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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von peter w. •

Frage an Bettina Hagedorn von peter w. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Hagedorn ,
ich verstehe weder das Gezänk um die Reform , noch die Reform selbst.
Ein 2-Klassen System haben wir schon seit vielen Jahren. Wer Geld hat , kann alles notwendige bekommen und darf daher wahrscheinlich auch länger leben. Die anderen werden nach dem System "warm,satt,sauber"
behandelt. Wirtschaftich(das billigste),ausreichend(unterste Gesundheitstechnik),vernünftig(wer entscheidet?).
Beispiel: Zahnarzt und Kieferchirurg sagen , ein Implantat muß her , damit der Ersatz langfristig hält. Gesetz und Kasse sagen , herausnehmbar reicht,auch wenn weitere Zähne geschädigt werden.
Beispiel: Beta-Blocker , die meiner Frau helfen und ihr bekommen, werden abgesetzt und gegen preiswertere getauscht. Diese bekommen nicht und helfen nachweisbar nicht. Die alten werden nicht mehr aus Kostengründen verschrieben,
So könnte wahrscheinlich jeder Bürger etwas berichten.
Nackter Unsinn das alles.
Zu meiner Person:
Ich bin Ingenieur , meine Frau Bankkauffrau und Übersetzerin.
Ich bin seit über 30 Jahren freiwilliges Mitglied in der TK , also Höchstbeitragzahler. Nach den jetzigen Erfahrungen habe ich zu b ereuen,das ich nicht vor 30 Jahren in die PKV gegangen bin.

Nun meine eigentliche Frage:

Ist es denn unmöglich, den heutigen Ist-Zustand und den zukünftigen Soll-Zustand in einer dem Bürger geläufigen Sprache darzustellen ?
Kann denn wirklich nicht offen dargelegt werden, welche Leistungen die gesetzlichen Leistungen sind ? ( einsehbarer Katalog )
Darf denn keine Kasse Ihren Mitgliedern sagen , welche Leistungen sie außerhalb der gestzlich vorgeschriebenen anbietet ?
Kann denn nicht für jeden überschaubar und einsehbar die Mittelverwendung dargestellt werden ?
Behandlung, Krankenhaus , Medikamente , Reha ,Provilaxe , Früherkennung etc.

Über eine nachvollziehbare Antwort würde ich mich freuen.
Normales Deutsch , kein blumiges Poliker - Gerede a la
Talkshow. Wahrheit und kein Wunschdenken.

Mit bestem Gruß
Peter Wenzke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wenzke,

Ihre Bitte um eine nachvollziehbare Darstellung des heutigen IST-Zustand mit dem angestrebten SOLL-Zustand durch die Gesundheitsreform verstehe ich so, dass es Ihnen darum geht, zu erfahren, warum überhaupt eine weitere Reform im Gesundheitswesen notwendig ist.

Zwei Entwicklungen wirken schon heute und in Zukunft noch stärker auf unser soziales Krankenversicherungssystem:

a) eine glücklicherweise immer älter werdende Gesellschaft und die medizinische Entwicklung ebnet den Weg zu einem langen Leben. Wir wissen auch, dass die letzten drei Lebensjahre eines Menschen für die Krankenversicherung am teuersten sind. Insofern stehen wir vor einer demografischen Kostenexplosion, wenn wir ein würdevolles Altern mit medizinisch guter Versorgung gewähren wollen. Die SPD will das. In einigen Jahren werden aber auch grundlegend andere Verhältnisse am Arbeitsmarkt herrschen. Das Erwerbspersonenpotential wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten insbesondere aufgrund der anstehenden Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge dramatisch abnehmen. In der Folge wird es auch weniger arbeitende Beitragszahler geben, mit gleichzeitig weiter steigender Zahl von älteren Menschen.

b) Der Technikfortschritt in der Medizin schreitet weiter voran. Das ist für alle kranken Menschen in unserem Land ein Segen – gleichzeitig dürfen wir aber nicht verschweigen, dass damit auch stetig steigende Behandlungskosten einhergehen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf, stehen wir heute vor der Herausforderung unser Gesundheitssystem für die Zukunft zu rüsten. Dabei gibt es drei Möglichkeiten:
· entweder die Beitragssätze steigen in utopische Höhen, um die Finanzierung zu sichern
· oder alternativ müssen massiv Leistungen abgebaut werden, um mit den vorhandenen Beiträgen, die durch die abnehmende Zahl der Arbeitnehmer sinken, zu wirtschaften. Beide Wege möchte die SPD vermeiden! Denn wir sind stolz auf die gesetzliche Krankenversicherung, die das Herzstück unseres sozialen Sicherungssystems ist. Sie sorgt bisher dafür, dass die medizinisch notwendige Versorgung bei Bedarf für alle Versicherten zur Verfügung steht. Schließlich kann Krankheit alle Menschen treffen. Wer krank wird, hat unabhängig von Alter, Geschlecht oder Einkommen einen Anspruch auf eine angemessene Behandlung. Um diesen guten Zugang zu medizinischen Leistungen und die hohe Qualität unserer Gesundheitsversorgung werden wir von vielen anderen Ländern beneidet. Dies zeigt sich auch regelmäßig im direkten Vergleich mit anderen europäischen Gesundheitssystemen. Daran wollen wir festhalten.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns aus unserer Sicht für die einzig richtige Möglichkeit entschieden:
· wir wollen strukturelle Veränderungen und Verwaltungsabbau bei den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen ebenso wie Kostendeckelung im Bereich der Pharmaindustrie, soweit das in einer Großen Koalition konsensfähig ist. Bei diesem Weg hat man naturgemäß als Politiker alle Lobbyverbände gegen sich. Trotzdem verlieren wir unser Ziel, bei den Leistungen für die Versicherten möglichst wenig abzuspecken, nicht aus den Augen. Natürlich sind trotzdem Leistungsabsenkungen, wie z.B. bei Erkrankungen nach einem Piercing o.ä. notwendig. Wir wollen in der SPD keine Diskussionen a la Phillip Missfelder (Junge Unionsvorsitzender, der 2003 Öffentlich in Frage stellte, ob Hüftoperationen bei älteren Menschen überhaupt noch finanziell vertretbar sind). Jeder soll würdig und gleichberechtigt behandelt werden – das ist sozialdemokratischer Grundsatz und gehört in die Wertedebatte jeder Partei. Dazu benötigen wir aber Kostensenkungsinstrumente, wie z.B. auch die Umstellung für viele Ärzte und Patienten auf sogenannte Generika. Dass sind billige Medikamente mit demselben Wirkstoff wie Originalpräparate. Trotzdem haben die Ärzte weiterhin die Möglichkeit bei erwiesener besserer Wirksamkeit oder bei Unverträglichkeit die teureren Medikamente zu verschreiben. Bezogen auf Ihr Beispiel mit den Betablockern bedeutet das, dass Sie das mit Ihrem Arzt besprechen müssen und der Arzt in seinem Handeln nicht eingeschränkt ist, wenn es im Einzelfall dafür unabweisbare Gründe gibt. Einen einsehbaren Leistungskatalog der Krankenkassen haben viele Krankenkassen im Internet online gestellt. Sie können aber auch bei Ihrer Krankenkasse anrufen und sich – entweder schriftlich oder telefonisch – informieren lassen. Die Kassen haben eine Informationspflicht gegenüber ihren Versicherten. Viele Krankenkassen stellen auch Statistiken über ihre Wirtschaftlichkeit ins Internet bzw. informieren darüber in den Mitgliedsinformationen, welchen Ausgabenanteil der Beiträge z.B. für Krankenhausaufenthalte, wie viel für Arzneimittel oder die ambulante Versorgung verwendet werden. Auch hier kann Ihre Krankenkasse Sie sicherlich informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn, MdB

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