Wie nutzen Sie als Vorsitzender des Finanzausschusses Ihr Amt, um eine aktive, antizyklische Fiskalpolitik jenseits der Schuldenbremse auf die Agenda zu setzen?
Sehr geehrter Herr Görke,
der HCOB-Einkaufsmanagerindex (September 2025) zeigt: Auftragseingänge und Beschäftigung sinken, die Wirtschaft stagniert. Hohe Energiepreise und Unsicherheit bremsen die Industrie, während die Bundesregierung an Austerität festhält. Dabei verfügt der Bund laut DIW und ifo über erhebliche fiskalische Spielräume. Eine nachfrageorientierte Fiskalpolitik – mit gezielten öffentlichen Investitionen in Infrastruktur, Energieeffizienz und Beschäftigung – wäre ökonomisch wie sozial geboten. Eine Volkswirtschaft kann nicht sparen.
Wie wollen Sie als Vorsitzender des Finanzausschusses Ihre Agenda-Setting-Funktion nutzen, um parlamentarisch Druck für solche Reformen zu erzeugen und Anhörungen zu initiieren, die Alternativen zur Kürzungspolitik beleuchten? Welche konkreten Initiativen plant Die Linke in den nächsten Monaten? Und woran können Bürgerinnen und Bürger Sie persönlich am Ende der Legislatur messen, wenn es um eine demokratisch verantwortete Fiskalpolitik geht?
Sehr geehrter Herr L,
grundsätzlich stimme ich Ihrer Einordnung zu. Wir als Linke kritisieren die Schuldenbremse schon seit ihrer Einführung als einen Irrweg, der bitter nötige öffentliche Investitionen ausbremst. Vor allem die von Ihnen angesprochene antizyklische Wirtschaftspolitik ist durch die Schuldenbremse nahezu unmöglich, da durch ihre Bindung an das BIP in Krisenzeiten weniger Schulden aufgenommen werden können und sie somit prozyklisch wirkt.
Auch wenn die neue Bundesregierung höhere Spielräume für Schulden geschaffen hat, kommt davon kaum etwas bei der arbeitenden Bevölkerung an. Diese neuen Spielräume werden hauptsächlich für Militärausgaben und Steuergeschenke an Unternehmer (in Form der Körperschaftsteuer-Senkung und Abschreibungsmöglichkeiten) genutzt. Man hat schon nach den Unternehmensteuersenkungen 2001 und 2008 gesehen, dass solche Steuergeschenke für das oberste Prozent letztendlich nicht “herunter sickern” sondern in den Taschen des obersten Prozents bleiben.
Wir als Linke sehen derlei angebotsorientierte Fiskalpolitik kritisch. Viel eher sollte die Bundesregierung mit einer Einkommensteuerreform die kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Bei denen, die sich Miete und Wocheneinkauf kaum mehr leisten können, wird das Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Nachfrage stärken. Das ist nicht nur wirtschaftlich vernünftig sondern auch gleichzeitig sozial gerecht!
Im Bezug auf mein Amt im Finanzausschuss muss ich Sie leider enttäuschen. Als amtierender Vorsitzender darf ich nicht, wie von Ihnen angesprochen, "Agenda-Setting" betreiben. Im Ausschuss trage ich Sorge dafür, dass die Anträge und Gesetzentwürfe aller Fraktionen beraten und an den Bundestag überwiesen werden. Ich bin dazu verpflichtet, unabhängig von meinen Positionen und meiner Parteizugehörigkeit die Ausschusssitzungen in Einklang mit der Geschäftsordnung zu leiten.
Als Abgeordneter des Bundestages und als Fachpolitiker hingegen darf ich Druck auf die Bundesregierung ausüben. Über das Fragerecht kann ich gemeinsam mit der Fraktion die Behauptungen der Bundesregierung kontrollieren und auch Alternativen zu ihrer Politik in Form von Anträgen und Gesetzesentwürfen aufzeigen. Einige Beispiele sind unsere Forderungen zur besseren Bekämpfung von Mietwucher (s. Drucksache 21/2168), zur Einführung eines Klimagelds (s. Drucksache 21/789), zur Erhöhung des Elterngelds (s. 21/2038), zur Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Hygieneprodukte und ÖPNV (s. Drucksache 21/135) und zum Mindestlohn in Höhe von 15 Euro pro Stunde (s. Drucksache 21/347). Aber auch außerhalb des Parlaments wollen wir mit dem Heizkosten- und Mietwuchercheck direkte Entlastungswirkungen erzielen, dort wo sie gebraucht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Görke

