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Daniela Ludwig
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Frage von Heinz S. •

Frage an Daniela Ludwig von Heinz S. bezüglich Gesundheit

Guten Tag Frau Ludwig.
Bezieht ein Rentner neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch eine Betriebsrente, so hat der
Rentner die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Betriebsrente allein und in voller Höhe zu tragen.
Ich empfinde diese gesetzliche Regelung als zutiefst sozial ungerecht und unsolidarisch. Ich erwarte nach langjährigen Diskussionen zu diesem Thema nun endlich eine schnelle Gesetzesänderung zu Gunsten der Betriebsrentenbezieher.
Wann ist damit zu rechnen?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen und freundliche Grüße
H. S.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch zur Verbeitragung von Versorgungsverträgen.
Wie Sie richtig wiedergeben, sind Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge sowie andere mit der Rente vergleichbare Einnahmen bzw. Versorgungsbezüge nach § 229 SGB V beitragspflichtig. Den Unmut der Betroffenen darüber kann ich nachvollziehen und möchte Ihnen gerne die Hintergründe erläutern.

Im Rahmen einer parteiübergreifenden Gesundheitsreform wurde 2003 das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) verabschiedet, mit dem wir das Gesundheitswesen unter Kostengesichtspunkten grundlegend reformiert haben.

Dabei waren auch Maßnahmen und Einschnitte notwendig, von denen ich weiß, dass sie schmerzhaft waren und von Betroffenen als ungerecht empfunden werden. Die Veränderungen waren jedoch notwendig, damit die gesetzliche Krankenversicherung, die damals ein hohes Defizit zu verzeichnen hatte, auch zukünftig noch die Gesundheitsversorgung der Versicherten finanzieren kann, wenn aufgrund der demographischen Entwicklung immer mehr ältere Menschen unter den Versicherten sind und – nicht zuletzt auch dank des medizinischen Fortschritts – glücklicherweise immer höhere Lebensalter erreicht werden.

Im Zuge dieser umfassenden Reform wurden pflicht- und freiwillig versicherte Rentner in der GKV gleichgestellt. So müssen seit 2004 auch pflichtversicherte Rentner den vollen Beitragssatz auf ihre Versorgungsbezüge entrichten.

Zugleich wird seit 2004 auch nicht mehr zwischen monatlichen Auszahlungen von Direktversicherungen und einmaligen Auszahlungen in Form von Kapitalabfindungen unterschieden. Dadurch wurde die Verbeitragung von Versorgungsbezügen gerechter, denn die Auszahlungsform alleine darf nicht darüber entscheiden, welche Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gezahlt werden müssen.

Die mit dem GMG geschaffene Rechtslage wurde durch das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt. Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung die Verfassungsmäßigkeit der Heranziehung von Versorgungsbezügen sowohl in der Form von regelmäßig wiederkehrenden als auch in der Form von nicht wiederkehrenden Leistungen zur Beitragspflicht in der GKV festgestellt (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08; BVerfG, Beschluss vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08; BVerfG, Beschluss vom 7. April 2008 - 1 BvR 1924/07).

Nach dem BVerfG greift die Regelung nicht ungerechtfertigt in die Rechte der Betroffenen ein. Zudem wurde ein Verstoß gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und insbesondere auch des Vertrauensschutzes verneint (ausführlich hierzu siehe BVerfG, Beschluss vom 7. April 2008 – 1 BvR 1924/07). Das BVerfG hat auch die Anordnung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Versorgungsbezüge als verfassungsgemäß bestätigt (grundlegend hierzu und zum Folgenden siehe BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2008 - 1 BvR 2137/06). Die Maßnahme zur Deckung einer zunehmenden Finanzierungslücke, deren Ursache der medizinische Fortschritt und die zunehmende Zahl älterer Menschen sind, war nach Feststellung des BVerfG erforderlich und für die betroffenen Rentner zumutbar.

Unabhängig von dem juristischen Standpunkt des BVerfG ist der entscheidende Aspekt in der Diskussion um die Verbeitragung von Versorgungsbezügen für mich die Generationengerechtigkeit. Der Anteil von Rentnerinnen und Rentnern an der Bevölkerung und in der gesetzlichen Krankenversicherung steigt stetig und die jüngeren Generationen müssen zur Versorgung mehr zur Solidargemeinschaft beitragen als die vorherigen Jahrgänge. So tragen Rentner selbst aktuell mit ihren Beiträgen nur rund 40 Prozent ihrer Leistungsausgaben in der GKV, während es 1973 noch circa 73 Prozent waren. Das heißt im Umkehrschluss, dass der größte Teil der Versorgungskosten, also rund 60 Prozent, von der Solidargemeinschaft der Versicherten insgesamt getragen wird. Das GMG trägt daher der Generationengerechtigkeit und der Beschränkung der Lohnkosten Rechnung und stärkt die Beitragsgerechtigkeit. Die Einnahmen der GKV aus der Verbeitragung von Versorgungsbezügen der versicherungspflichtigen Mitglieder betragen derzeit jährlich rund 5,7 Milliarden Euro, wobei der größte Teil hiervon auf Beiträge für Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge entfällt. Eine Halbierung des Beitragssatzes auf Betriebsrenten würde zu Beitragsausfällen in der GKV in Höhe von 2,5 Milliarden Euro im Jahr führen; eine komplette Rückabwicklung des GMG würde rund 40 Milliarden Euro kosten und hätte GKV-Mindereinnahmen von knapp drei Milliarden Euro im Jahr zur Folge. Diese Einnahmeausfälle wären durch andere Versicherte mit gegebenenfalls geringeren Einnahmen mit auszugleichen.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir es uns nicht leichtmachen und uns laufend mit der Regelung auseinandersetzen. Dies beispielsweise zuletzt im Rahmen einer erneuten Sachverständigenanhörung am 25. April 2018. Besonders deutlich sind dabei die vielen rechtlichen und vor allem haushälterischen Probleme geworden, die besonders eine mögliche Gegenfinanzierung der Vorschläge betreffen.
In diesem Zusammenhang hat die Anhörung die Argumente, die ich Ihnen vorgetragen habe, bestätigt.

Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig

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