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Andreas Lenz
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Frage von Margit K. •

Frage an Andreas Lenz von Margit K.

Sehr geehrter Herr Dr. Lenz,

auch ich - als mitlerweile Landwirtin verfolge CETA mit großer Sorge. Wenn ich richtig informiert bin, ist TTIP "hinfällig" wenn CETA durchgeht. Soll heißen, dann können amerikanische Firmen alles über den kleinen Umweg Kanada durchsetzen. Ist das von der DEUTSCHEN POLITIK wirklich so gewollt??

Möchten Sie die amerikanischen Schiedsgerichte haben, wie mein Vorfrager bereits gefragt hat?

Mit besten Grüßen
Dr. Margit Krausenboeck

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Dr. Krausenboeck,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Themen TTIP und CETA. Ich möchte zunächst kurz auf die Frage eingehen, ob wir überhaupt Freihandelsabkommen brauchen. Zweifelsohne sind globale Abkommen besser als bilaterale Abkommen zwischen zwei Ländern. Dieses Ziel sollte auch weiter verfolgt werden. Es geht letztlich darum, wie die Globalisierung Regeln bekommt, die sowohl für Entwicklungsländer als auch für Industrieländer einen fairen Ausgleich darstellen. Freier Handel alleine ist immer auch ein Stück weit Ausbeutung der schwächeren Partei. Deshalb muss freier Handel Gerechtigkeits- und Fairnessaspekte berücksichtigen. Europa sollte diese Aspekte einbringen und in diesem Sinne die Regeln mitgestalten. Ich würde allerdings Handel an sich nicht grundsätzlich in Frage stellen. Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land vom Freihandel.

Gerade das Thema Nachhaltigkeit sollte die Basis von Handelsverträgen darstellen. So könnten beispielsweise die globalen Nachhaltigkeitsziele die Basis von kooperativen Handelsverträgen darstellen.

Ich habe die Verhandlungen sowohl zu CETA als auch zu TTIP kritisch und konstruktiv begleitet. Glauben Sie mir, ich habe und werde auch zukünftig in diesem Zusammenhang nichts einfach durchwinken. Ich verfolge jede Verhandlungsrunde und versuche anhand der Protokolle die Entwicklung zu beurteilen.

Vor allem die mangelnde Transparenz gab viel Anlass zu Skepsis und Misstrauen. Hier hat sich einiges zum Besseren verändert. Beispielsweise gibt es jetzt auch für die Mitglieder des Bundestages Zugang zu den konsolidierten Texten, das heißt zu den Vertragsbestandteilen, die bereits in einem etwaigen Vertragstext niedergeschrieben sind. Meine Erfahrungen aus dem Leseraum decken sich mit den auch später öffentlich gewordenen Unterlagen: Es gibt bei TTIP noch viele strittige Punkte, die erst noch verhandelt werden, gerade im Bereich des Verbraucherschutzes und der Land-wirtschaft. Andere Punkte wie beispielsweise die kommunale Daseinsvorsorge, die Wasserversorgung oder auch die nationale Rahmensetzung werden definitiv durch ein etwaiges Abkommen nicht beeinträchtigt – das wurde bereits so beschlossen! Hier hat sich also schon einiges getan. Das sind jedoch nur erste Schritte – es muss noch mehr geschehen.

Darüber hinaus brauchen wir schon vor der Abstimmung des Vertragstextes eine intensive Beteiligung der nationalen Parlamente. Bei TTIP handelt es sich um ein so genanntes ‚gemischtes Abkommen‘, das heißt, die nationalen Parlamente müssen einem etwaigen Vertragstext auch zustimmen. Dies hat der Europäische Gerichtshof in seinem Gutachten zur Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitglied-staaten in Bezug auf die Grundsatzentscheidung zum Freihandelsabkommen mit Singapur bestätigt. Dadurch werden die nationalen Parlamente gestärkt, indem um-fassende Handelsverträge der EU von allen nationalen Parlamenten gebilligt werden müssen.

Es gibt bei TTIP Chancen und Risiken. Diese müssen verantwortlich abgewogen wer-den. Vor allem gilt es die bayerischen, deutschen und europäischen Interessen zu vertreten und dementsprechend auf die Verhandlungen Einfluss zu nehmen. Die Wahl des neuen US-Präsidenten wird sich sicherlich auf die weiteren Verhandlungen über TTIP auswirken. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es meiner Ansicht nach unredlich zu sagen, man ist „für“ oder „gegen“ diesen Vertrag, da wir noch nicht sagen können, was in einem etwaigen Vertrag endgültig stehen wird. Letztlich müssen die Verhandlungen ergebnisoffen geführt werden, das heißt ein Scheitern der Verhandlungen muss immer eine Option sein, wenn für Europa und Deutschland wichtige Punkte nicht umgesetzt werden würden. Dabei darf es keine zeitlichen Zwänge geben.

Anders verhält es sich bei CETA: CETA wurde mittlerweile am 30. Oktober 2016 durch Kanada und die Europäische Union unterzeichnet. Zuvor hatten auch alle Mitgliedstaaten der EU das Abkommen unterzeichnet. Ergänzend hat Bundeswirt-schaftsminister Sigmar Gabriel mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland am 18. September 2016 eine Zusatzvereinbarung beschlossen. In dieser gemein-samen Erklärung gehen Gabriel und Freeland auf die gemeinsame Handelspolitik und CETA ein. Dabei betonen sie die Bedeutung von Investitionsschutzbestimmun-gen mit rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren, den Erhalt der hohen Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber auch das Nachhaltigkeits-kapitel in CETA, das beispielsweise den Schutz von Arbeitnehmerrechten berücksichtigt. Konkret werden dabei beispielsweis die ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert und angewendet. Es sind u.a. Schutzvorschriften für die öffentliche Daseinsvorsorge, Verbraucher- und Umweltschutz sowie Arbeitsmarktklauseln vorgesehen, die gewährleisten, dass es hier nicht zu Standardabsenkungen kommt.

Ich sehe Freihandelsabkommen durchaus kritisch. Wir brauchen vor allem auch einen fairen Handel. CETA ist aber nicht TTIP, Kanada hat aus eigenen Erfahrungen gelernt, sämtliche Punkte die an CETA kritisiert wurden, sind letztlich im Sinne der EU gelöst worden. Im Bereich Investitionsschutz setzt CETA richtungsweisende Maß-stäbe. Der Schutz von Investitionen (beispielsweise vor Zwangsenteignungen), die ein Investor tätigt ist grundsätzlich sinnvoll. Betriebe sollen so vor willkürlichen politischen Entscheidungen geschützt werden. Für CETA wurde ein modernes Regelwerk zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten umgesetzt. Anstatt der traditionellen nichtöffentlichen Schiedsgerichte mit Schiedsrichtern, die ad hoc von den jeweiligen Streitparteien benannt werden, sieht CETA ein stehendes, öffentlich legitimiertes Investitionsgericht vor, dessen Richter von den CETA-Vertragsparteien ernannt wer-den. Die Verfahren sind transparent und es gibt eine Berufungsinstanz. Das ist ein moderner Standard, an dessen Ausgestaltung Deutschland maßgeblich mitgewirkt hat.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine persönliche Sichtweise zu dem Thema darlegen. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne unter andreas.lenz@bundestag.de zur Verfügung.

Freundliche Grüße

Andreas Lenz

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