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Anja Weisgerber
CSU
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Frage von Florian W. •

Frage an Anja Weisgerber von Florian W. bezüglich Innere Angelegenheiten

Sehr geehrte Frau Weisgerber,

Ich wende mich an Sie in der Angelegenheit der derzeit in Bayern gültigen vorläufigen Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie.

Lassen Sie mich vorweg sagen, dass ich verstehe, dass hier auch unter Zeitdruck gehandelt wurde und dass ich die epidemiologische Sinnhaftigkeit von Maßnahmen wie Kontaktminimierung und ähnlichem nicht bezweifle.

Mit Sorge beobachte ich allerdings, in welchem Maß diese Ausgangsbeschränkung unsere Grundrechte einschränkt und welch verheerende soziale und wirtschaftliche Folgen sie haben wird.

Die Staatsregierung beruft sich in ihrer Begründung dieser Ausgangsbeschränkung auf § 28 Abs. 1 IfSG, aber offenbar sind auch Experten durchaus nicht der Ansicht, dass diese drastischen Maßnahmen durch diesen Absatz des IfSG gedeckt sind (als ein Beispiel: https://verfassungsblog.de/whatever-it-takes/). Zwar steht in § 28, die Regierung „kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten“, allerdings ist hier – so wie ich es laienhaft verstehe und auch Prof. Dr. Kingreen auf dem Verfassungsblog darstellt – von „einzelnen, individuell gefährlichen Personen“ die Rede, nicht davon, einem kompletten Volk von mehreren Millionen Menschen drastische Strafen anzudrohen, wenn sie das Haus ohne triftigen Grund oder mit den falschen Personen verlassen.

Die sozialen Folgen dieser Ausgangsbeschränkung werden enorm sein. Nicht nur, dass es viele Hinweise darauf gibt, dass die häusliche Gewalt massiv zunehmen wird, nein auch für die psychische Gesundheit ist diese mit staatlichem Druck aufgezwungene Isolation alles andere als förderlich.

Und immerhin geschieht dies ja auch unter der Maßgabe, die Gesundheit der Bürger zu sichern. Punkt 5g der Ausgangsbeschränkung „Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes“ ist ein Hohn, wenn man bedenkt, dass die häufigste Haushaltsform in Deutschland der Singlehaushalt ist. Hier werden unzählige Menschen nicht in ihren sozialen Kontakten eingeschränkt – nein, man verbietet ihnen JEGLICHEN sozialen Umgang, jegliches Sozialleben!

Als Alleinlebender darf man nicht einmal einen Freund zu sich nach Hause einladen. Als alleinlebende Person wird jeglicher Sozialkontakt damit unter Strafe gestellt! Das ist für psychisch stabile Menschen schon ein schwerwiegender Eingriff.

Welche Auswirkung das auf Menschen haben wird, die unter psychischen Problemen leiden, will ich mir nicht vorstellen. Die Deutsche Depressionshilfe befürchtet einen Anstieg an Suiziden.

Aber auch die wirtschaftlichen Folgen werden fatal sein. Wenn diese Ausgangsbeschränkung in dieser drastischen Form so verlängert wird, dann werden unsere Innenstädte weitersterben oder vollständig von Ketten regiert sein. Überhaupt werden ein Großteil der kleinen inhabergeführten Unternehmen dies dann nicht überleben, wenn man ihnen jegliche Möglichkeit nimmt, Handel zu treiben. Der Vorteil des stationären Einzelhandels war die Nähe zum Kunden – genau diesen Vorteil, hat man ihnen nun genommen.

Wollen wir Unternehmen wie Amazon zu noch mehr Marktmacht verhelfen? Wollen wir die unzähligen kleinen Unternehmer, Handwerker, Künstler, Gewerbetreibende in die Insolvenz treiben? Wer wird das auffangen? Und wie? Wie soll sich die Wirtschaft davon wieder erholen können? Wollen wir wirklich in Städten leben, in denen nur noch große Ketten das Angebot bestimmen? Waren wir nicht so stolz auf die Vielfalt unseres Handwerks? Auf die Vielfalt und Qualität unserer Brauereien? Wie sollen diese Unternehmen das überleben?

Wenn die Ausgangsbeschränkung in dieser Form nach dem 3.4.20 weitergeführt wird, dann werden die sozialen und wirtschaftlichen Folgen verheerend sein.

Ich bitte Sie eindringlich, sich dafür einzusetzen, dass mit Ablauf der vorläufigen Ausgangsbeschränkung die Maßnahmen zurückgenommen bzw. mit Fingerspitzengefühl an ein vertretbares Maß angepasst werden.

Ich denke, es wird doch so ziemlich jeder verstehen, wenn Großveranstaltungen abgesagt oder eingeschränkt werden. Aber es provoziert ein Sterben mittelständischer Unternehmen und unvorhersehbare soziale und wirtschaftiche Folgen sowie eine Aufweichung unserer Grundrechte, wenn die Maßnahmen unverändert so weitergeführt werden!

Ich bitte Sie eindringlich: Wirken Sie daraufhin, dass dies nicht geschieht! Setzen Sie sich dafür ein, dass weitere Maßnahmen mit Augenmaß ergriffen werden.

Diese absolute Lösung, die derzeit gültig ist, bringt längerfristig mehr Schaden als Nutzen.

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen,
Florian Westermann

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Westermann,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.

Die Ausgangsbeschränkungen und Kontaktminimierungen dienen dem Ziel, die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen und damit Leben zu retten. Bundesregierung, Landesregierungen und die Parlamente haben diese beispiellosen Maßnahmen nicht leichtfertig erlassen. Die Verantwortlichen beobachten die Lage genau und verfolgen die Entwicklung der Zahlen zu Neuinfektionen und Verstorbenen praktisch stündlich. Anhand der Entwicklung dieser Zahlen wird auch eine Exit-Strategie ausgerichtet.

Jeder Einzelne von uns ist von den aktuellen Maßnahmen betroffen, und je länger sie andauern, umso mehr beschäftigt uns die Frage, ob sie gerechtfertigt sind. Die Mitglieder der Bundesregierung und der Regierungen der Länder sowie meine Bundestagskollegen und ich sind sich ihrer enormen Verantwortung bewusst. Verantwortung zum einen für die Eindämmung der Pandemie und zum anderen dafür, dass die Gesellschaft und die Wirtschaft die Krise überstehen. Gleichzeitig dürfen sich die extremen Eingriffe in die Freiheit aller nicht noch lange hinziehen. Das ist uns allen klar. Auch wenn wir nicht von jetzt auf gleich wieder auf „normal“ schalten können, da wir u.a. von der Entwicklung der Infektionszahlen abhängig sind, kann sich jeder Bürger sicher sein, dass mit dem Ende der Krise die Freiheitsrechte umgehend wieder hergestellt werden.

§28 IfSG sieht explizit vor, dass Schutzmaßnahmen „die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes)“ einschränken können.

Dort heißt es auch, dass Personen dazu verpflichtet werden dürfen, "den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind".

Natürlich dürfen die Maßnahmen nur zeitlich, räumlich oder personell begrenzt gelten. Angesichts des epidemiologischen Geschehens, das beispiellos ist, ist es aus meiner Sicht gerechtfertigt, die Maßnahmen entsprechend auszuweiten. Für eine begrenzte Zeit!

Auch die sozialen Folgen der Einschränkungen bereiten meinen Kollegen und mir natürlich Sorgen, und ich bin sicher, dass die Verantwortlichen auf allen Ebenen Entwicklungen, die u.a. häusliche Gewalt betreffen, in ihre Entscheidung über mögliche Lockerungen einbeziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Weisgerber

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