Portrait von Ulli Nissen
Ulli Nissen
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ulli Nissen zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Antje S. •

Frage an Ulli Nissen von Antje S. bezüglich Energie

Sehr geehrte Frau Nissen

Wir haben in der Corona-Krise gelernt, dass es gut ist auf die
Wissenschaftler/innen zu hören. Länder, die Empfehlungen lange ignoriert
haben, wie die USA und Brasilien haben jetzt viel größere Probleme mit dem
Virus. Wir sollten jetzt auch auf die Klima- aber auch auf unsere
Wirtschaftswissenschaftler/innen hören, die sagen, dass wir viel schneller,
als die Regierung es plant, u.a. auf die erneuerbaren Energien umstellen
müssen. Dazu lesen Sie auch:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimapaket-klimagesetz-klimaschutz-klimapolitik-leopoldina-1.4666841
Das Kohleausstiegsgesetz jedoch schreibt das fossile Geschäftsmodell von RWE für weitere 18 Jahre fest. Dabei ist die Braunkohle schon jetzt, ohne Subventionen, nicht mehr profitabel. Die Mengen wurden nicht reduziert. Es soll nun die selbe Menge Kohle, wie schon 2016 beschlossen, abgebaut werden. Dies passiert nun einfach nur
schneller. Statt bis 2045 wird diese Menge nun bis 2038 abgebaut. 5 Dörfer
werden dafür verschwinden müssen. Damit wirft die Regierung die Parisziele nun endgültig und unwiderruflich über den Haufen ! RWE ist immerhin für 25% des gesamten CO2 Ausstoßes von Deutschland verantwortlich ! Das Gesetz sichert über den §42 der Kohleindustrie systemrelevanz zu. Diese Aussage wurde jedoch erst vor kurzem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung für falsch erklärt. Die Bundesregierung verpflichtet sich trotzdem den Pfad auch durch nachträgliche gesetzliche Regelungen nicht zu gefährden (z.B. auf EU Ebene). Weitere Mitsprache und Transparenz ist nicht gewünscht. Daher werden die Regelungen mit RWE nicht im Gesetz stehen, sondern in einen öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgelagert. Dieser Vertrag ist dann für die Öffentlichkeit nicht einsehbar und die Regelungen können nicht mehr einseitig von Seiten des Staates geändert werden. Mit kluger Vernetzung durch moderne Technologie, können schon jetzt verschiedenste regenerative Energieproduzenten die Grundlast übernehmen. Wie weit die Entwicklung neuer Technologien in ein paar Jahren sein wird, können wir noch nicht absehen. Daher ist es grob fahrlässig und schadet der Zukunft
unseres Staates, hier Verträge abzuschließen, die 18 Jahre lang laufen und die
sich nicht mehr rückgängig machen lassen (oder nur gegen hohe
Entschädigungszahlungen)Die einzelnen kritischen Paragraphen finden Sie in:
https://koelle4future.de/blog/2020/05/20/pressemitteilung-kohleausstiegsgesetz/
Die Proteste der Kinder und Jugendlichen scheinen nicht gehört worden zu sein.
Auf die Zukunft der jungen Generation wird keine Rücksicht genommen.
Daher nun meine Frage an Sie: Werden sie dem Kohleausstiegsgesetz in seiner jetzigen klimaschädlichen Form zustimmen ?

Mit freundlichen Grüßen
Antje Sander

Portrait von Ulli Nissen
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Sander,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 6. Juni 2020 und für Ihr großes Engagement in der Klimapolitik.

Wir sind das einzige europäische Land, das sowohl den Atomausstieg als auch den Kohleausstieg beschlossen hat. Ich bin sehr froh, dass Deutschland in Bezug auf den Klimaschutz so entschieden voran geht.

Gern nehme ich zu Ihren Kritikpunkten Stellung. Ende Dezember kam es zu einer Einigung im Koalitionsausschuss. Danach wird der Einstiegspreis bei der CO2-Bepreisung 25 Euro betragen. Damit ist eine der wichtigsten Forderungen erfüllt, nämlich der Forderung nach einem höheren CO2-Einstiegspreis. Der von Ihnen zugesandte Artikel war vom November 2019 und spiegelte damit nicht den aktuellen Sachstand wider.

Bereits Ende des Jahres 2020 wird der erste Braunkohlekraftwerksblock vom Netz gehen. Bis Ende 2022 werden insgesamt acht der ältesten und dreckigsten Kraftwerksblöcke abgeschaltet. Für den Klimaschutz bringt das rund 20 bis 25 Millionen Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr. Zusammen mit weiteren Stilllegungen kleinerer Kraftwerke werden die verbleibenden Braunkohlekapazitäten bis Ende des Jahres 2022 auf 15 Gigawatt reduziert. Bis zum Jahr 2030 gehen weitere acht Kraftwerksblöcke vom Netz, drei gehen in Sicherheitsbereitschaft. Dann sind noch rund 9 Gigawatt Braunkohle am Netz – das ist mehr als eine Halbierung im Vergleich zu heute. Die noch verbleibenden elf Kraftwerksblöcke werden bis 2038 vom Netz gehen – eventuell sogar noch drei Jahre früher, wenn es möglich ist.

Die Bundesregierung folgt hier den Vorschlägen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Gleichzeitig sollen die betroffenen Regionen mit dem Strukturstärkungsgesetz Unterstützung in Höhe von 40 Milliarden Euro erhalten. Ich werde dem Gesetz im Deutschen Bundestag zustimmen.

Als wir das Klimaschutzprogramm beschlossen haben, wurde zugleich vereinbart, die Klimaschutzwirkung des Programms in zwei unabhängigen Gutachten bewerten zu lassen. Das Bundeswirtschaftsministerium sowie das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt haben daher zwei Studien in Auftrag gegeben. Bei diesen Studien handelt es sich um so genannte Projektionen, die aufgrund von Annahmen, die mit den Ministerien abgestimmt wurden, die Entwicklung bis zum Jahr 2030 berechnen. Beide Studien berücksichtigen nicht nur die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030, sondern auch die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses (höherer CO2-Preis). Klar ist aber auch, dass die Projektionen dabei keine exakte Vorhersage der Welt in zehn Jahren darstellen können. Sie zeigen uns aber grundsätzlich mögliche und wahrscheinliche Entwicklungen auf und machen Handlungsbedarfe klar.

Gut ist, dass es zwischen den beiden Gutachten keine großen Abweichungen gibt. Beide kommen im Gesamtergebnis und in den einzelnen Sektoren – mit Ausnahme des Gebäudebereichs – zu sehr ähnlichen Einschätzungen, wie sich die Treibhausgas-Emissionen vor dem Hintergrund der beschlossenen Maßnahmen entwickeln werden (siehe Anlage). Damit wird deutlich, dass hier keine „wünschenswerten“ Ergebnisse herbeigerechnet werden, sondern jetzt solide Abschätzungen über die Wirkmächtigkeit der beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen vorliegen.

Die ebenso positive, aber noch wichtigere Nachricht lautet: Unser Klimapaket wirkt und wir kommen beim Erreichen der Klimaschutzziele deutlich voran. Die Gutachterkonsortien schätzen, dass wir mit dem Klimaschutzprogramm 2030 nach dem aktuellen Umsetzungsstand bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland um 51 bis 52 Prozent mindern werden. Ohne Klimaschutzpaket wären wir auf nur etwa 41 Prozent gekommen. Das ist ein ermutigendes Signal. Dem erforderlichen Ziel für das Jahr 2030, nämlich der Minderung um mindestens 55 Prozent, kommen wir mit dem Klimaschutzprogramm 2030 bereits jetzt sehr nahe. Jetzt heißt es, die erforderlichen zusätzlichen Schritte zu gehen, um dem Ziel nicht nur nahe zu kommen, sondern es auch zu erreichen.

Hierbei ist es wichtig, einen Blick auf die einzelnen Sektoren zu werfen. In den Sektoren Energie, Industrie und Landwirtschaft ist nur mit geringfügigen Zielverfehlungen zu rechnen. Hier müssen wir zwar weiterhin wachsam sein, aber wir sind mit den beschlossenen Maßnahmen jedenfalls auf dem richtigen Weg. Das ist nicht von selbst gekommen, sondern Ergebnis unserer politischen Entscheidungen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Kohleausstieg etwa waren und sind Kraftakte, aber auch klimapolitische Erfolge, die wir jetzt gerade bei den Erneuerbaren Energien auch nicht verspielen dürfen.

In den Sektoren Verkehr und Gebäude besteht jedoch weiterer Handlungsbedarf. Im Verkehrssektor liegen die Treibhausgas-Emissionen gemäß den beiden Szenarien bei 125 bis 128 Mio. t CO2-Äquivalenten im Jahr 2030. Damit würden die Ziele aus dem Bundes-Klimaschutzgesetz für das Jahr 2030 deutlich verfehlt werden, in Tonnen heißt das, wir haben 2030 beim Verkehr eine Lücke von 30 bis 33 Mio. t CO2-Äquivalenten. Es wird mit den vorliegenden Ergebnissen ganz deutlich, dass wir im Verkehrssektor den größten Handlungsbedarf haben.

Im Gebäudesektor liegen die Treibhausgas-Emissionen nach den Studien bei 78 bis 87 Mio. t CO2-Äquivalenten im Jahr 2030. Hier haben wir eine Lücke von 8 bis 17 Mio. t CO2-Äquivalenten. Auch das zeigt einen deutlichen Handlungsbedarf mit Blick auf die kommenden Jahre auf. Die beiden Studien geben uns also deutliche Signale für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Damit müssen wir jetzt vernünftig umgehen. Wir brauchen keinen Alarmismus, aber auch kein selbstzufriedenes Zurücklehnen. Wir müssen jetzt weiter daran arbeiten und klären, wie wir den Transformationsprozess, insbesondere in diesen beiden Bereichen, befördern können.

Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz haben wir ein Instrument beschlossen, das alle für den Klimaschutz verantwortlichen Ministerien für ihre Politikbereiche in die Pflicht nimmt. Mir ist wichtig, dass wir jetzt die notwendige Nachsteuerung gerade in den Bereichen mit den absehbaren deutlichen Zielverfehlungen angehen. Dazu sollte das Klimakabinett zügig zusammentreten, um gemeinsame Schlussfolgerungen aus diesen Daten zu ziehen und die
nächsten Klimaschutzschritte zu verabreden.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben und verbleibe

Mit herzlichen Grüßen

Ihre

Ulli Nissen