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Bettina Hagedorn
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Frage von Florian G. •

Sehr geehrte Frau Hagedorn, würden Sie in der aktuellen sehr ernsten Situation es unterstützen, dass ein Handelsembargo auf russisches Öl und Gas erlassen wird?

Sie hätten dafür meine Unterstützung und erkläre ausdrücklich, dass dafür auch Opfer wie höhere Energiepreise direkt oder indirekt in Kauf auch auf längere Zeit genommen werden müssen. Lieber auf Urlaub und Annehmlichkeiten verzichten als weitere Aggressionen Putins zu ertragen, die ohne solche Maßnahmen kaum in der Ukraine enden werden.

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Sehr geehrter Herr G.

ich teile Ihre Ansicht, dass wir angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs von Putin auf die Ukraine eine „sehr ernste Situation“ erleben, die mit dem 24. Februar 2022 eine absolute Zeitenwende für Europa und weltweit darstellt. Trotzdem kann ich als Bundestagsabgeordnete keinen Einfluss darauf nehmen, ob ein Handelsembargo auf russisches Öl und Gas verhängt wird, denn das ist KEINE Entscheidung, die im Deutschen Bundestag quasi im nationalen „Alleingang“ gefällt werden könnte, sondern über Entscheidungen zu unseren Handelsbeziehungen in und mit Europa entscheidet allein die Europäische Union.  Diese politischen Entscheidungen zu Handelsverträgen haben alle EU-Staaten auf die Ebene nach Brüssel übertragen, so dass die EU-Kommission und der Europäische Rat allein zuständig sind (Art.206 AEUV). Für die Einführung eines umfassenden Handelsembargos auf Gas und Öl wäre darum u.a. ein einstimmiger Beschluss nach Titel V Kapitel 2 EUV erforderlich, weshalb die Verhängung eines Handelsembargos deutlich komplexer wäre als z.B. die Verhängung von sofortigen Sanktionen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben bereits Sanktionen in nie gekanntem Ausmaß ergriffen und behalten sich noch weitere Sanktionen vor.

Wichtig ist, dass Deutschland in voller Übereinstimmung aller europäischen Staaten und eng abgestimmt mit u.a. den USA, Kanada, Großbritannien und Japan die schärfsten Sanktionen gegenüber Russland verhängt hat, die jemals verhängt worden sind - weitere Sanktionen könnten folgen. Diese Sanktionen sind extrem schnell sofort nach dem Angriff Putins auf die Ukraine verhängt worden und zielen speziell auf Putin und seine politische Elite, auf die Oligarchen-Clique und die russische Wirtschaft sowie auf die russischen Banken ab, um hoffentlich durch diesen Druck auf die Führungsspitze Putin zum Einlenken, zum Stopp des Krieges und an den Verhandlungstisch zu zwingen. Diese Sanktionen sind nicht gegen die russische Bevölkerung gerichtet, aber natürlich wird auch die Zivilgesellschaft indirekt stark betroffen sein.

Im Bereich des Finanzsektors haben wir 70 Prozent des russischen Bankenmarktes und wichtige staatliche Unternehmen – auch im Verteidigungsbereich – von den wichtigsten Kapitalmärkten abgeschnitten. Zusätzlich schließen wir wichtige russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetz SWIFT aus. Transaktionen der russischen Zentralbank werden untersagt. Damit wird die Nutzung eines großen Teils der Währungsreserven Russlands zur Stabilisierung des Rubel-Wechselkurses und zur Stützung von in Schieflage geratener Banken und Unternehmen verhindert. Im Bereich des Energiesektors werden insbesondere Exportverbote für technologische Spezialausrüstung verhängt, die es Russland unmöglich machen, seine Ölraffinerien zu modernisieren. Im Transportsektor werden der Verkauf von Flugzeugen und Ausrüstung an russische Fluggesellschaften verboten. Im Industriesektor wird der Zugang Russlands zu wichtigen Technologien wie Halbleitern oder modernster Software beschränkt. Im Bereich der Visavergabe verlieren Diplomaten und verwandte Gruppen sowie Geschäftsleute ihren privilegierten Zugang zur EU-Einreise. Außerdem schränkt das geltende Flugverbot - d.h. der Luftraum ist für drei Monate für russische Flugzeuge in Deutschland, Europa und auch z.B. in den USA und Kanada gesperrt – die Bewegungsfreiheit der Russen wirtschaftlich wie privat eng ein. Diese Sanktionen zielen auf die russische Wirtschaft und die politische Elite und sind nicht (!) gegen die russische Bevölkerung gerichtet. Sie sind sofort nach dem Beginn von Putins Überfall auf die Ukraine gemeinsam in Europa und in Absprache mit unseren transatlantischen Partnern ergriffen worden. Wir hoffen mit derartigen Maßnahmen Putin von seinem Aggressionskurs abzubringen, denn der Krieg ist eine Katastrophe für die Ukraine, aber auch für Russland selbst und für Europa.

Sehr geehrter Herr Geye, es ist das erste Mal seit über 80 Jahren, dass auf europäischem Boden ein Land einen großflächigen militärischen Überfall auf ein friedliebendes Nachbarland gestartet hat. Vor allem die Frauen und Kinder erleben unermessliches Leid – ob auf der Flucht oder durch die vielen gezielten Angriffe auf Wohnblöcke und zivile Einrichtungen. Ihnen gelten unsere volle Solidarität und Unterstützung. Der Krieg gegen die Ukraine ist Putins Krieg. Deshalb gelten unser Respekt und unsere Anerkennung auch allen mutigen Menschen in Russland, die öffentlich oder im Sinne des zivilen Ungehorsams den Aggressionskurs ihres Präsidenten verurteilen und zur Beendigung des Angriffs auf die Ukraine aufrufen. Auch sie zahlen für ihren Mut einen hohen Preis.

 

Mit freundlichen Grüßen 

Ihre Bettina Hagedorn

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