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Anke Rehlinger
SPD
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Frage von Pascal K. •

was haben Sie konkret vor um gegen den Aufschwung von der Rechtsradikale demokratisch feindliche AFD Partei vor?

wann kommt endlich ein verbot? warum wird so eine Partei geduldet?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für eine Anfrage zum Thema AfD-Verbotsverfahren.

Als eine der zentralen Lehren aus unserer Geschichte und der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus wurde im Grundgesetz der Bundesrepublik an mehreren Stellen das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ verankert. Dazu gehört auch das Parteienverbot.

Parteien sind wichtige Bindeglieder zwischen den Wählerinnen und Wählern einerseits sowie dem Parlament und der Regierung andererseits. Daher steht ein Parteiverbot immer in einem Spannungsverhältnis mit anderen demokratischen Grundsätzen. Es müssen deshalb hohe Hürden genommen werden, um ein Verbotsverfahren gegen eine Partei anzustreben.

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt allein die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen nicht für ein erfolgreiches Verbotsverfahren.

Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr erfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.

Erst zweimal hat das Bundesverfassungsgericht ein Parteiverbot ausgesprochen: 

1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten und 1956 die Kommunistische Partei Deutschland (KPD). Ein 2001 gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eingeleitetes Verbotsverfahren wurde 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. Am 17. Januar 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht erneut über ein Verbot der NPD. Dabei stellte es fest, dass die NPD ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt. Das Gericht hat in einer restriktiven Auslegung des Art. 21 II GG zusätzlich das Kriterium der „Potentialität“ eingeführt, d.h. eine Partei muss auch von ihren Wahlergebnissen her ein gewisses politisches Gewicht haben.

Es gibt Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren bei der AfD gegeben sein könnten. Zum Beispiel hat das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (AfV) die AfD Thüringen bereits im März 2021 gemäß § 4 I 2 Nr. 1 ThürVerfSchG als eine erwiesenermaßen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestuft – wie sie richtig in Ihrer Frage erwähnen. Nun hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz nachgezogen und die Gesamtpartei nun als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" bewertet. Ebenso kann man davon ausgehen, dass mittlerweile ein gewisses politisches Gewicht angenommen werden kann. Dagegen spricht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Bundespartei bislang „nur“ als Verdachtsfall einstuft.

Als Sozialdemokratin beobachte ich das Erstarken rechtsextremer Kräfte mit großer Sorge. Wir brauchen eine zweigeteilte Strategie: Wir müssen in Haltungsfragen klar bleiben. Und wir müssen an den Themen arbeiten, die die Menschen verunsichern und frustrieren. Die zentralen Ziele der SPD-Landregierung sind es, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, Sicherheit im Wandel zu geben und für sozialen Ausgleich zu sorgen. Kurz: Gute Politik, die sich an den Problemen und Herausforderungen der Saarländerinnen und Saarländer orientiert. Damit wollen wir auch den falschen Versprechungen von rechts den Nährboden entziehen. Die SPD war und ist auch in Zukunft das Bollwerk gegen rechts.

Dabei ist klar, dass ein Verbot kein Allheilmittel gegen das von einer verfassungswidrigen Partei verbreitete Gedankengut ist. Auch aus diesem Grund, sollte ein Verbotsverfahren nicht leichtfertig angestrebt werden.

Die rechtsverbindliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei und die Entscheidung über ihre Auflösung obliegen dem Bundesverfassungsgericht. Dieses kann gemäß Artikel 21 GG nur tätig werden, wenn ein Verbotsantrag von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung gestellt wurde. Ein Parteiverbot setzt also voraus, dass die Antragsberechtigten nach sorgfältiger Vorprüfung ernsthaft die Möglichkeit sehen, dass ein Verfahren auf Verbot der AfD erfolgreich sein könnte.

Es ist demnach legitim und notwendig, im Rahmen unserer demokratischen Möglichkeiten das Wirken einer Partei in Hinblick auf ihr möglicherweise verfassungswidriges Agieren zu beobachten und dabei auch ein Verbotsverfahren in Betracht zu ziehen. Wenn die Erkenntnisse über die Partei eines Tages so weitreichend sind, dass sie die Erfolgsaussicht eines solchen Verfahrens als gesichert erscheinen lassen, sollten ein Verbotsverfahren angestrebt werden.

Nichtsdestotrotz gilt: Mit einem Verbotsverfahren, bei dem nicht von einem Erfolg ausgegangen werden kann, werden wir unserer Demokratie einen Bärendienst erweisen und der verfassungswidrig agierenden Partei sogar einen vermeintlich positiven Anstrich verpassen. 

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir Herz und Verstand in dieser Frage miteinander in Einklang bringen müssen. Auch wenn es politisch starke Argumente für einen solchen Prüfantrag gibt, ist für mich eine akribische Vorbereitung und ein Abwägen aller Vor- und Nachteile entscheidend. Da sollten wir uns nicht von Emotionen leiten lassen. Es geht schließlich um das schärfste Schwert, das unsere Demokratie zur Verfügung hat.

Mit freundlichen Grüßen

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