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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von Jens H. •

Frage an Bettina Hagedorn von Jens H. bezüglich Politisches Leben, Parteien

Sehr geehrte Frau Hagedorn,
ich habe Fragen zu einer Postenbesetzung bei der SPD.

Eine Aussage der Frau Esken hat mich erschütternd, besonders, weil die Aussage von einer SPD-Vorsitzenden kommt.

Die Frau Esken ist der Meinung, dass sie, wenn sie privat einkaufen geht, dass sie dann die Steuerzahler finanziert.
Der genauer Wortlaut ist in dem Link unten zu finden.

Wie denken Sie über diese Aussage der Frau Esken?

Vielleicht gibt es da ja etwas, was ich nicht sehe.
Wissen Sie, welche Eigenschaften die Frau Esken für den Posten als SPD-Vorsitzende auszeichnen?

Hier der Link, es geht um den Twitter-Eintrag:
https://www.focus.de/politik/deutschland/abgeordnetengehalt-wer-finanziert-hier-wen-spd-chefin-esken-empoert-mit-tweet-zu-andrea-nahles_id_11993260.html

MFG
Jens Helmcke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Helmcke,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de vom 27. August 2020 zu einer Äußerung der SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken vom 14. Mai 2020, die diese damals über Twitter abgesetzt hat und die in der Folge für eine ausführliche öffentliche und kontroverse Diskussion sorgte. Ich bin allerdings etwas erstaunt, dass Sie diese Debatte jetzt 3 ½ Monate später offenbar erneut „aufwärmen“ wollen und gestehe gern, dass ich den Sinn dahinter nicht ganz verstehe. Nichtsdestotrotz: Ich kann mich mit dieser Äußerung von Saskia Esken von Mitte Mai definitiv nicht identifizieren und gestehe gerne, dass ich Kurznachrichtendiensten wie Twitter oder Facebook eher zurückhaltend gegenüberstehe, weil diese verkürzte 280-Zeichen-Form der Statements häufig zu Missverständnissen führt, die im persönlichen Gespräch so nie entstanden wären.

Allerdings möchte ich auf den Hintergrund dieses Tweets von Mitte Mai eingehen, in dem eine Frau auf Twitter die Bezahlung von Abgeordneten öffentlich in Frage gestellt hatte, obwohl die Höhe und Bezahlung von Bundestagsmandaten gesetzlich transparent geregelt ist. Wörtlich schrieb die Userin: „Ich z.B. arbeite im Einzelhandel und finanziere damit einen Teil Ihrer Diäten.“ Das stimmt. Unser demokratisches System insgesamt wird durch Steuereinnahmen finanziert – dabei trägt jede(r) Steuerzahler(in) ihren/seinen Beitrag je nach Einkommenshöhe dazu bei: Eine Verkäuferin eher weniger, ein Manager oder Abgeordneter deutlich mehr, denn so funktioniert unsere Form von staatlicher Solidarität.

Die Demokratie ist nicht preiswert. Ihre transparente Finanzierung ist gleichzeitig eine Form von Wertschätzung der Bürgerinnen und Bürger für das System, an dem sie teilhaben können und von dem sie profitieren. Nicht nur wir 709 Bundestagsabgeordneten werden als Teil des demokratischen Systems durch die Steuerbeiträge der Menschen in diesem Land finanziert. Auch an der kommunalen Basis in allen Regionen arbeiten Gemeinde- und Stadträte am Gelingen des Alltags vor Ort und werden unterstützt von Kreis- und Kommunalverwaltungen, die allesamt aus Steuern finanziert werden. Das gilt auch für die 16 Bundesländer mit ihren 16 Regierungen und mit den vielen Landtagsabgeordneten, die die Weichen in unserem Föderalismus z.B. für die richtige Bildungspolitik stellen und die Verantwortung für die Landespolizei tragen. Dort wie auch im Bund wirken aber nicht nur die Abgeordneten an den Entscheidungen mit: tausende von Beschäftigten in den Parlamenten, in den Ministerien und im Bundesrat spielen eine wesentliche Rolle für die Gesetzgebungsprozesse und das Funktionieren unserer Demokratie - dieses wichtige Gut finanzieren wir gemeinsam und es trägt – glücklicherweise – unsere Gesellschaft.
Das demokratische Leben in Deutschland besteht eben aus deutlich mehr als aus Kanzleramt, Bundestag und Fraktionen, denn an unzähligen Stellen füllen Menschen die deutsche Demokratie mit Leben: So auch die Polizei, Feuerwehren oder unsere Institutionen eines wehrhaften Rechtsstaates, unterstützt von zahllosen ehrenamtlich Tätigen in Verbänden und Vereinen, deren Arbeit selbstverständlich mit Steuermitteln finanziert oder zumindest unterstützt wird.

Abschließend möchte ich Sie wegen Ihrer Frage nach den „Eigenschaften, die Frau Esken für den Posten als SPD-Vorsitzende auszeichnen“ darauf hinweisen, dass die SPD im letzten Jahr in einem wochenlagen und bisher nie dagewesenen Prozess mit einem Mitgliederentscheid die neuen Parteivorsitzenden gewählt hat – eine ähnlich konsequent basisdemokratische Beteiligung hat es in noch keiner anderen Partei je gegeben und darauf bin ich stolz. Von ca. 425.000 stimmberechtigten Mitgliedern der SPD haben sich ca. 230.000 Mitglieder an dieser Entscheidung beteiligt und mit ca. 54 Prozent für Saskia Esken und Norbert Walter Borjans entschieden. Damit ist aus meiner Sicht Ihre Frage beantwortet, denn genau so funktioniert unsere Demokratie.

Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn

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