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Bodo Ramelow
DIE LINKE
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Bodo Ramelow von Wolfgang S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Ramelow,

als Atheist aus Überzeugung wundert es mich, dass die Linke sich offensichtlich wieder bei den Kirchen anbiedern muß.
Bei Ihrer Generalaudienz beim Papst haben Sie laut Interview gemerkt "wie die Weltkirche" tickt.
Wie tickt die denn? Geht es nicht ohne Kniefall vor dem Pabst an die Macht?
Als Atheist komme ich mir weder vertreten noch wahrgenommen vor und dass obwohl ich offensichtlich einer von 30 % der Bevölkerung bin.
Religionen haben meines Erachtens den größten Anteil an Intoleranz und Greueltaten in der Geschichte bewirkt.
Wie stehen Sie dazu, die staatlichen Subventionen für Kirchen zu streichen, die schließlich auch Atheisten finanziel mit tragen müssen, die Steuereintreibung für die Kirchen durch den Staat zu beenden ?
Wie stehen Sie dazu, dass unmündige Kinder als Kirchenmitglieder und damit als Zählmitglieder requiriert werden, um die Stärke der Kirchen künstlich zu erhöhen?
Wie stehen Sie dazu, dass noch heute DDR Bürger Kirchensteuern nachzahlen müssen, obwohl in der DDR eine ganz andere Rechtspraxis vorhanden war?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass im Rundfunkrat Vertreter der religionsfreien Verbände gleichberechtigt neben Vertretern der Kirchen sitzen und beispielsweise Sendezeit erhalten um z.B. humanistische Standpunkte zu erläutern?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Spurzem,

bisher bin ich davon ausgegangen, dass dieses Forum dazu gedacht ist, Meinungen und Erfahrungen miteinander auszutauschen. Ihr Schreiben klingt dagegen eher wie eine Anklage, dass sich die Linke – vertreten durch meine Person – zu stark in die Nähe der Kirchen begebe.

Aber auch wenn der Einstieg zu Ihren Fragen nicht meiner Vorstellung von interessiertem Gedankenaustausch entspricht, werde ich Ihnen trotzdem antworten. Mein Besuch beim Heiligen Stuhl in Rom ergab sich aus meiner Funktion als Religionsbeauftragter meiner Fraktion. Als zuständiger Fachpolitiker für Kirchen- und Religionsfragen nehme ich sehr gern Möglichkeiten wahr, mit Vertretern von Kirchen und Glaubensgemeinschaften ins Gespräch zu kommen und mit ihnen – nicht selten auch kontrovers – zu diskutieren. Wenn Sie das als „Kniefall“ empfinden, dann frage ich mich, welchen Umgang mit Kirchen Sie für angemessen halten.

Wie Sie richtig zitieren, ist mir bei meinem Besuch in Rom noch einmal bewusst geworden, welchen Einfluss die Katholische Kirche bei Verständigungs- und Friedensprozessen auf der ganzen Welt haben kann. Wo staatliche Maßnahmen versagen, kann die Laienbewegung mitunter einen Ausweg darstellen und Menschen wieder miteinander ins Gespräch bringen. Denken Sie nur an das Beispiel Mosambik, wo die Kirche mit ihrer langfristigen Mediationsarbeit massiv zum Abschluss eines Friedensvertrages zwischen den Bürgerkriegsparteien beigetragen hat. Ein anderes Beispiel, das auch eine große Rolle bei meinen Gesprächen in Rom gespielt hat, sind die deutsch-polnischen Beziehungen. Auch hier kann die Kirche meines Erachtens helfen, Missstimmungen auszuräumen. Diese Wege und Methoden der Kirche muss man sich nicht zu Eigen machen, aber ich denke sie sind es wert respektiert zu werden.

Ihrem Verweis auf die Intoleranz und Gräueltaten der Religionen kann ich in keiner Weise zustimmen. Ich bin der Meinung, dass Religionen an sich keine Verbrechen begehen. Es sind immer Menschen, die denken im Auftrag irgendeines -Ismus eine Idee missbrauchen zu müssen. Oft genug mussten und müssen dafür auch Religionen herhalten.

Bezüglich der Praxis des Kirchensteuereinzugs plädiere ich als Linker dafür, dass die Gläubigen selbst darüber nachdenken sollten, ob die Methode des staatlichen Steuereinzugs noch sinnvoll und gerechtfertigt ist. Ebenso wäre es Sache der Kirche über die Praxis der Mitgliedschaft von Kindern nachzudenken. Eine stärkere Trennung von Staat und Kirche wäre sicher ein sinnvoller Schritt, denn beide Seiten könnten davon profitieren. Die kirchlichen Gemeinden einerseits hätten größere Freiheiten und mehr Selbstverantwortung. Der Staat andererseits hätte eine Aufgabe weniger und könnte als neutralerer Staat auch ein höheres Maß an Religionsfreiheit garantieren. Es ist angebracht diese Fragen zu diskutierten, aber das geht nur mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Als staatliche Vertreter nur über und nicht mit Kirchen zu diskutieren, halte ich für falsch.

Schließlich zur Besetzung der Rundfunkräte: Hier stellt sich mir die Frage, welche „religionsfreien Verbände“ das sein könnten. Leider sind nicht alle Atheisten in der Bundesrepublik gleich bekennende Humanisten. Wenn es einen Verband der Humanisten gäbe, der eine beachtenswerte Größe hätte, sollte dieser selbstverständlich auch im Rundfunkrat sitzen.

Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow

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