Portrait von Wolfgang Tiefensee
Wolfgang Tiefensee
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Wolfgang Tiefensee zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Tobias H. •

Frage an Wolfgang Tiefensee von Tobias H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Tiefensee,

welche konkreten Maßnahmen möchten Sie im Fall Ihrer Wahl umsetzen, damit sich die finanzielle Situation der Kommunen und damit auch der Stadt Leipzig wesentlich verbessert? Wo sehen Sie bundespolitische Stellschrauben damit kommunale Einnahmen erhöht bzw. Ausgaben verringert werden? Welche kommunalen Aufgaben würden Sie z. B. an Bund oder Land abgeben?

Vielen Dank und beste Grüße
Tobias Horn

Portrait von Wolfgang Tiefensee
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Horn,

die SPD steht an der Seite der Kommunen. In unserem Regierungsprogramm sind kommunalpolitische Forderungen prominent vertreten, zu denen ich voll und ganz stehe – auch deshalb, weil ich die schwierige Lage der Kommunen noch aus meiner Zeit als Leipziger Oberbürgermeister kenne.

Unser Ziel sind starke Kommunen. Von starken ihnen hängt es ab, ob unsere Kinder gute Kitas und Schulen vorfinden, wie Menschen aufwachsen und leben, ob Integration gelingt und ob sich die Leute in ihrer Gemeinden und in ihren Städten sicher fühlen.

Aber statt die Kommunen zu stärken, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung vier Jahre lang Klientelpolitik zulasten der Kommunen gemacht: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz inklusive der „Mövenpick-Steuer“ (Steuervorteile für Hoteliers) hat die Kommunen 1,6 Milliarden Euro gekostet. die Änderung bei der Unternehmensbesteuerung hat zu Ausfällen von 650 Millionen Euro geführt. Und das von SPD und Grünen im Bundesrat zu Fall gebrachte Gesetz zum Abbau der kalten Progression hätte die Kommunen weitere 600 Millionen Euro gekostet.

Die Klientelgeschenke werden durch steigende Gebühren in den Kommunen und durch steigende kommunale Schulden bezahlt. Unsere Kommunen haben Schulden in Höhe von knapp 134 Milliarden Euro, Kassenkredite von 48 Milliarden Euro und einen Investitionsstau, den die Kreditanstalt für Wiederaufbau auf 128 Milliarden Euro beziffert hat.

Sicher: einige Kommunen haben sich in den letzten Jahren sanieren können. Wahr ist aber auch, dass sehr viele Kommunen immer weiter in den Schuldenstrudel hineingetrieben wurden. Deshalb brauchen wir eine grundlegend andere Politik auf Bundes- und Landesebene gegenüber den Kommunen:

1. Die SPD wird die Kommunen bei den Sozialausgaben entlasten. Wir haben über den Vermittlungsausschuss bei den Hartz IV-Nachverhandlungen erreicht, dass die Lasten, die sich aus der Grundsicherung im Alter ergeben, Schritt für Schritt vom Bund übernommen werden. Als nächstes wollen wir uns die Kosten der Eingliederungshilfe genauer anschauen, unter denen die Kommunen besonders leiden.

2. Wir werden einen Investitionspakt von Bund und Ländern auf den Weg bringen, von dem finanzschwache Kommunen mit Haushaltsnotlagen, Haushaltssicherungskonzepten und hohen Kassenkrediten profitieren sollen.

3. Wir werden mit einem „Eigenanteilfonds“ dafür sorgen, dass auch Städte und Gemeinden in Haushaltsnotlagen die Bundesförderung nutzen können. Sie dürfen nicht von der Förderung ausgeschlossen bleiben, weil ihnen die Eigenmittel fehlen.

4. Wir wollen die Vollfinanzierung von kommunalen Projekten ermöglichen, die bspw. die Herausforderungen der wachsenden Metropolen bewältigen, zu denen auch Leipzig gehört.

5. Wir brauchen einen Entschuldungspakt zugunsten der Kommunen, bei dem wir ihre Einnahmebasis verbessern. Sie werden von einer moderaten Erhöhung des Spitzensteuersatzes angemessen profitieren und wir wollen auch die Gewerbesteuer weiterentwickeln.

6. In dem Zusammenhang müssen wir auch über die Städtebauförderung reden. Schwarz-Gelb hat sie als zentrales Instrument für die zukunftsfähige Entwicklung von Städten und Gemeinden systematisch gekürzt. Trotz eines Bedarfs von 700 Millionen Euro stehen nur 455 zur Verfügung.

7. Frau Merkel und ihrer Regierung fehlt auch das Verständnis für die gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Kommunen: sie hat das Programm „Soziale Stadt“, mit dem in der Vergangenheit in vielen Stadtquartieren drohende Abwärtsspiralen gestoppt werden konnten, um 70 Prozent gekürzt. Die SPD wird das Programm wieder vernünftig ausstatten.

8. Auch um die Finanzen der Kommunen zu verbessern, werden wir innerhalb von 100 Tagen nach der Bundestagswahl das schwarz-gelbe Betreuungsgeld wieder abschaffen und das Geld (1,2 Milliarden Euro) in den Kitaausbau investieren.

9. Wir wollen die Energiewende als dezentrales Projekt umsetzen, bei dem Kommunen und Stadtwerke als Erzeuger und Versorger eine wichtige Rolle spielen, und den Zugang zu öffentlichen Gütern sichern, indem die Strukturen der kommunalen Daseinsvorsorge erhalten bleiben.

10. Deutschland als Zuwanderungsland muss außerdem die Kommunen bei ihren Integrationsmaßnahmen unterstützen und mit einem Sofortprogramm den Städten helfen, die von Armutszuwanderung aus Südosteuropa besonders betroffen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Tiefensee