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Alexander Ulrich
BSW
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Frage von Mathias W. •

Frage an Alexander Ulrich von Mathias W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Ulrich.
Leider kam es z. B. in Wickersdorf/Thüringen im Juli 2007 zu Keulungen von über 1200 Tieren, obwohl nur bei einer Gans der Virus gefunden wurde. Der gesetzlich zugedachte Spielraum bei der Auslegung der gültigen Verordnung wurde nicht voll ausgeschöpft, um Leben zu retten statt zu vernichten. Es wäre laut Verordnung problemlos möglich gewesen, zu beobachten anstatt zu töten. Ferner wurde im 3-km-Sperrbezirk gekeult anstatt auf die Richtlinie 2005/94/EG des Rates vom 20. Dezember 2005 mit Gemeinschaftsvorschriften zur Bekämpfung der Aviären Influenza und zur Aufhebung der Richtlinie 92/40/ EWG zurückzugreifen. Durch die unnötige Keulung - bis auf die Gans war sämtliches Geflügel gesund (vgl. Epidemiologisches Bulletin Nr. 07/2007 vom FLI) - wurden auch sog. Rote-Listen-Rassen des VHGW (Verband der Hühner-, Groß- und Wassergeflügelzüchtervereine) getötet. Diese Rassen sind vom Aussterben bedroht und stellen eine eminent wichtige genetische Ressource dar (vgl. internationales Übereinkommen zur Erhaltung der Biodiversität). Was werden Sie unternehmen, damit in Zukunft derartige Fehler vermieden werden?
Eine Stallpflicht, wie sie derzeit in vielen Bundesländern üblich ist, ist absolut überzogen. Hier zwingt der Staat zu einer tierschutzkonträren Haltung auf der Grundlage der Vermutung, dass der Vogelgrippevirus durch Zugvögel übertragen wird. Das hat sich bislang trotz über zweijähriger intensivster Suche in keinem einzigen Fall bestätigt. Bestätigt hat sich aber die Verbreitung des Virus aus Massentierhaltungsanlagen und ihren Gütertransport. Was werden Sie unternehmen, damit derartige Verbreitungswege ausgeschlossen werden?
Effektive Marker-Impfstoffe werden zurzeit nicht eingesetzt wegen drohenden Handelsbeschränkungen und hohen Kosten für die Wirtschaftsgeflügelzucht. Was werden Sie unternehmen, damit die billigeren Impfstoffe auf Trinkwasserbasis schnellstmöglich zum Einsatz kommen?
Mit freundlichen Grüßen
Mathias Weis

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BSW

Sehr geehrter Herr Weis,

vielen Dank für Ihre Nachfrage, wie sich die Linke in der Diskussion um die Aviäre Influenza positioniert!
Impfen statt Töten muß im Grunde die Devise heißen mit der wir in Deutschland die Tierseuchen auf Dauer in den Griff bekommen müssen. Bei der aktuell sporadisch entdeckten gefährlichen Variante der aviären Influenza (Subtyp H5N1) gibt es bislang leider noch keinen wirksamen Impfschutz, der in der Lage wäre, die Ausbreitung der Seuche einzudämmen. Nach Aussage des FLI wird zwar intensiv an der Entwicklung eines Impfstoffes gearbeitet, einen Zeitpunkt, wann denn ein solcher Impfstoff verfügbar sei, kann aber auch das FLI nicht treffen. Der in den Niederlanden eingesetzte Impfstoff ist auch im FLI noch einmal getestet worden und die Wirkung wurde als unzureichend einstuft. In akuten Fällen mit an H5N1 erkrankten Tieren ist an der Keulung der betroffenen Bestände wohl noch nichts zu ändern.

Die aktuelle Verordnung zur Bekämpfung der aviären Influenza regelt auch die Stallpflicht. Zur Zeit sieht es so aus, dass in den meisten Gebieten Deutschlands die Freilandhaltung möglich ist und durchgeführt wird. Zum Glück sind bislang auch nur wenige Einzelfälle im Ausbruch der Vogelgrippe aufgetreten. Insbesondere für Wassergeflügel ist dauerhaft auch kaum etwas anderes als die Freilandhaltung vorstellbar!. Offen in der Debatte ist allerdings, ob es Regionen geben wird, die für eine Freilandhaltung von Wirtschaftsgeflügel auf Dauer gesehen zu risikoreich sind.

Die Bekämpfung der aviären Influenza darf unserer Meinung nach nicht zu einem De - facto - Verbot der Freilandhaltung entwickeln. Wir haben daher gefordert, zum einen die Forschung zur epidemiologischen Entwicklung der Tierseuche auszubauen und zum anderen über eine differenzierte Bekämpfung der H5N1 nachzudenken. So, dass zwischen Hobby- und kleinen Freilandgeflügelhaltern auf der einen Seite und den Wirtschaftsgeflügelhalten auf der anderen Seite unterschieden wird. Damit könnte zum Beispiel ein Impfprogramm für Hobby und kleine Geflügelhalter tragbar sein, während es für größere Wirtschaftsbetriebe keine gangbarer Weg ist, solange noch kein geeigneter Markerimpfstoff verfügbar ist. Allerdings ist es ein Irrtum, dass nur industriealisierte Massentierhalter von der Vogelgrippe betroffen sind. Aufgrund der Größe der Betriebe und der aktuellen Tötungsaktionen kann man diesen Eindruck gewinnen, da die großen Zahlen der Keulungen sehr medienwirksam sind. Das ist leider nicht so, auch kleine Tierhalterungsbetriebe sind betroffen, sonst wäre die Diskussion um die Massentierhaltung auch in einer völlig neue Intensität!

Wir können Ihnen versichern, dass wir uns nach Kräften für die Freilandhaltung von Geflügel und für die Entwicklung eines geeigneten Impf- und Seuchenbekämpfungsprogramm einsetzten!

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Ulrich

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