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Bodo Ramelow
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Frage von Werner F. •

Betrifft die geplante Bürgergeldreform nicht alle Leistungsbezieher gleichermaßen – also auch Grundsicherung und Sozialhilfe – und nicht nur sogenannte „schwarze Schafe“?

Sehr geehrter Herr Ramelow,

Schon jetzt ist beschlossen, dass der Regelbedarf 2026 trotz anhaltender Inflation nicht steigt. Das betrifft Bürgergeldempfänger, Bezieher von Grundsicherung im Alter und Sozialhilfeempfänger gleichermaßen – ohne Unterschied.

Ich frage mich, ob die Reform tatsächlich gerecht ist, wenn sie alle betrifft, aber politisch mit „einzelnen schwarzen Schafen“ begründet wird.

Arbeit lohnt sich in Deutschland bereits heute: Wer Vollzeit arbeitet, hat immer mehr als Bürgergeldempfänger. Bei geringen Einkommen helfen Wohngeld, Kinderzuschlag und ergänzendes Bürgergeld. Zusätzlich werden monatlich Rentenbeiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber (mind. etwa 400 €) gezahlt – ein zentraler Vorteil, den Bürgergeldbeziehende nicht haben.

Seit 2011 werden für Bürgergeld- bzw. Hartz-IV-Bezieher keine Rentenbeiträge mehr entrichtet.

Ist die Reform vor diesem Hintergrund wirklich sozial gerecht und sachlich begründet?

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Antwort von Die Linke

Ich sehe die geplante Bürgergeldreform mit großer Sorge, weil sie aus meiner Sicht nicht nur einige wenige vermeintlich „schwarze Schafe“ betrifft, wie es in der politischen Debatte gerne behauptet wird, sondern alle Leistungsbeziehenden gleichermaßen, also Menschen, die Bürgergeld, Grundsicherung im Alter oder Sozialhilfe beziehen. Es wird so getan, als wolle man gezielt Missbrauch verhindern, tatsächlich aber trifft diese Reform auch diejenigen, die schlicht auf Unterstützung angewiesen sind und ohnehin schon mit sehr wenig auskommen müssen. Besonders problematisch finde ich die Entscheidung, dass der Regelbedarf im Jahr 2026 nicht steigen soll, obwohl die Inflation weiter anhält. Das ist eine faktische Kürzung für Hunderttausende Menschen. Wer jeden Euro zweimal umdrehen muss, spürt die Teuerung bei Miete, Energie und Lebensmitteln unmittelbar. Eine Nullrunde bedeutet, dass das Existenzminimum real sinkt - und das in einem der reichsten Länder der Welt. Das halte ich für sozial ungerecht und politisch falsch. 

Ich und meine Partei fordern seit jeher, dass soziale Politik nicht auf Misstrauen und Druck basieren darf, sondern auf Chancen, Teilhabe und Respekt setzen muss. Wer heute auf Bürgergeld angewiesen ist, ist nicht faul oder unwillig, sondern oft von strukturellen Problemen betroffen, von prekären Arbeitsverhältnissen, gesundheitlichen Einschränkungen, usw. Die allermeisten wollen arbeiten, viele tun es auch, nur eben in unsicheren Jobs. Und wer Vollzeit arbeitet, hat ohnehin mehr als jemand, der Bürgergeld bezieht, schon allein, weil über die Arbeit auch Rentenbeiträge gezahlt werden. Für Bürgergeldbeziehende werden seit 2011 keine Rentenbeiträge mehr entrichtet, was bedeutet, dass sie im Alter erneut benachteiligt werden. Diese Ungerechtigkeit wird durch die geplante Reform nicht behoben, sondern noch verschärft. 

Ich halte es für falsch, wenn politische Entscheidungen auf Kosten der Schwächsten gehen. Eine echte Reform müsste Armut bekämpfen, nicht Arme bestrafen. Sie müsste den Sozialstaat stärken, nicht aushöhlen. Das Ziel sollte sein, Menschen in Arbeit zu bringen, sie zu qualifizieren, ihnen Sicherheit zu geben und nicht, sie zu stigmatisieren. Wenn man soziale Leistungen kürzt, während die Lebenshaltungskosten steigen, zerstört man Vertrauen in den Staat und vertieft die gesellschaftliche Spaltung. Ich setze mich für einen Sozialstaat ein, der auf Solidarität basiert, nicht auf Verdächtigung. Eine Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt bewahren will, darf sich nicht darin üben, nach unten zu treten. 

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