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Bärbel Bas
SPD
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Frage von Margarete B. •

Ist der Ruf nach einem AfD-Verbot nicht eher ein Ablenken von Verantwortung? Wäre nicht eine selbstkritische Reflexion der aktuellen Politik notwendig? Ein Ernstnehmen der unzufriedenen Bürger?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau B.,

 

vielen Dank für Ihre Frage.

 

Wenn wir unser Grundgesetz und dessen Werte ernst nehmen, braucht es aus Sicht meiner Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion wie auch aus meiner Sicht beides. Dass die Forderungen nach einem Prüfverfahren für ein Verbot der AfD nicht unbegründet sind, zeigt sich dadurch, dass die AfD in Teilen eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Dies ist im Rahmen einer mehrjährigen juristischen Prüfung durch die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden in drei Bundesländern belegt worden. Wir müssen feststellen, dass drei Landesverbände der AfD als rechtsextremistisch eingestuft sind, die Landesverbände der AfD in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Zugleich gilt es natürlich Wählerinnen und Wähler durch Inhalte und gute Arbeit zu überzeugen. Dazu gehört eine kritische Selbstreflexion. Und dazu gehört es, die Sorgen der Menschen in unserem Land ernst zu nehmen.   

 

Was die Forderung nach einem Verbot der Partei der AfD betrifft: Gegen Verfassungsfeindinnen und -feinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.

 

Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat. Aufgrund dieser drastischen Folgen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in einer Demokratie, die maßgeblich durch den parteipolitischen Diskurs lebt, hoch. Eine Haltung, durch die oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden, genügt nicht. Eine Partei kann durch das Bundesverfassungsgericht nur dann verboten werden, wenn sie vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann.

 

Wir wissen aus vorherigen Verbotsverfahren, dass diese sehr lange dauern. Im Fall der NPD prüfte das Verfassungsgericht vier Jahre. Mit einem Urteil wäre daher vor den im Herbst anstehenden Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, aber auch vor den Bundestagswahlen im Jahr 2025 nicht zu rechnen.

 

Wie in jedem anderen gerichtlichen Verfahren müssen in einem Parteiverbotsverfahren eindeutige Beweise vorgebracht werden. Die hohen Voraussetzungen für ein Parteiverbot stellen auch an die Beweisführung erhebliche Ansprüche. Hierfür sind die Antragsberechtigten auch auf die Ermittlungen hierzu berufener staatlicher Institutionen angewiesen. Seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über Bestrebungen, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aufgrund ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Haltung wird auch die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall geführt. Wir setzen großes Vertrauen in die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wir werden deshalb die weiteren Erkenntnisse aus dieser weitergehenden Beobachtung abwarten, bevor wir als SPD-Bundestagsfraktion entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen. Dabei werden wir sicher die schrecklichen Erkenntnisse, die die Correctiv-Recherche zu Tage gebracht hat, berücksichtigen. Denn die anhand dieser Recherche von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Treffens im November gefassten Ziele sind menschenverachtend und mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar.  

 

Wichtig ist es, dass wir den Wählerinnen und Wählern deutlich machen, welche Konsequenzen eine Wahl rechter bzw. rechtsextremistischer Parteien hätte. Entscheidend ist es auch, das rechtsextreme Gedankengut, das durch solche Parteien kanalisiert wird, zu bekämpfen.

 

Mir ist aber bewusst: Viele potentielle Wählerinnen und Wähler rechter bzw. rechtsextremistischer Parteien tragen kein rechtsextremes Gedankengut in sich. Für meine Partei, die SPD, und für andere Parteien der Mitte gilt: Wir müssen diese Menschen wieder davon überzeugen, dass wir mit unserer Politik die konkreten Probleme der Menschen lösen und die Herausforderungen, vor denen unser Land steht, bewältigen. Dazu gehört es, die Unzufriedenheit ernst zu nehmen, keine Frage. Die Pandemie, der Klimawandel und die notwendige Transformation unserer Wirtschaft, die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine oder der Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober haben Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen. Ich kann gut verstehen, dass viele müde und erschöpft sind. Denn diese Ereignisse sind nicht abstrakt. Sie haben spürbare Folgen im Alltag. Ob in der Familie, in der Schule oder im Betrieb. Ob an der Kasse im Supermarkt oder an der Tankstelle.

 

Es braucht wieder mehr Austausch und Dialog zwischen der Politik und den Menschen vor Ort. Wie meine Kolleginnen und Kollegen bin ich daher viel im Land unterwegs und führe Gespräche, so auch in den letzten Tagen, in denen ich mich dabei u.a. mit Landwirtinnen und Landwirten ausgetauscht habe – stets fair, auf Augenhöhe und sehr konstruktiv.

 

Generell gilt aber: Wir dürfen nicht die Zuversicht und das Vertrauen darin verlieren, dass wir gemeinsam und demokratisch in der Lage sind, unsere Zukunft zu gestalten. Denn alle Herausforderungen, vor denen wir stehen, können wir bewältigen.

 

Und ja, für die Ampel-Regierung gilt, dass wir noch besser werden müssen. Keine Frage, angesichts der vielen Krisen, denen sich die Ampel-Koalition gegenübersieht, hat auch die Ampel-Koalition Fehler gemacht. Aber die Regierung ist besser als ihr Ruf, die Bilanz besser als die Stimmung im Land.

 

Vor allem im Bereich Soziales haben wir Verbesserungen auf den Weg gebracht, die ganz klar eine sozialdemokratische Handschrift tragen – die Erhöhung des Mindestlohns auf inzwischen 12,41 Euro, die Einführung des Bürgergeldes, gestiegene Renten oder die Erhöhung des Kindergeldes. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben wir zahlreiche Entlastungsmaßnahmen beschlossen, um dessen Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger abzumildern. Während viele vorhersagten, die Energiepreise würden ins Unermessliche steigen und nicht genügend Energie zum Heizen bleiben, hat die von der SPD geführte Ampel-Regierung das Land erfolgreich durch diese Energiekrise gesteuert.

 

Als Koalition haben wir darüber hinaus bereits weitere wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Wir haben geschafft, was die Regierungen vor uns nicht geschafft haben: Wir verkleinern den Bundestag von aktuell 736 Abgeordneten auf eine feste Anzahl von 630 Abgeordneten. Wir sichern die langfristige Perspektive für den Wirtschaftsstandort Deutschland, indem wir beispielsweise unsere Stahlunternehmen bei der Transformation zu klimaneutralem Stahl unterstützen und indem wir mehr Qualifikation und Weiterbildung im Beruf sowie die Einwanderung von Fachkräften ermöglichen. Außerdem treiben wir den Umbau der Energieversorgung voran, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen.

 

Und ja, ich gebe zu, Demokratie ist manchmal anstrengend. Die vorhandenen vielfältigen Meinungen und Interessen innerhalb unseres Landes spiegeln sich aber auch in unserer Regierung wider. Dass es in einer Regierung mit drei so unterschiedlichen Partnern verschiedene Meinungen gibt, wie die Probleme in unserem Land am besten zu lösen sind, liegt auf der Hand. Es erfordert daher die Bereitschaft für Diskussionen und Kompromisse, nicht nur in der Regierung oder im Parlament, sondern auch im Alltag, im Beruf oder in der Familie. Das ist das Wesen der Demokratie und die Basis für ein menschenwürdiges und friedliches Miteinander. Was auch ich mir allerdings wünschen würde, ist, dass es in der Regierung nicht so oft ruckelt.

 

Es gibt in unserer Demokratie verschiedene Möglichkeiten, seinen Unmut gegenüber der Politik kundzutun, u.a. durch Demonstrationen, Streiks oder bei Wahlen. Hierbei stehen verschiedene demokratische Parteien mit unterschiedlichen Programmatiken zur Auswahl. Oder man kann seinen lokalen Abgeordneten anschreiben und in den inhaltlichen Austausch gehen. Es gibt aber keine Rechtfertigung dafür, rechte oder rechtsextremistische Parteien zu wählen, die unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt beschädigen wollen. Das muss jeder Bürgerin und jedem Bürger klar sein, wir alle tragen Verantwortung für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft.

 

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de. Ein passender erster Ansprechpartner für Ihre Fragen und Ihre Anliegen ist stets Ihre lokale Abgeordnete bzw. Ihr lokaler Abgeordneter vor Ort. Diese oder diesen finden Sie bequem und schnell über https://www.bundestag.de/abgeordnete.  

 

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

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