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Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas K. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Andreas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,

mit großer Sorge verfolge ich wie viele andere Bürger die kürzlich bekannt gewordenen Pläne der Deutschen Telekom. Dabei ist die sogenannte "Drossel" noch das kleinere Problem. Hier plädiere ich dringend dafür, dass der Verbraucherschutz dafür sorgen sollte, dass sich solche Angebote nicht mehr als "Flatrate" bezeichnen dürfen.

Der eigentliche Grund, weswegen ich mich an Sie wende und weswegen ich auch die Kategorie "Demokratie und Bürgerrechte" gewählt habe, sind die Telekom-Pläne, eigene und die Inhalte von Kooperationspartnern in ihren Leitungsnetzen von der Drossel auszuschließen. Das bedeutet: Inhalte eigener angeschlossener Unternehmen und Inhalte von Kooperationspartnern werden bevorzugt.

Das ist ein klarer und krasser Verstoß gegen das Prinzip der Netzneutralität. Nun ist "Netzneutralität" leider ein sperriger Begriff. Doch es ist politisch dringend notwendig, ihn in seiner ganzen Tragweite zu verstehen. Das Internet existiert überhaupt nur in der Form, wie wir es kennen, weil die Betreiber der Einzelnetze, aus denen es letztlich besteht, sich dem Prinzip unterwerfen, unbesehen die Daten anderer Einzelnetze ins eigene Netz zu lassen und wenn nötig weiterzuleiten. Wichtig ist dabei das Wort "unbesehen". Netzneutralität bedeutet, alle Internet-Datenpakete innerhalb eines Internet-Betreibernetzes unabhängig von deren Ursprung und Ziel gleich zu behandeln.

Warum das so wichtig ist? Weil nur durch eine garantierte Netzneutralität kleine und mittelständische Unternehmen im Internet auf Augenhöhe mit Großunternehmen konkurrieren können. Weil es ohne Netzneutralität weder Google gäbe, noch Facebook, noch Wikipedia, noch Ebay, und schon gar keine Blogs und kleine Shops. Ohne Netzneutralität gabe es nur BtX mit 16 Millionen Farben.

Was gedenken Sie und Ihre Partei angesichts dieser massiven Bedrohung des wichtigsten Mediums des 21. Jahrhunderts zu unternehmen?

Viele Grüße,
Andreas Knöll

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Knöll,

es freut mich aus dem Wahlkreis zu hören und herzlichen Dank für Ihre Anfrage zu diesem wichtigen Thema. Wir Grünen teilen Ihre Bedenken voll und ganz.
Wir fordern seit langem, die Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben. Schwarz-Gelb darf nicht länger zusehen, wie eines der grundlegendsten Prinzipien eines freien Netzes zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger und auch der Wirtschaft ausgehöhlt wird. Die jetzige Entwicklung hat sich lange abgezeichnet. In diesem so elementaren Bereich ist es mit den seit Jahren von der schwarz-gelben Merkel-Koalition vor sich hergetragenen Selbstverpflichtungen eben nicht getan.
Eine Zwangsdrosselung ist eine künstliche Verknappung des Internets. Die Bevorzugung von eigenen Diensten wie „T-Entertain“ ist ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller im Netz transportierten Daten. Damit wird ein „Zwei-Klassen-Internet“ eingeführt, in dem die Daten derjenigen bevorzugt werden, die mehr bezahlen können. Das Prinzip der Netzneutralität und die gleichberechtigte Übertragung von Daten waren Garant der bisherigen, demokratischen Entwicklung des Internets und sind auch elementar für dessen Zukunft. Die Frage, wie man die Netzneutralität sichert, ist eine der Schlüsselfragen der digitalen Gesellschaftspolitik. Das haben CDU/CSU und FDP bis heute nicht erkannt.
Die geplante Drosselung ist auch ein verheerendes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland und ebenso für den weiteren Netzausbau durch die Telekom, deren Haupteigner der Bund ist. Neue Angebote, die auf schnelles Internet angewiesen sind, werden im Keim erstickt. Wenn der Bedarf an Datenvolumen künstlich gedrosselt wird, sinkt außerdem auch der Druck, ein leistungsfähiges Netz auszubauen.
In dieser Legislatur haben wir Grüne die Bundesregierung mit mehreren parlamentarischen Initiativen aufgefordert, das Prinzip der Netzneutralität endlich gesetzlich zu sichern. Bereits vor über zwei Jahren haben wir mit dem Antrag "Gegen das Zwei-Klassen-Internet – Netzneutralität in Europa dauerhaft gewährleisten" für eine europaweite Lösung plädiert und die Bundesregierung aufgefordert, endlich tätig zu werden. Trotz vollmundiger Versprechungen ist seitdem nichts geschehen. Unsere Warnungen hat die schwarz-gelbe Koalition stets ignoriert. Ausgerechnet diejenigen, die jahrelang ganz vorne im Bremserhäuschen saßen, wie Bundeswirtschaftsminister Rösler und Kulturstaatsminister Neumann, versuchen heute ihr Scheitern durch das Verfassen öffentlicher Briefe und anderer Beschwichtigungen zu kaschieren.
Unsere Forderung als grüne Bundestagsfraktion ist eindeutig: Wir wollen kein ,,Zwei-Klassen-Internet", das Daten bevorzugt – weder die von eigenen Kunden noch von Kunden, die mehr bezahlen können. Wir haben die Bundesregierung in dieser Woche noch einmal mit Nachdruck dazu aufgefordert, die aktuellen Entwicklungen ernst zu nehmen und unsere Vorschläge einer gesetzlichen Sicherung aufzugreifen. Das „Netz“, wie wir es heute kennen, muss erhalten bleiben.

Mit freundlichen Grüßen nach Zwiefalten

Beate Müller-Gemmeke

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