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Ulli Nissen
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Frage von Andrea W. •

Frage an Ulli Nissen von Andrea W. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Nissen,
Ich mache mir Sorgen. Nicht in erster Linie um Corona sondern um das, was danach kommt. Die Klimakrise wird sich ihre Schlagzeilen noch während der Pandemie zurückholen. In Deutschland war der Frühling war viel zu trocken und viele Bauern befürchten einen neuen Dürresommer. Anderen Breiten drohen Folgen massiverer Ausmaße. Obwohl wir die Auswirkungen der Klimakrise bereits spüren, stecken wir in einer politischen Sackgasse. Frankreich zeigt einen teil der Lösung auf: Als Reaktion auf Gelbwesten und die Notwendigkeit zu handeln lässt Präsident Macron in einem Klimabürgerrat über die Maßnahmen zur Treibhausgasreduktionen beraten. Die Empfehlungen will er umsetzen oder das Volk per Referendum darüber entscheiden lassen. Ist ein "Convention Citoyenne pour le Climat" auch in Deutschland denkbar und würden Sie ihn unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
A. W.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau W.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27. April 2020 und für Ihren Einsatz für den Klimaschutz. Das Bündnis MEHR DEMOKRATIE hat bereits mehrere Gespräche mit Mitgliedern der SPD-Bundestagsfraktion zu einem Klimabürgerrat geführt. Ich hege für die Idee des Klimabürgerrates große Sympathien.

Die SPD-Bundestagsfraktion spricht sich seit langem für eine breite Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und aller gesellschaftlich relevanter Gruppen aus. Gerade bei Themen, die langfristige Auswirkungen haben, neue Weichenstellungen bedeuten und erhebliche gesamtgesellschaftliche Folgen haben, ist es hilfreich in einem breiten Diskussionsprozess zu einem gesellschaftlichen Konsens zu kommen, der über viele Jahre hält. Die Arbeit der Endlager-Kommission ist ein gelungenes Beispiel dafür. Auch die Arbeit der Strukturwandelkommission ist eine Blaupause für die Lösung gesellschaftlicher Konflikte und Herausforderungen.

Beim Klimaschutz verhält es sich etwas anders. Seit dem Einsetzen der Klimaschutz-Enquete-Kommission 1988 ist der Klimaschutz im Deutschen Bundestag präsent, international wurde 1979 die erste Klimaschutzkonferenz einberufen, in deren Folge CO2-Minderungsziele gesetzt wurden. Diese Initiativen wurden jeweils von Umweltverbänden, Kirchen etc. kritisch und öffentlich begleitet; es gründeten sich Bündnisse wie die Klima-Allianz der Kommunen oder Fridays for future. Mittlerweile ist es weitgehend gesellschaftlicher Konsens, dass wir in Deutschland, aber auch international, mehr für den Klimaschutz tun müssen. Mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes und des Klimaschutzprogramms hat Deutschland einen entscheidenden Schritt zur Erreichung der Klimaziele getan.

Aktuell müssen wir darauf achten, dass getroffene Umweltbeschlüsse nicht über Bord geworfen werden. Es wäre deshalb völlig unverantwortlich, zu versuchen, die jetzige Krise dafür zu nutzen, das umweltpolitische Rad zurückzudrehen. Das Gegenteil ist richtig. Das heißt mit Blick auf den Klimaschutz: Wir werden weiterhin die Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 vorantreiben. Es ist auch klar, dass wir Konjunkturprogramme so konzipieren müssen, dass sie uns helfen, die Zukunftsherausforderungen unserer Volkswirtschaft besser zu meistern.

Als Umweltpolitikerin hat die Bürgerbeteiligung einen hohen Stellenwert für mich. Das SPD-geführte Bundesumweltministerium (BMU) bindet mit Bürgerbeteiligungsverfahren Bürger*innen in Entscheidungsprozesse ein. Das heißt, dass Bürger*innen die Informationsgrundlagen für eine Entscheidung mit Hinweisen oder eigenen Vorschlägen verbessern. Bürgerbeteiligungsverfahren des BMU richten sich an Privatpersonen. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist keine Voraussetzung, um an einem Bürgerbeteiligungsverfahren teilzunehmen. Beispiele für zurückliegende Bürgerbeteiligungsverfahren des BMU:
Online-Dialog zum "Aktionsprogramm Insektenschutz" (Auswertung läuft), Bürgerdialog zum Klimaschutzplan 2050, Bürgerdialog zum Integrierten Umweltprogramm 2030 "GesprächStoff – Ressourcenschonend leben", Bürgerdialog zu Deutschen Ressourceneffizienzprogramm Progress II.

Seit 2015 wird seitens der Bundesregierung unter Federführung des BMU das Aktionsbündnis Klimaschutz organisiert. Das ist das zentrale Dialogforum zur kontinuierlichen Diskussion klimaschutzpolitischer Positionen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen mit der Bundesregierung. Es unterstützt die Bundesregierung bei der Erreichung der Klimaschutzziele für Deutschland und erkennt die Mitverantwortung seiner Mitglieder für das Gelingen der Transformation zu einer weitgehend treibhausgasneutralen Gesellschaft bis 2050 an. Das Bündnis tagte erstmals am 25. März 2015. Seitdem finden halbjährlich jeweils im Frühjahr und Herbst ganztägige Plenarsitzungen statt. Für einen konzentrierten Diskussions- und Arbeitsprozess wurden insgesamt 15 Bänke gebildet, denen sich interessierte Organisationen zuordnen können (zum Beispiel Bank "Verkehr", Bank "Umwelt- und Klimaschutz", Bank "Verbraucher- und Mieterschutz"). Die Bundesländer sind nicht als eigenständige "Bank" vertreten, sondern nehmen einen aktiven Beobachterstatus ein. Vorbild ist das sogenannte "Wiener Format", das vor allem bei internationalen Verhandlungen etabliert ist. Aktuell sind fast 200 Verbände und andere Organisationen Mitglied im Aktionsbündnis.

Sehr geehrte Frau Wolter, ich danke Ihnen nochmals ganz herzlich für Ihr Engagement und hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre

Ulli Nissen, MdB