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Bettina Hagedorn
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Frage von Peter T. •

Frage an Bettina Hagedorn von Peter T. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

ich lese immer wieder politische Meinungen zum Thema Pendlerpauschale - wie man die Rücknahme finanzieren soll -
das kann es doch wohl nicht sein. Erst nimmt man sie mit einer Entscheidung weg um dann zu fragen, wie man die Rücknahme finanzieren soll (Na, genauso wie vorher natürlich). Ist das der neue politische Weg...

Zweite Frage:
Ich habe irgendwo gehört, dass Deutschland, dem Riesenreich China, Entwicklungshilfe im dreistelligen Millionenbereich gezahlt haben soll. Ist das korrekt? Wenn dem so wäre, dann wundert mich nichts mehr...

Nebenbei gesagt, finde ich ihre persönliche Politische Arbeit, gut.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr, Peter Tretau

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Tretau,

Die grundsätzliche Einigung zur Kürzung der Pendlerpauschale geht zurück auf den Koalitionsvertrag der Großen Koalition als Beitrag zur – unbestritten - dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung. Die Forderung zur Streichung der Pendlerpauschale war eine Initiative der CDU/CSU und Bestandteil ihres Wahlprogramms (Kirchhoff-Konzept zum Subventionsabbau). Im Gegensatz zur Union wollte die SPD weder das sogenannte „Werkstorprinzip“ einführen noch die Pendlerpauschale streichen - vielen SPD-Abgeordneten (wie auch mir) insbesondere aus Flächenländern wie Schleswig-Holstein mit langen Wegstrecken für die Bürgerinnen und Bürger fiel darum der Kompromiss im Koalitionsvertrag schwer. Immerhin konnte die SPD damals erreichen, dass die Pendlerpauschale nicht komplett gestrichen wurde, sondern die Steuereinnahmeausfälle durch die Entfernungspauschale halbiert werden sollten. Zur Wahrheit gehört auch, dass es der SPD damals nur durch dieses Entgegenkommen gelang, im Gegenzug die Steuerfreiheit der Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit zu erhalten (die laut Kirchhoff ebenfalls als „Subvention“ gestrichen werden sollte!). Der im Finanzvolumen in der Großen Koalition fest vereinbarte Kürzungsbeitrag hätte aber auf verschiedene Art erreicht werden können, weswegen die Finanzpolitiker in der Großen Koalition um die Ausgestaltung der gekürzten Entfernungspauschale der unter Rot/Grün eingeführten verkehrsmittelunabhängigen Pendlerpauschale gestritten haben. Ein Vorschlag des SPD-Finanzpolitikers Florian Pronold damals war leider nicht mit der CDU/CSU konsensfähig – dieser wäre nach meiner festen Überzeugung verfassungskonform gewesen und hätte uns das jahrelange Theater bis zum für Ende 2008 erwarteten Verfassungsgerichtsurteiles erspart. Ich habe bereits im März 2008 ein Informationspapier zur Pendlerpauschale geschrieben, das auf meiner Homepage wie folgt nachzulesen ist:
http://www.bettina-hagedorn.de/publikationen/bericht_aus_berlin/berichtausberlin35-pendlerpauschale.pdf

Eine Rückkehr zur alten Regelung, wie Sie vorschlagen, wäre problematisch, weil ohne eine vernünftige Gegenfinanzierung das Ziel, ab 2011 einen schuldenfreien Bundeshaushalt zu erreichen, in weite Ferne rücken würde. Bisher hat allerdings weder Herr Huber noch einer seiner Unionskollegen, die jetzt in den Wahlkämpfen so lautstark eine Rückkehr zur alten Regelung fordern, ein schlüssiges Finanzierungskonzept vorlegen können. Ich will Ihnen kurz darstellen, wie es zu dem derzeit geltenden Kompromiss kam und warum sich die SPD für eine Änderung mit einer soliden Gegenfinanzierung einsetzt. Vernünftig ist es selbstverständlich, jetzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, damit dessen Bewertung bei einer neuen Entscheidung berücksichtigt werden kann.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2001 wurde mit dem Einkommenssteuergesetz von Rot-Grün eine verkehrsmittelunabhängige Pendlerpauschale eingeführt, so dass bis Ende 2006 die Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle mit 30 Cent ab dem ersten Kilometer ausdrücklich zum Abzug als Steuer mindernde Werbungskosten zugelassen waren. In der großen Koalition war die Pendlerpauschale bereits im Wahlkampf umstritten – wir Sozialdemokraten wollten die Pendlerpauschale gemäß unserem Wahlprogramm überhaupt nicht kürzen, konnten uns damit aber nicht durchsetzen, denn wir standen mit dieser Position im parteipolitischen Spektrum allein da: CDU/CSU und FDP wollten nach ihrem Wahlprogramm von 2005 frei nach den Steuervorschlägen von Herrn Kirchhoff ALLE Vergünstigungen der Arbeitnehmer wie Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge und steuerlichen Vergünstigungen wie die Pendlerpauschale als vermeintliche Subventionen komplett abschaffen (und wollen das weiterhin!). Anstatt dessen plante die Union das so genannte „Werkstorprinzip“ einzuführen. Das hätte bedeutet: ALLE Aufwendungen für den Weg zur Arbeit wären dann grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers – egal wie weit diese Arbeit entfernt wäre. Eine solche Position ist aus meiner Sicht völlig falsch, weil Politik und Arbeitgeber gleichzeitig von den Arbeitssuchenden immer mehr Flexibilität und Mobilität erwarten und weite Wege zur Arbeit gerade in Flächenländern wie Schleswig-Holstein längst Lebenswirklichkeit sind.

Die Regelung einer Anerkennung ab dem 21. Kilometer geht voll auf das Konto der CDU/CSU – auch wenn Unions-Politiker wie Herr Huber das heute im Bayern-Wahlkampf nicht mehr wahr haben wollen. Fakt ist, dass die Union es war, die Zweifel an der Verfassungskonformität „in den Wind geschlagen“ und im Bundesrat mit der Zustimmung vieler CDU-Ministerpräsidenten diese Regelung „durch gewunken“ hat. MdB Florian Pronold hatte damals für die SPD einen die Lasten gerechter verteilenden Kompromiss vorgelegt: eine Absenkung des Betrages auf 20 bis maximal 25 Cent ab dem ersten Kilometer und gleichzeitig eine Absenkung des Arbeitnehmerpauschbetrags auf 400 Euro. Hintergrund: den Arbeitnehmerpauschbetrag können ALLE Steuerpflichtigen in Anspruch nehmen – also auch diejenigen, die diese Aufwendungen gar nicht haben – für diejenigen ist es quasi ein Steuergeschenk ohne Gegenleistung. Für all jene, die HÖHERE steuerlich absetzbare Aufwendungen als den Pauschbetrag tatsächlich haben, ginge jedoch nichts verloren – denn wenn diese nachgewiesen werden, sind sie selbstverständlich auch anzuerkennen. Außerdem wollte die SPD die pauschale Dienstwagenbesteuerung auf 1,2 % des Listenpreises erhöhen, um auch diejenigen, die Dienstwagen für den Weg zur Arbeit benutzen können, mit einem angemessen Beitrag zur Konsolidierung des Staatshaushaltes zu beteiligen. Die Union ließ sich jedoch nicht auf diese Vorschläge ein – vor allem die Einschränkung des Dienstwagenprivilegs stieß in ihren Reihen auf massiven Widerstand.

Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die Kürzung der Pendlerpauschale in der ab 2007 beschlossenen Form Ende 2008 vom Verfassungsgericht endgültig „gekippt“ wird – mit milliardenschweren Steuerausfällen beim Bund, für die Unionspolitiker Finanzminister Peer Steinbrück verantwortlich machen wollen. Nach den jetzt vorliegenden Urteilen u.a. vom Bundesfinanzhof ist davon auszugehen, dass die von den SPD-Finanzexperten seinerzeit eingebrachte Variante vermutlich – wie von uns argumentiert – verfassungskonform gewesen wäre. Sollte sich das Verfassungsgericht der Auffassung der Finanzrichter anschließen, werden wir in der Großen Koalition die bestehende Regelung voraussichtlich korrigieren und uns für eine vernünftige Lösung ab dem ersten Kilometer einsetzen. Bei einer Pauschale zwischen 20 und 25 Cent ab dem ersten Kilometer werden fast alle Berufstätigen zu Pendlern. Hierfür brauchen wir endlich Rechtssicherheit. Da das letzte Wort jedoch beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) liegt, werden laut Bundesfinanzministerium bis zur endgültigen Entscheidung Ende des Jahres alle Steuerbescheide in diesem Punkt für vorläufig erklärt.

Ich hoffe sehr, dass der Bundestag eine Entscheidung trifft, die sowohl verfassungskonform ist und auch das Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden im Jahr 2011 auf Bundesebene nicht gefährdet. Sie können sicher sein, dass ich in meiner Arbeit im Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag und in meiner Funktion als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete aus dem ländlichen Ostholstein/Nordstormarn an einer konstruktiven Lösung arbeiten werde.

Nun zu Ihrer Frage zur Entwicklungszusammenarbeit mit China. Es ist richtig, dass Deutschland an China Entwicklungshilfe geleistet hat - dieser Betrag wurde von 100 Mio. € im Jahr 2000 auf inzwischen 67,5 Mio. € im Jahr 2007 gesenkt. Wissen muss man dazu zweierlei: Die deutsche Entwicklungshilfe besteht einerseits hauptsächlich aus Krediten. Und andererseits werden vorrangig zielgerichtet damit Projekte unterstützt in den Bereichen Umweltschutz und Gesundheitsfürsorge. Davon profitiert dann immer nicht nur die Zivilbevölkerung in diesen Ländern, sondern auch Umwelt und Klima und nicht zuletzt auch deutsche Unternehmen. Als Auftragnehmer bei Bau und Umrüstung von Kraftwerken und Fabriken mit umweltverträglichen Anlagen tragen sie somit dazu bei, die Umweltbelastung durch die chinesische Industrie zu verringern und Deutschland als einen der führenden Standorte dieser Zukunftstechnologie zu stärken. Mit dem Geld werden also nicht zuletzt auch in Deutschland Arbeitsplätze geschaffen und gesichert – bei der rasanten Entwicklung Chinas und der zunehmenden Investitions- und Konsumfähigkeit dieses Riesenlandes ist das im Hinblick auf künftige Exporte deutscher Unternehmen ein wichtiger Faktor – nicht umsonst heißt es „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“.

Vergessen werden darf auch nicht, dass Deutschland als Partner nachdrücklicher eine Besserung der menschenrechtlichen Situation in China fordern kann. Die Entwicklungszusammenarbeit hat somit auch das Ziel, Anstöße für den chinesischen Reformprozess zu geben. Leider hat dieser Reformprozess durch die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Tibet einen Rückschlag erlitten. In Folge dessen hat sich auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit unter Heidemarie Wieczorek-Zeul dazu entschlossen, geplante Regierungsverhandlungen über weitere Hilfeleistungen vorerst auszusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

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