Lobbyjobs für Rheinmetall, Daimler und Co.

Wie Ex-Minister ihre Kontakte zur Bundesregierung versilbern

Nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt finden Minister meist schnell einen neuen Job – für Konzerne und Lobbyverbände sind sie die perfekten Türöffner. Eine neue Liste zeigt, wie ehemalige Kabinettsmitglieder in den vergangenen Monaten an ihre alte Arbeitsstätte zurückkehrten, diesmal im Auftrag von Rheinmetall, Daimler und dem Allianz-Konzern. Was hatten sie mit der Bundesregierung zu besprechen?

von Martin Reyher, 24.01.2020
Regierungsantwort: Lobbykontakte von Ex-Kabinettsmitgliedern (Ausriss)

Wer traf wen? Die vollständige Liste der Lobbykontakte finden Sie am Ende des Artikels


Vergangenen Mai hatte der frühere Kanzleramtsminister Eckart von Klaeden mal wieder mit seiner Ex-Chefin zu tun. Bei einem Gespräch am 17.5.2019 mit Kanzlerin Angela Merkel ging es um die großen Themen dieser Zeit: Klimaschutz, e-Mobilität, Handelsfragen. Es sind die Themen, die auch den derzeitigen Arbeitgeber von Eckart von Klaeden umtreiben – den Autobauer Daimler.

Der Name des Daimler-Lobbyisten taucht gleich dutzendfach in einer Liste auf, die vor kurzem durch eine Parlamentarische Anfrage der Linken an die Bundesregierung öffentlich geworden ist. Die Linksfraktion wollte in Erfahrung bringen, welche früheren Kabinettsmitglieder im Rahmen einer Lobbytätigkeit Kontakt zur Bundesregierung aufgenommen haben – und die Liste ist lang: Mehr als 300 Lobbykontakte mit ehemaligen Ministern und Parlamentarischen Staatssekretären führt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf.

Türöffner für Rheinmetall und Allianz

Gesprächsbedarf hatten zum Beispiel mehrere Ex-Minister, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt bei großen Konzernen unterkamen:

  • Allianz-Vorstand Daniel Bahr, zuvor Bundesgesundheitsminister, traf sich am 20. August 2018 mit dem aktuellen Ressortchef Jens Spahn zum Thema „e-Health“.
  • Der Aufsichtsrat des Rüstungsherstellers Rheinmetall, Franz-Josef Jung, führte am 13. September 2018 ein Gespräch mit zwei Parlamentarischen Staatssekretären im Bundesverteidigungsministerium – Thema: unbekannt. Jung war 2009 für kurze Zeit Verteidigungsminister.
  • Rheinmetall-Berater Dirk Niebel, einst Entwicklungshilfeminister, traf sich am 20. Januar 2017 mit dem damaligen Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, das Thema des Gesprächs ist nicht bekannt. Auch mit seinem früheren Ministerium stand Niebel mehrfach in Kontakt.

Manch ein Treffen veranlasst eher zum Schmunzeln („Bienentag“), zu anderen würde man gerne mehr wissen. Welches Anliegen hatte etwa der Cheflobbyist des Arbeitgeberverbandes bda und frühere Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter, der sich am 16. Juli 2019 mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier austauschte? Worüber sprachen Daimler-Lobbyist von Klaeden und Wirtschaftsminister Altmaier am 24. Juni 2019? Um mehr über die Lobbygespräche in Erfahrung zu bringen, haben wir auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) alle verfügbaren Unterlagen bei den Ministerien angefordert (bis zur Beantwortung wird es einige Wochen dauern).

Zwei ehemalige Kabinettsmitglieder haben sich inzwischen mit einer Beratungsfirma selbstständig gemacht und suchten in den vergangenen Monaten ebenfalls Kontakt zur Bundesregierung. Der frühere Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer telefonierte am 16. Januar 2019 mit Niels Annen, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, zu „Fragen zu Exportgenehmigungen“. Ex-Innenstaatssekretär Ole Schröder kontaktierte am 16. Mai 2019 einen hohen Beamten im Bundesverkehrsministerium zum „autonomen Fahren“. Wenige Wochen zuvor hatte er sich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium Peter Tauber ausgetauscht, dabei ging es um das Thema Netzausbau und Frequenzversteigerungen.

Wenn Lobbykontakte zum Problem werden

Dass Regierungsmitglieder und Interessenvertreter miteinander im Gespräch sind, ist durchaus sinnvoll: Die Politik hört sich unterschiedliche Argumente von Wirtschaft, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen an, um dann die bestmögliche Entscheidung im Interesse der Allgemeinheit zu treffen – so sollte es in einer Demokratie sein. Zu einem Problem wird es, wenn sich die Politik fast ausschließlich die Anliegen der einen Seite anhört oder deren Wünsche gar eins zu eins in Gesetzestexte übernimmt (Lesen Sie zu diesem Thema auch: Wie sich die Bankenlobby ein Gesetz zum großangelegten Steuerraub schrieb | Wirtschaftsminister Altmaier nahm für Unternehmen aus seinem Wahlkreis Einfluss auf Gesetzentwurf). Um derartige Fälle sichtbar zu machen, braucht es Transparenz.

Am früheren Kanzleramtsminister Eckart von Klaeden lässt sich besonders schön zeigen, was ehemalige Spitzenpolitiker für die Wirtschaft attraktiv macht. Von Klaeden saß 19 Jahre für die CDU im Deutschen Bundestag, war Parlamentarischer Geschäftsführer, außenpolitischer Sprecher, Obmann im Untersuchungsausschuss zur missbräuchlichen Visa-Vergabe. Doch eines war Eckart von Klaeden nie: ein ausgewiesener Autoexperte. Heute verdient er sein Geld als Türöffner für den Daimler-Konzern.

Seitenwechsel zur Immobilienlobby untersagt – vorübergehend

Seitenwechsel wie im Fall von Klaeden oder der von Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla zur Deutschen Bahn führten 2015 zu einer Gesetzesänderung. Seitdem müssen Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre der Bundesregierung melden, wenn sie innerhalb der ersten 18 Monate nach Ausscheiden aus ihrem Amt einen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes annehmen wollen. Der Wechsel kann für diesen Zeitraum ganz oder teilweise untersagt werden, wenn dadurch das „öffentliche Interessen beeinträchtigt“ wird – ein Fall, der erst vor wenigen Wochen wieder eintrat. Da untersagte die Bundesregierung dem Parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Oliver Wittke die Aufnahme seines Lobbyjobs bei der Immobilienwirtschaft.

Wittke wird kein Problem haben, die 16-monatige „Abkühlphase“ zu überbrücken: Bis zu seinem Amtsantritt als Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilienverbandes (ZIA) will der CDU-Politiker weiterhin als Bundestagsabgeordneter tätig bleiben.

Wer traf wen? Die Treffen in der Übersicht

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