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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von Roswitha Gaede- S. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Roswitha Gaede- S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Rossmann..

Man soll es nicht glauben, aber mit der Ratifizierung des EU-Reformvertrags wird die Todesstrafe wieder eingeführt.
Wie stehen sie dazu und/oder wissen sie um den genauen Vertrag gar nicht ? Hier habe ich mal den Link um sich zu orientieren http://euro-med.dk/?p=783.
Ich hoffe, sie nehmen sich die Zeit und lesen, wie ich es tat. Mir wird nämlich langsam der Stuhl auf dem ich sitze, ziemlich heiß.
Ich hoffe, den herren Politiker ist bewusst, das sie sich auch selbst ihr eigenes Grab schaufeln, denn sie werden im Falle der ratifizierung nicht mehr gebraucht, selbst unser GG (grundgesetz) ist dann ausser Kraft gesetzt.

Für eine Antwort wäre ich dankbar..

Roswitha Gaede- Sänger

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Gaede-Sänger,

vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch.de zur Rolle der Todesstrafe im EU-Reformvertrag.

Ich habe mich in den vergangenen Wochen mit vielen Aspekten des Vertrags von Lissabon beschäftigt, auch weil mich viele Bürger angeschrieben haben und mir ihre Bedenken und Sorgen hinsichtlich der EU-Politik mitgeteilt haben. Ich finde es dabei aber sehr überraschend, wenn nicht sogar erschreckend, dass einige Bürgerinnen und Bürger, die sich mit dem Vertrag von Lissabon beschäftigt haben, die Einführung der Todesstrafe für den Fall des Inkrafttretens der geänderten EU-Verträge befürchten. Dazu möchte ich konkret Stellung nehmen:

Artikel 2 Absatz 1 der EU-Grundrechtecharta legt eindeutig fest, dass in den Vertragsstaaten niemand zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden darf. Diese Regelung entspricht dem Artikel 102 Grundgesetz: "Die Todesstrafe ist abgeschafft." Auch der Artikel 1 des Protokolls Nr. 6 zur EMRK legt fest, dass die Todesstrafe abgeschafft ist. Das bedeutet, dass neben den Regelungen im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta ein weiterer Artikel eindeutig und unmissverständlich festlegt, dass die Todesstrafe abgeschafft ist.

Zwar ist es so, dass sowohl die EU-Verträge als auch die EMRK völkerrechtliche Verträge mit den jeweiligen Mitgliedstaaten als Vertragsparteien sind. Deshalb können diese Verträge grundsätzlich im Einklang mit dem Völkerrecht von den Staaten gekündigt werden. Wenn also ein Staat Vertragspartei der EMRK ist, aber die Todesstrafe wieder einführen möchte, wäre ihm das im Einklang mit dem Völkerrecht möglich, indem er den Vertrag über seine Zugehörigkeit zur EMRK kündigt. Das gleiche gilt auch für die EU-Verträge: durch den neuen Art. 50 Abs. 1 EUV wird sogar das Recht der EU-Mitgliedstaaten festgeschrieben, aus der EU auszutreten. Das war zwar auch vor dem Vertrag von Lissabon der Fall, doch durch den Art. 50 Abs. 1 EUV wird dieses Austrittsrecht nun vertraglicher Inhalt.

Diese der Souveränität der Staaten geschuldeten Grundsätze des
Völkerrechts bedeuten jedoch ausdrücklich nicht, dass Deutschland durch
den Vertrag von Lissabon die Todesstrafe wieder einführen muss. Deutschland müsste das Grundgesetz nach den verfassungsrechtlich erforderlichen Verfahren und Mehrheiten ändern, aus der EU austreten und die EMRK und andere internationale Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen kündigen, um die Todesstrafe rechtmäßig wieder einführen zu können. Es gibt derzeit nicht eine ernstzunehmende Politikerin oder einen ernstzunehmenden Politiker in Deutschland, der die Einführung der Todesstrafe fordern.

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass sich die EU, insbesondere das Europäische Parlament, seit Jahren für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzt. Im Februar 2007 hat das Europäische Parlament dazu eine Erklärung verabschiedet, in der es ein weltweites Moratorium der Vereinten Nationen für die Vollstreckung der Todesstrafe fordert. Schließlich ist die Todesstrafe in allen 27 EU-Mitgliedstaaten abgeschafft und wird dies auch zukünftig bleiben. Ich hoffe, ich konnte hiermit einiges aufklären.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB

P.S.: Im Übrigen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die Website, auf die Sie sich beziehen, keine seriösen Informationen über den EU-Reformvertrag enthält. Hier handelt es sich eher um Panikmache. Die Bezeichnung der EU als Diktatur und das Orakeln über einen anstehenden Weltkrieg haben nichts mit einer kritischen Berichterstattung über den Reformvertrag zu tun. Der Artikel stammt von Helga Zepp-LaRouche, der Vorsitzenden der Politsekte "Bürgerrechtsbewegung Solidarität", die auch ansonsten mit wirren Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam macht.