen bis dato selbstständigen Kirchengüter weitgehend aufgelöst und neu verteilt. Die Kirchen wurden wiederum damit entschädigt, dass sich die Landesherren zu dauerhaften Zahlungen verpflichteten. In Konkordaten und Staatskirchenverträge wurde dieser Ausgleich dann präzisiert und weitergeführt – in den deutschen Kleinstaaten, im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in der BRD.

Deutschlandweit lag die Summe der Staatsleistungen in 2012 bei 474,9 Millionen Euro".

Ein Anspruch für die Ewigkeit? BdSt Rheinland-Pfalz - Napoleons kostspieliges Erbe im ...
http://www.steuerzahler-rheinland-pfalz.de/Napoleons-kostspieliges-Erbe-im-Landeshaushalt/53277c62280i1p2116/index.html

"Um die Staatsleistungen endlich beenden zu können, müssten entweder die jeweiligen Verfassungsartikel mit breiter parlamentarischer Mehrheit geändert oder eine einvernehmliche Lösung mit den Kirchen gefunden werden. Für letzteres gab es zuletzt im März 2013 einen erfolglosen Vorstoß im Bundestag".

Wie will die SPD-Bundestagsfraktion die Trennung von Staat und Kirche erreichen, wenn es weiterhin diese finanzielle Privilegierung gibt?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der wissenschaftliche Dienst prüft:
Gibt es hier einen "Fortfall der Geschäftsgrundlage"? Sind Verträge für die Ewigkeit, die keine konkrete Gegenleistung beinhalten und nur mit Zustimmung
Beider gekündigt werden können, mit dem Haushaltsrecht vereinbar?

MfG
G. Reth

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre erneute Nachfrage. Wie bereits in meiner letzten Antwort auf Ihre Frage vom 19. Juli dargestellt, bin ich sehr aufgeschlossen für eine tiefgreifende Diskussion über den zukünftigen Umgang mit den Kirchen. Außerdem habe ich betont, dass mich Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland umtreiben. Mir ist es daher wichtig, zuerst einmal festzuhalten, dass Deutschland aus gutem Grund ein säkularer und kein laizistischer Staat ist. Das bedeutet, die Kirchen haben keine weltliche Macht mehr. Der Grund für den Säkularismus liegt in unserer Kultur und unserem Verständnis von Demokratie. In Deutschland wird zurecht viel Wert darauf gelegt, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen entfalten und an den grundsätzlichen Debatten beteiligen können, um einen gemeinsamen Konsens zu finden. Die größten Gruppen stellen noch immer die christlichen Kirchen dar. Deshalb ist die Politik gut beraten, partnerschaftlich mit ihnen zusammen zu arbeiten. Alleine um dem zunehmenden Extremismus vorzubeugen, sollten religiöse Gemeinschaften in die Gesellschaft eingebunden werden, anstatt sie an den Rand zu drängen. Daher stellte die Bundes-SPD in ihrem Regierungsprogramm 2013 fest: „In den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften arbeiten viele für ein solidarisches Miteinander. Sie sind wichtige Partner für uns auf dem Weg zu einer besseren Gesellschaft und im Diskurs ethischer Fragen.“ Dieser Formulierung kann ich auch heute noch zustimmen. Der Satz zeigt aber, dass sich die Partei bisher noch nicht so eindeutig zu den Kirchen positioniert hat, dass ich Ihnen sagen könnte, wir setzen uns von nun an prioritär für die Ablösung der Staatsleistungen ein. Das wäre auch Verschwendung unseres politischen Gewichts, wenn Sie sich vor Auge halten, wie die politische Konstellation derzeit auf Bundesebene aussieht. Wie Sie wissen, sind wir in einer Koalition mit den christlichen Unionsparteien (CDU und CSU). Die Union hat bei der letzten Bundestagswahl 2013 fast die absolute Mehrheit erreicht und ohne ihre Zustimmung – die ich in naher und mittlerer Zukunft nicht sehe – lässt sich daher eine Ablösung der Staatsleistungen von Bundesebene nicht voranbringen. Daher müssen die Länder, in denen das gewünscht ist, selber aktiv werden.
Grundsätzlich ist die SPD-Bundestagsfraktion bereit die Staatsleistungen abzulösen. Und es wird Sie vielleicht überraschen, aber auch um die Zustimmung der Kirchen zur Ablösung der Staatsleistungen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen: Die Evangelische Kirche steht einer solchen Ablösung „positiv gegenüber“. Die Deutsche Bischofskonferenz der Katholischen Kirche „wird sich einer weitergehenden Lösung nicht verschließen, wenn diese ausgewogen ist.“ Problematisch wird die Ablösung allerdings auf Länderebene. Angesicht der Schuldenbremse, ist es für viele Bundesländer schwierig, die Ablösung zu finanzieren. Auch wenn es immer wieder in den Landtagen Debatten zu dem Thema gibt, kommen bislang aus den Ländern keine klaren Signale, die uns dazu veranlassen würden, die Ablösung der Staatsleistungen ganz oben auf die Agenda zu setzen. Im Sinne der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kirchen, sind wir auf die Rücksprache mit unseren Partnern angewiesen.
Diese Einschätzung wird in der Antwort der vorherigen Bundesregierung, in der die Union ebenfalls die Kanzlerin stellte, auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 13. November 2013 deutlich. Diese finden Sie unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/000/1800045.pdf. Darüber hinaus bekennt sich auch die jetzige Bundesregierung von Union und SPD im Koalitionsvertrag von 2013 zur christlichen Prägung unseres Landes und zur Bedeutung der christlichen Kirchen und Wohlfahrtsverbände im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich. Insgesamt sind ca. 1,1 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Institutionen beschäftigt. Im Sinne der Planungssicherheit, hält die Bundesregierung daher an der Kirchensteuer fest.

Sehr geehrter Herr Reth, ich habe mir erlaubt, Ihre juristische Nachfrage direkt an den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages weiterzuleiten. In der Ausarbeitung wird die rechtliche Grundlage der Staatsleistungen detailliert geschildert. Diese stelle ich Ihnen bei Bedarf gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie bitte diesbezüglich mein Bundestagsbüro unter 030/22777246 oder gabriele.hiller-ohm@bundestag.de.

Mit freundlichem Gruß

Ihre Gabriele Hiller-Ohm