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Andrea Lindlohr
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian S. •

Frage an Andrea Lindlohr von Christian S. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Lindlohr

In Wolfschlungen im Landkreis Esslingen befindet sich mit der Schule „Profil C“ eine von zwei Schulen in Deutschland, die nach dem Konzept „Accelerated Christian Education“ (ACE) arbeiten.

Wie man den Berichten von ehemaligen Schülern dieser Art von Schulen und den dort verwendeten Unterrichtsmaterialien (z.B. präsentiert von Jonny Scaramanga im Guardian www.guardian.co.uk/profile/jonny-scaramanga entnehmen kann, werden die Schüler in diesen Schulen nicht dazu angeregt, sich selbst zu informieren und eine eigene Meinung zu bilden, sondern eine fest vorgegebene Position einzunehmen, die eine streng evangelikal-fundamentalistische Interpretation der Bibel darstellt.

So werden nicht nur religiöse Interpretationen als Wahrheit verkauft, es werden einseitig politische Positionen gelehrt, die stark von den Werten unseres Grundgesetzes abweichen. So wird als Wahrheit gelehrt, gute Politik bestünde darin, Steuern zu senken und Sozialsysteme zu kürzen. Und es wäre sinnvoll, wenn nur Steuerzahler das Wahlrecht hätten.

Auch werden mit bewussten Falschinformationen wissenschaftliche Erkenntnisse wie die Evolutionstheorie, die Theorie der Plattentektonik, das Alter der Erde usw. verleugnet.

Jedes Kind hat ein Recht auf vielfältige, wissenschaftlich akkurate Bildung, die zum Führen eines eigenständigen Lebens befähigt.

Was wird ihre Fraktion im Landtag und was werden Sie unternehmen, um sicherzustellen, dass die Schule in Wolfschlungen und andere Schulen in religiöser Trägerschaft in Baden-Württemberg diesem Maßstab gerecht werden?

Mit freundlichen Grüßen

Christian Schwarz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schwarz,

vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Schule „Profil C – Freie Christliche Schule“ in meinem Wahlkreis. Sie wurde vor vier Jahren gegründet und vereint nach meinem Kenntnisstand heute kaum zehn Schüler in einer jahrgangsübergreifenden Grund- und Realschulklasse. Die Schule spielt also im öffentlichen Leben meines Wahlkreises keine bedeutende Rolle. Sie ist physisch übrigens nicht in Wolfschlugen angesiedelt, wie der Internetauftritt vermuten lässt, sondern in Ostfildern-Kemnat.
Meiner Fraktion setzt sich für ein vielfältiges Bildungsangebot ein. Dazu können neben öffentlichen Schulen auch Schulen in freier Trägerschaft gehören. Wir legen Wert darauf, dass die Zulassung und der Betrieb solcher Schulen staatlich kontrolliert wird. Das ist z.B. wichtig um zu verhindern, dass sich über ein zu hohes Schulgeld ein privilegierter Kreis in Eliteschulen absetzt (entspricht Sonderungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 GG). Das Privatschulgesetz von Baden-Württemberg beschränkt außerdem die Freiheit der Privatschulen darin, ihre Kosten durch eine unverhältnismäßig schlechte Bezahlung der Lehrkräfte zu drücken.
Nach dem Grundgesetz dürfen Privatschulen auch „in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen“. Weil sie im Bildungsauftrag des Landes auf einen staatlich anerkannten Schulabschluss vorbereiten muss, kann es sich am Ende keine Privatschule leisten, die in den Lehrplänen definierten Inhalte zu vernachlässigen. In Bezug auf die Evolutionstheorie ist mir beispielsweise bekannt, dass das Schulamt die betreffenden Unterrichtseinheiten in Bekenntnisschulen durchaus auch nach der Genehmigung zur Kontrolle besucht.
Natürlich muss sich auch die Lehre in den Privatschulen zwingend auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen. Nach Artikel 12 der Landesverfassung ist die Jugend zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen. Es wäre sicher problematisch, falls in der Schule Profil C, wie Sie angeben, tatsächlich ein Zweiklassenwahlrecht nach dem Kriterium des Steuerzahlens propagiert würde. Ich kann Ihre Angaben dazu allerdings nicht aus anderen Quelle bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindlohr

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